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Gebrochene VersprechenDie berühmtesten Wahllügen

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Mal ganz ehrlich: Glauben Sie noch einem Politiker, vor allem einem wahlkämpfenden? Da zieht die Union, die gemeinsam mit der SPD gerade eine unfassbare Neuverschuldung gebilligt hat, seit Wochen durch das Land und verkündet: Steuererhöhungen - nicht mit uns! Und nun wirbelt eine Zeitungsmeldung die Union durcheinander: CDU und CSU planten eine Anhebung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von sieben auf 19 Prozent.

Das Dementi kam natürlich prompt, Berlin bebte und erregte sich in bekannter Manier, es war alles zu hören: Rauf, runter, nicht bewegen!

Und, wem glauben? Nun, die Frage nach dem Glauben ist eine, die man vielleicht eher in der Kirche oder im trauten Kreis bei einer Fasche Wein behandelt. Wir hingegen öffnen unser Archiv und werden den Verdacht nicht los, in Berlin singt ein Chor von Wortbrechern. Begeben wir uns auf eine Zeitreise unter dem Motto: Versprochen, gewählt, gebrochen:

Die Rentenlüge 1 (1958)

Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) schaffte im Wahlkampf 1957 den Durchbruch, als er die „dynamische Leistungsrente" versprach. Die CDU errang die absolute Mehrheit - dank den Stimmen Tausender Rentner. Denen hatte Konrad Adenauer eine Rentenerhöhung versprochen, wenn sie ihn nur wählten. Wenige Monate später wollte der Kanzler davon nichts mehr wissen. Die Erhöhung fiel stillschweigend aus.

Die Bergbaulüge (1965)

„Die Kohle wird bleiben", versprach der wahlkämpfende Ludwig Erhard (CDU). Die Union gewann - inmitten einer Rezession. Die Steuereinnahmen schrumpften, es folgte ein „Programm der Sparsamkeit und Nüchternheit“, vor allem zu Lasten von NRW. Trotz der Bestandsgarantie Erhards wurden viele Kohlegruben geschlossen.

Die Rentenlüge 2 (1976)

„Die Renten werden am 1. Juli um zehn Prozent erhöht.“ Mutiger Helmut Schmidt (SPD), denn in dem von der Ölkrise gebeutelten Land schrumpften die Renteneinnahmen drastisch. Nach der Wahl musste die neu gewählte Regierung eingestehen, dass nicht genügend Geld in der Kasse ist. Die Rentenerhöhung wurde um ein halbes Jahr verschoben.

Die Lehrstellenlüge (1983)

Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) versprach im Februar 1983 jedem Jugendlichen einen Ausbildungsplatz. 15 000 Mädchen und Jungen schrieben dem CDU-Chef mit der Bitte um eine Lehrstelle. Kohl musste passen: Durch das anhaltende Konjunkturtief war die Zahl der Lehrstellen stark geschrumpft, während die Anzahl der Bewerber - die geburtenstarken Jahrgänge drängten auf den Arbeitsmarkt - stetig anstieg.

Die Steuerlüge 1 (1990)

Im November dieses Jahres versprach Kohl: „Wir machen keine Steuererhöhung im Zusammenhang mit der deutschen Einheit.“ Natürlich musste er dieses Versprechen schon wenige Wochen nach seiner Wiederwahl brechen. Seine Regierung beschloss einen Zuschlag von 7,5 Prozent auf die Lohn- und Einkommenssteuer. Selbst „Bild“ erklärte Kohl zum „Steuerlügner" und „Umfaller“.

Die Soli-Lüge (1996)

„Der Solidaritätszuschlag ist bis Ende 1999 endgültig weg", sagt schon wieder Kohl. Am 1. Juli 1991 hatte er den Soli eingeführt - und wir zahlen ihn heute noch.

Die Arbeitslosenlüge (2001)

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sagt am 4. März, wenn er die Zahl der Arbeitslosen nicht unter drei Millionen (am 6. April sind es „nur noch“ 3,5 Millionen) drücken könne, „habe ich es nicht verdient widergewählt zu werden". Er schaffte es nicht. Im Januar 2005 kletterte die Marke, auch bedingt durch eine veränderte Zählweise, auf über fünf Millionen.

Die Steuerlüge (2002)

„Steuererhöhungen sind in der jetzigen konjunkturellen Situation ökonomisch unsinnig, und deshalb ziehen wir sie auch nicht in Betracht", lässt Schröder verkünden. Was folgte? Die Deutschen müssen 26 Milliarden Euro mehr an Finanzämter und Sozialversicherungen zahlen, Steuervergünstigungen werden gestrichen..

Mehrwertsteuerlüge (2005)

Vor der Bundestagswahl 2005 sprach sich die Union für eine Anhebung der Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent aus, die SPD ätzte gegen die „Merkel-Steuer“ und lehnte die Anhebung als "unsozial" ab. Ihr "Kompromiss": Anfang 2007 steigt die Mehrwertsteuer auf 19 Prozent.

Die Links-Lüge (2008)

„Im Westen wäre es ein kapitaler Fehler, wenn wir mit diesen undifferenzierten, teilweise chaotischen Leuten Politik machen würden“, sagte der damalige SPD-Chef Kurt Beck im September 2007. Auch die hessische SPD-Frontfrau Andrea Ypsilati sekundierte: Nie mit den Linken. Später kam alles anders, Roland Koch hat wieder die Macht, die SPD an Ansehen, Glaubwürdigkeit und Bedeutung verloren.

Die Parteien beschreiben solche Entwicklungen übrigens gerne mit Kommunikationsproblemen.

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