GeorghausenRitter, Mönche und ein Holzbaron

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Seit 45 Jahren ist Schloss Georghausen an einen Golfclub verpachtet, der in das Anwesen viel investiert hat. So idyllisch wie heute wirkte es wohl nicht immer. Die Besitzer wechselten mehrfach, und da Leben im Wasserschloss war manchmal auch karg. (Bild: rn)

Seit 45 Jahren ist Schloss Georghausen an einen Golfclub verpachtet, der in das Anwesen viel investiert hat. So idyllisch wie heute wirkte es wohl nicht immer. Die Besitzer wechselten mehrfach, und da Leben im Wasserschloss war manchmal auch karg. (Bild: rn)

Lindlar – Eine adelige Tante, die die Bilder von der Wand holt, um mit dem Erlös ihre Schulden zu begleichen; ein Baron, der, Bauchtief im Wassergraben stehend, Schlamm schippt und sich abends zur Krönung des Tages einen Stumpen und ein Glas Apfelsaft gönnt. Das sind nicht die Bilder, die in mädchenhaften Träumen vom adeligen Leben auftauchen. Doch genau so sah es aus, Anfang des 20. Jahrhunderts, auf Schloss Georghausen in Lindlar. „Zum Totlachen war das nicht“, sagt Georg von Landsberg, dessen Familie seit 1820 Eigentümerin des Wasserschlosses ist, „es herrschte der Kult der Kargheit.“ Er selbst ist hier aufgewachsen. Geboren 1943, nachdem seine Mutter mit dem Fahrrad vom Schloss nach Lindlar zur Entbindung gefahren war.

Wenn Georg von Landsberg von Schloss Georghausen erzählt, wird die Geschichte lebendig. Er redet vom beschwerlichen Leben seines Großvaters, der „die Socken trug, bis nichts mehr da war“. Von einer Zeit, in der auch ein Baron darauf angewiesen war, dass der Arzt „einmal im Monat mit dem Pferdekarren vorbeikam“, und zu der im Keller Chicorée angebaut wurde, um daraus Kaffeeersatz herzustellen. Weder die Waldwirtschaft noch das Verpachten von Land an die Bauern brachte genügend Geld ein für ein feudales Leben in einer abgeschiedenen, teuer zu erhaltenden Burg.

Im und nach dem Krieg waren viele Evakuierte im Schloss untergebracht, doch in den 50er Jahren besserten sich die Verhältnisse. Wolfgang von Landsberg, der Vater von Georg, wandelte das Anwesen in ein Hotel um. „Wahnsinnsfeiern“ hätten hier stattgefunden, sagt sein Sohn. Kölner Gäste und wohlhabende Bürger aus dem Umland residierten in den 50er Jahren im Schloss, beseelt von Aufbruchsstimmung und Nachholbedarf. „Damals kam man nicht für drei Stunden, sondern für drei Tage“, sagt von Landsberg.

Der Anfang des Jahres emeritierte Informatikprofessor arbeitet zurzeit an der Lebensgeschichte seines Onkels Franz-Egon, der eine der interessantesten Figuren des Hauses gewesen sein muss. „Eine Sensation, der Mann“, meint von Landsberg, „er fuhr auf dem Kreuzer Emden III um die Welt (1926-28), hatte in jedem Hafen ein Mädchen und brachte Affe Emdi und einen Papagei mit.“ Franz-Egon, der „Holzbaron“, erweiterte Georghausen um die Sägemühle, in der Georg von Landsberg heute wohnt.

Die Geschichte der Wasserburg hat Lücken, reicht aber weit zurück. Sicher ist, dass es ein Anwesen und die angrenzende Mahlmühle bereits vor gut 600 Jahren gab. Um 1380 erhielt Ritter Quade von Graf Wilhelm von Berg die Fischereirechte über die Sülz. Der Ritter war wohl auch Besitzer des „Hof- und Mühlenguts Georghausen“. Im 15. Jahrhundert bewohnte Kanzler Dietrich Lüninck Georghausen. In einer Urkunde von 1450 wird berichtet, Lüninck habe eine Burg errichtet mit „fast quadratischen Umrissen und dicken Mauern“. Sein Sohn Wilhelm folgte ihm - sowohl als Kanzler des Herzogtums als auch als Besitzer der Burg. Schon damals muss Georghausen wie heute von Wassergräben umgeben gewesen sein, denn 1490 wurde der Neubau einer Zugbrücke dokumentiert.

Es folgte eine Zeit der Erbteilungen, in der das Anwesen mehrfach die Besitzer wechselte. Diese hinterließen weder in der Geschichtsschreibung noch an der Burg bedeutende Spuren. Rinder, Schweine und riesige Schafherden wurden rund um die Burg gehalten. Bauern pflanzten Hafer und Roggen, Köhler ließen allerorten die Meiler brennen. 1702 erneuerte die Familie von Wittmann das Schloss zu der Barockanlage, die bis heute weitestgehend erhalten ist. Die Investitionen sollen sie jedoch in den finanziellen Ruin getrieben haben. Auch die Familie von und zu Hees, die sich 1755 mit einem Fußfall eine bis heute erhaltene steinerne Erinnerung setzte, verarmte und musste das Schloss verkaufen. Kurz darauf zogen die Zisterziensermönche von Düsselthal ein. Sie legten Forellenteiche an und deckten das Dach neu. Doch 1787 zogen auch sie wieder aus, weil sich der Wirtschaftsbetrieb nicht lohnte. Richtiges Glück schien Georghausen für niemanden bereitzuhalten. 1820 kam die Familie von Fürstenberg ins Spiel. Friedrich Leopold, der bereits Eigentümer von Schloss Heiligenhoven in Lindlar war, erwarb Georghausen. Seine Urenkelin Maria heiratete den stellvertretenden Landrat Emanuel von Landsberg - den Großvater Georg von Landsbergs.

Bei einem Haus- und Hofrundgang weiß der Enkel weitere Geschichten zu erzählen. Die von „Tante Thea“ von Fürstenberg zum Beispiel, die sich in Schloss Heiligenhoven kaum über Wasser halten konnte und ab und zu ein Bild von der Wand nahm, um es in Georghausen zu versilbern. Oder die von „Tante Zita“: Sie war in eines der hofeigenen Pferde vernarrt, das, nachdem der Vater es verkauft hatte, kitschfilmreif wieder zurückgelaufen kam. Oder die von dem angeblichen Doppelspion, der nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Hof gelebt haben soll. Nicht zu vergessen der unterirdischen Gang, den bis heute jedoch niemand entdeckt habe.

„Das ist nicht Versailles“, sagt von Landsberg. Viel vom alten Mobiliar ist nicht geblieben, aber Tante Thea hat die Porträts der Vorfahren verschont. Da hängen sie, die von Fürstenbergs, deren Geschichte in Öl bis 1544 zu Caspar aus Bilstein zurückreicht. Im „Weißen Salon“ schmückt Stuck die Decke. An der Seite prangt ein Kamin aus Lindlarer Marmor. Dunkle Eichenstufen und ein mächtiges Geländer führen im barocken Treppenhaus nach oben. „Früher waren dort die Fremdenzimmer“, sagt von Landsberg. Heute verbietet der Brandschutz eine solche Nutzung.

Georg von Landsberg hat aus der Geschichte gelernt, dass ein Schloss teuer ist. Seit 45 Jahren ist es verpachtet an den Golfclub Schloss Georghausen - inklusive gewisser Pflichten zur Instandhaltung. Als Anfang der 1960er Jahre einige Unternehmer aus Oberberg vorschlugen, einen Golfclub zu gründen, kaufte sich von Landsberg erstmal ein Buch: „Ich weiß noch, dass wir im Bett saßen und überlegten: Was ist überhaupt Golf?“

Der Club investierte viel, so fesch und idyllisch wie heute sah das Anwesen vermutlich nie zuvor in seiner Geschichte aus. Landsberg ist froh, dass das Leben im Schloss weitergeht. Weder die ganz große Politik noch das ganz große Geld wurden in Georghausen gemacht, aber die Burg dokumentiert die Geschichte des Bergischen mit seinen Menschen, mit Alltag und Arbeit, Überliefertem und Vergessenem. Vergessen ist zum Beispiel, wer eigentlich der erste Georg war, dessen Namen die Burg durch die Jahrhunderte mitgenommen hat.

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