HistorieBrutale Verhöre im Rathaus

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Festgenommene Mitglieder der KPD vor dem Rathaus in Frechen. BILD: KREISARCHIV

Festgenommene Mitglieder der KPD vor dem Rathaus in Frechen. BILD: KREISARCHIV

Frechen – Frechen bildete keine Ausnahme. Auch hier verfolgten die Nationalsozialisten blutig und brutal ihre politischen Gegner, insbesondere die Kommunisten. „Die Stadt war bei Weitem keine Insel der Glückseligen“, räumt Dr. Franz-Joseph Kiegelmann mit einer immer noch verbreiteten Schönfärberei auf. In seiner Dokumentation „Tatort Steinzeugofen“ durchleuchtet der Vorsitzende des Geschichtsvereins ein brisantes Stück Frechener Geschichte. Festgenommene KPD-Anhänger wurden im Juli 1933 im Rathaus von Frechener NS-Schargen brutal verhört, um Geständnisse zu erpressen. Anschließend wurden die Männer von der SS in der stillgelegten Tonröhrenfabrik Dorn in der Blindgasse gefoltert und geprügelt. Ein Mann überlebte die Tortour nicht. Grundlage des Buches bilden die Gerichtsakten zweier Prozesse: Im Jahr 1933 / 34 klagten die Nationalsozialisten 18 Kommunisten an wegen eines angeblich bewaffneten Angriffs der Kommunisten auf die NSDAP-Geschäftsstelle an der Hüchelner Straße. Nach dem Krieg im Jahr 1946 / 48 fand der „Gegenprozess“ gegen die verantwortlichen Frechener NS-Größen statt. Auf den ersten Blick erscheint das Verfahren Kiegelmanns, die beiden Ereignisse nebeneinanderzustellen, ungewöhnlich. Doch trotz des Zeitsprungs von 14 Jahren kann der Leser die Informationen wie ein Mosaik zusammensetzen und erahnen, was damals in Frechen los war.

Erschütternd sind die Erinnerungen von sieben Opfern an ihren Leidensweg, festgehalten als Zeugenaussagen im Gerichtsprozess nach dem Krieg. So schildert ein Betroffener, KPD-Mitglied Joseph Schmitz, wie er am Abend des 12. Juli 1933 von Polizeikommissar Anton Josef Weyer im Rathaus in die Mangel genommen und anschließend dem SS-Sturmbannführer übergeben wurde, damit dieser „mit Nachdruck“ weitermache. 37 Schläge seien angeordnet worden, für jedes Lebensjahr einer: „Daraufhin bin ich über die Bank gelegt worden“, erinnerte sich Schmitz. Fünf SS-Leute hätten mit Gummiknüppeln auf seinen Körper eingeschlagen, bis er zusammengebrochen sei. Die Folter habe eine Stunde lang gedauert. „Und man hat mir, um mein Schreien zu unterdrücken, einen im Zimmer liegenden Aufnehmer in den Mund gesteckt.“

Anschließend wurde die Misshandlung in der stillgelegten Tonröhrenfabrik in der Blindgasse fortgesetzt. Dabei bedienten sich, zu diesem Fazit kommt Kiegelmann, der Ortsgruppenleiter und stellvertretende Bürgermeister Reiner Stumpf mit Wissen des Kreisleiters und Landrates Heinrich Loevenich des besonderen Eifers des ehrgeizigen Frechener Polizeichefs Anton Joseph Weyer sowie eines Kölner SS-Kommandos. Außer Schmitz wurden noch acht weitere Kommunisten in die Mangel genommen. An den Folgen seiner Verletzungen starb Heinrich Bühr. „Er ist regelrecht zu Tode getreten worden“, bekundet ein anderes Opfer 1947.

Indem Kiegelmann auf eine Anonymisierung der Namen - Opfer wie auch Täter - verzichtet, durchbricht er ein Tabu und sorgt so dafür, dass die brutalen Vorgänge ein Gesicht bekommen. Bei der Vorstellung des Buches am Mittwochabend im Pfarrsaal von St. Audomar betonte Kiegelmann, mit seiner Dokumentation wolle er „ein Zeichen gegen das Vergessen“ setzen. Dies ist ihm gelungen. Durch die unterschiedlichen Aspekte in den Zeugenaussagen ergibt sich ein lebendiges Bild von Machtgier, Rache, Schuldverdrängung, Enttäuschung und Wichtigtuerei.

„Tatort Steinzeugofen“ von Franz Joseph Kiegelmann ist als vierter Band, 80 Seiten, der Schriftenreihe des Frechener Geschichtsvereins erschienen. Erhältlich ist es in allen Frechener Buchläden, Preis 7,50 Euro.

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