Internat für Jugendliche mit einer „Schulphobie“

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Nach einem Jahr Leerstand fand das ehemalige Altenheim in Reifferscheid jetzt einen neuen Eigentümer.

Hellenthal-Reifferscheid - Das ehemalige Altenheim Liebfrauenhof in Reifferscheid hat einen neuen Eigentümer: Am Montag hat Tobias Corsten aus Mönchengladbach den Komplex gekauft. Gut ein Jahr hatte das Gebäude nach dem Umzug der Senioren ins Schleidener Schloss leer gestanden.

Schon am 23. April dieses Jahres soll in dem altehrwürdigen Gemäuer - der älteste Gebäudeteil geht auf das Jahr 1479 zurück - eine neue Jugendhilfeeinrichtung starten, erklärten Corsten und Bürgermeister Manfred Ernst gestern in einer gemeinsamen Pressekonferenz im Hellenthaler Rathaus.

Bis dahin wird im Liebfrauenhof ein Internat für maximal 32 Kinder eingerichtet, die unter „Schulphobie“ leiden. Der Begriff löste in der Pressekonferenz zunächst einiges Schmunzeln aus. Denn wer hat in jungen Jahren daran nicht auch schon mal gelitten? Doch die Probleme der Kinder, die in der „Corsten Schule und Internat“ in Mönchengladbach seit über 30 Jahren betreut werden, sind wohl ernsterer Natur.

Wenn die Eltern sich gar nicht mehr zu helfen wissen, erklärte Corsten, könnten sie einen „Antrag auf Hilfe zur Erziehung“ an das zuständige Jugendamt richten. Und das wendet sich dann zumindest in Mönchengladbach an den 27-jährigen Tobias Corsten, dessen Großvater die Einrichtung gegründet hatte.

In Mönchengladbach werden zurzeit 240 Schüler ab der fünften Klasse betreut, 107 davon wohnen im angegliederten Internat. Corsten hatte sich in Mönchengladbach ein Wohnhaus der Franziskanerinnen angesehen, denen auch das Altenheim in Reifferscheid gehörte. Dabei hatte er erfahren, dass es da noch ein großes, leer stehendes Gebäude in der Eifel gibt. Nachdem Corsten sich den Liebfrauenhof angesehen hatte, entstand die Idee, eine Außenstelle in Reifferscheid einzurichten.

Gerade die Abgeschiedenheit des Standortes biete Kindern Hilfe, die, abgeschottet von der Reizüberflutung der Großstädte, in einer naturverbundenen und ländlichen Umgebung einen Neuanfang machen sollen, sagte Corsten. Er legt Wert darauf, dass es sich bei „seinen“ Kindern und Jugendlichen nicht um Schwererziehbare oder Verhaltensauffällige handelt.

Die Kinder hätten aber so große Angst, dass es zu einer kompletten Schul- und Leistungsverweigerung und zu einem Rückzug aus allen sozialen Kontakten komme. Dazu kämen auch so genannte hyperaktive Kinder und auffällige, „hoch begabte Minderleister“. Die finden dann in Reifferscheid Verhältnisse vor, die für normale Schüler und erst recht für Lehrer paradiesisch anmuten müssen.

Den 32 Internatsplätzen stehen 29 Mitarbeiter - also Lehrer, Sozialarbeiter, Erzieher oder Psychotherapeuten - gegenüber. Dazu kommen noch sieben Hauswirtschafter im Internat. In den ersten Wochen gehe es darum, eine Vertrauensbasis zu Kindern aufzubauen, deren Selbstwertgefühl völlig am Boden zerstört sei. Dann könne man in Einzel- und Kleingruppen schnell Lücken auffüllen und schließen, die durch die Schulverweigerung bereits entstanden seien.

Nach acht bis zwölf Monaten seien die Kinder dann so weit stabilisiert, dass sie in eine normale Schule zurückkehren könnten, erklärte Corsten.

Bürgermeister Manfred Ernst war sehr froh, dass es einen neuen Besitzer im Liebfrauenhof gibt: Das Gebäude werde durch den Leerstand nicht besser, es seien bereits Scheiben eingeschlagen worden. Doch noch sei die Bausubstanz gut.

Der Liebfrauenhof war seit 1701 Kloster. Seit 1925 haben die Franziskanerinnen in ihrem Kloster alte Menschen betreut und gepflegt. So sei der Liebfrauenhof über Jahrhunderte ein „Ort der Hilfestellung“ gewesen , erklärte Ernst, und das werde er wohl auch in Zukunft mit der neuen Nutzung bleiben.

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