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Joe KnippAus der Zeit gefallen

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Am 19. Dezember fand in Joe Knipps Theater am Sachsenring die letzte Vorstellung statt. Voraus gegangen war ein beispielloser Kampf des Kölner Kulturamtes gegen die freie Bühne. (Bild: Wolfgang Weimer)

Am 19. Dezember fand in Joe Knipps Theater am Sachsenring die letzte Vorstellung statt. Voraus gegangen war ein beispielloser Kampf des Kölner Kulturamtes gegen die freie Bühne. (Bild: Wolfgang Weimer)

„Vielleicht“, sagt Joe Knipp, „bin ich im Moment ja wirklich aus der Zeit gefallen.“ Wenn er davon spreche, wie gerne er ein Ensemble aufbauen würde, sinniert der 55-jährige Theatermann, wenn er gar den Zauber des Theaters beschwöre, lache man ihn doch nur aus. Vor zehn Tagen ist in Knipps Theater am Sachsenring der letzte Vorhang gefallen. Das Aus nach 23 Jahren.

„Ich war gar nicht traurig“, sagt Knipp. Es sei ja ein schöner Abend gewesen, wie überhaupt die vergangenen Wochen viele beglückende Erfahrungen bereit gehalten hätten. Gespräche mit dem Publikum, mit treuen Theatergängern, die nun noch einmal zeigten, wie sehr sie das kleine 100-Plätze-Haus als kommunikativen Raum schätzen. Weil man sich die Bedeutung einer Institution eben erst im Moment ihres Verschwindens klar macht.

Der Tod ereilte das TAS nicht ohne Ankündigung. Im Jahr 2005 strich das Kulturamt der Bühne nach der Empfehlung eines eigens gebildeten Theaterbeirats die städtische Förderung. Das TAS passte nicht ins Konzept. Die eher wertkonservative Auffassung des Sohns eines Schauspieler-Ehepaars, sein Beharren auf einem psychologisch erzählendem Theater verlief konträr zu den Zielen des Kulturamts. „Man fand uns altmodisch“.

Wen wundert es folglich, dass sich Knipp über „blutleere Konzepte“ beklagt, über eine Förderpolitik, die sich nicht um das kümmere, was vor Ort gewachsen sei. Immerhin hatte der Theatermacher noch zwei Jahre vor der Kürzung mit seiner Bühnenfassung von Thomas Vinterbergs Kinodrama „Das Fest“ den Kölner Theaterpreis gewonnen. „Wir wollten ja nicht viel, nur eine Basisförderung und das Gefühl, gewollt zu werden in der Stadt.“ Knipp machte trotzdem weiter, in der Erwartung nach vier Jahren wieder in die Förderung aufgenommen zu werden. Die erwies sich als allzu optimistisch. „Aber ich bereue das keine Sekunde. Wir haben noch vier Jahre gutes Theater gemacht.“

In den Anfängen des TAS, so Knipp, hätte es noch eine selbstverständliche Verknüpfung von kleinen Theaterstücken, Kabarett und Protestkultur gegeben, ein soziales Miteinander von Kunst und Lebensweisen. Aus diesem Zeitgeist war auch das Theater am Sachsenring entstanden. Der Bauherr des Hauses am Sachsenring 3 hatte von Anfang an eine Bühne im Souterrain eingeplant, Knipp übernahm sie 1987, formte sie zum literarisch geprägten Theater um. Allerdings schlug die südstädtische Gemengelage aus Protest und Kultur nicht zwingend in künstlerischer Qualität um. „Irgendwann sind dann die Leute, die eher aus der sozialen Bewegung kamen, zu Hause geblieben.“

Der Kreis wurde kleiner, das Theater besser. Gerade mit den Premieren der vergangenen Jahre ist Knipp besonders zufrieden, mit den „Lieblingsmenschen“ von Laura de Weck, einem Stück, das inzwischen an vielen Stadttheatern zu sehen ist, oder mit David N. Kochs Soloperformance in „Kafkas Welten“, beide Inszenierungen wurden für den Kölner Theaterpreis nominiert.

Jetzt stehen die Räume am Sachsenring 3 leer. Auch Knipps Hoffnung, dass hier das Theater am Keller einziehen könnte und er auf der vertrauten Bühne hin und wieder als Gast inszenieren könne, hat sich zerschlagen. Joe Knipp ist aus der Zeit gefallen.

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