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Jörg Uckermann: Eine zweifelhafte Karriere

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Bei "Pro Köln" ist der zum Vorzeigekandidaten avanciert: Jörg Uckermann

Bei "Pro Köln" ist der zum Vorzeigekandidaten avanciert: Jörg Uckermann

Köln - Wer Jörg Uckermann eine Frage stellt, muss viel Zeit mitbringen. Der Masseur und medizinische Bademeister, neuerdings Funktionär der rechtsextremen Organisation „Pro NRW“, redet ohne Punkt und Komma. Wer ihm zuhört, den beschleicht die Sorge, dass der 39-Jährige im selbstverliebten Wortschwall das Atmen vergessen könnte.

„Wann ist Ihr nächster öffentlicher Auftritt?“, fragt der Reporter. Als Antwort ereifert Uckermann sich minutenlang über „fanatischen Multikultarismus“, über Männer mit „offener Taliban-ähnlicher Kleidung“ oder über „radikalen Islamismus, der unsere Städte überschwemmt“. Neulich, so sagt er, habe er „vor begeisterten Zuhörern“ ein „detailliertes kommunalpolitisches Programm vorgelegt“. Von der Schul- und Bildungspolitik über Wohnungs- und Städtebau bis hin „zur allgemeinen Forderung nach einer geistigen Anpassung der Einwanderer an unsere Werte“. Für alles biete er Lösungen an, sagt Uckermann. Die Frage nach seinem Auftrittstermin scheint er längst vergessen zu haben.

Männer wie Uckermann, besessen davon, sich selbst zu inszenieren, sind das Objekt der Begierde ultrarechter Organisationen. Auch „Pro Köln“, das vom Verfassungsschutz unter der Rubrik „Rechtsextremismus“ beobachtet wird, sucht ständig nach Mitstreitern. Unter dem Deckmantel einer demokratischen Bürgerbewegung wollen die „Pro“-Funktionäre den Eindruck erwecken, in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein.

Ein Lächeln wie aus der Zahnpasta-Werbung

Einer wie Uckermann kommt da wie gerufen. Im Kölner Stadtteil Ehrenfeld, wo er jahrelang für die CDU als stellvertretender Bürgermeister in der Bezirksvertretung saß, hat er nicht erst nach seiner Kritik an der geplanten Ditib-Moschee eine gewisse Bekanntheit erreicht. Er ist der Typ Mensch, der sich nach der Sonntagsmesse wie selbstverständlich in die Mitte des Kirchplatzes der St.-Anna-Gemeinde in Neu-Ehrenfeld stellt, um möglichst vielen Gläubigen die Hand zu drücken. Groß, sportlich, ein Lächeln wie aus der Zahnpasta-Werbung, so steht er da. „Ich bin wichtig“, soll die Botschaft wohl lauten. „Für mich war immer klar, dass er in erster Linie Karriere machen wollte“, sagt Bezirksbürgermeister Josef Wirges (SPD).

In der CDU ist Uckermann am eigenen Ego gescheitert. Im Februar wurde er nach ständigen Querelen als Vize-Bezirksbürgermeister abgewählt. Seine eigene Fraktion entzog ihm das Vertrauen. Eine Woche zuvor war er als Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes geschasst worden. Zu diesem Zeitpunkt lief bereits ein Parteiausschlussverfahren. Unter anderem wurden Uckermann, der Berichten zufolge in einer tumultartigen Versammlung sogar den damaligen Kölner Parteichef WalterReinarz durch den Saalschutz vor die Tür setzen lassen wollte, Manipulationen bei der Wahl zum Ortsverbandsvorsitzenden vorgeworfen.

Sein CDU-Mandat gab er zurück

Dem drohenden Rauswurf bei den Christdemokraten kam der Ehrenfelder dann mit seinem Austritt zuvor. Dass es ihm eher weniger um einen demokratischen Auftrag geht, sondern vor allem um das „Programm Uckermann“, offenbart sein weiteres Vorgehen. Denn seine neue politischen Karriere gründete er auf einen Wählerbetrug. Das CDU-Mandat, das er keiner Direktwahl, sondern einem vorderen Listenplatz bei der Kommunalwahl zu verdanken hatte, gab er nicht etwa zurück. Er lief damit im Frühjahr 2008 zu „Pro Köln“ über.

In Ehrenfeld, wo es bis dahin nur ein einziger Rechtsextremer in die Bezirksvertretung geschafft hatte, gibt es seitdem zwei „Pro“-Vertreter - und somit den Anspruch auf ein mit öffentlichen Geldern finanziertes Büro. Als Fraktionsvorsitzender kassiert Uckermann zudem die doppelte Aufwandsentschädigung. Und dies für die Mitarbeit in einer Partei, der er im Sommer 2006 wegen eines Flugblatts noch „Volksverhetzung“ vorgeworfen hatte und gegen die er deshalb Anzeige erstattete. Als die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen einstellte, wurde Uckermann auf der „Pro Köln“-Homepage beschimpft. Von einem Mangel an „charakterlichen Qualitäten“ war zu lesen sowie von „Diffamierung“. Bei einer anderen Gelegenheit attestierte „Pro Köln“ dem damaligen CDU-Funktionär „Kadavergehorsam“; sein Verhalten sei „verlogen und armselig“.

Worte und Überzeugungen haben anscheinend eine geringe Halbwertzeit in der Welt der Ultrarechten. Für „Pro NRW“, die Partei, die das rechtsextreme Kölner Modell landesweit kopieren will, tritt Uckermann in Leverkusen bei der Kommunalwahl im Juni 2009 als Oberbürgermeister-Kandidat an. Die OB-Wahl wird er mit Sicherheit nicht gewinnen. Aber schon 900 Stimmen könnten reichen, um einen „Pro“-Aktivisten in den Stadtrat zu bringen. Gerade auf kommunaler Ebene seien punktuelle Wahlerfolge möglich, glauben Politikwissenschaftler. Und zwar dann, wenn es der „Pro“-Bewegung gelinge, den Anschein zu erwecken, als angebliche Anwältin des kleinen Mannes Bürgerinteressen zu vertreten. Bei Landtagswahlen aber seien Erfolge äußerst unwahrscheinlich.

Doch überregional und landesweit sei man „hervorragend aufgestellt“, sagt Uckermann. Insbesondere im Vorstand von „Pro NRW“, der eine „tolle Truppe“ sei, gebe es „exzellente Leistungsträger“.

Leistungsträger wie Henryk Dyker, einem esoterisch angehauchten Apotheker aus Essen. Auf seiner Homepage im Internet präsentiert der Geschäftsmann dem erstaunten Leser ein „höheres Rechtsgutachten der evolutionären, volksnahen Gesundheitseinrichtung Sonne und Erde“, in dem es unter anderem heißt: „Das BRD-Regime ist illegal und muss durch einen Verlebendigungsvorgang in die organische Ganzheit wieder eingefügt werden.“ Dyker hat noch mehr zu verkünden, zum Beispiel das: „Im Sommer kommen sich die geistige Individualität auf der Sonne und die verkörperte auf der Erde sehr nahe. Aus diesem Grund soll das Göttliche, das Heilige und das Würdevolle der irdisch menschlichen Weltsache besonders hervorgehoben, an bestimmten Ereignissen festgemacht und durch kulturkämpferische Aktionen sichtbar gemacht werden.“

Die Latte liegt tief, wenn die „Pro“-Funktionäre Mitstreiter rekrutieren. Das Personal in NRW setzt sich laut einer Studie in erster Linie aus Aktivisten vom rechten Rand der Republikanern, und ehemaligen Anhängern der Schill-Partei zusammen. Hinzu kommen politische „Schwergewichte“ wie Henryk Dyker. Einer wie Uckermann mit seiner CDU-Vergangenheit wird da zwangsläufig zum Vorzeige-Kandidaten. Kaum dabei, wurde er einstimmig zum Bezirksvorsitzenden gewählt.

Dass er sich zu Höherem berufen fühlt, daran lässt der rechte Hoffnungsträger nicht den Hauch eines Zweifels. Schon als CDU-Mitglied habe er Interviews für die „Weltpresse“ gegeben, prahlt er. Was die Journalisten aus fernen Ländern wohl von ihm erfahren haben? Kritische Nachfragen, beispielsweise zu seiner wirtschaftspolitischen Kompetenz als Leverkusener Oberbürgermeisterkandidat, liegen Uckermann nicht so sehr. Vielleicht liegt dies daran, dass er im Privatleben gelegentlich nur mäßiges Geschick in Finanzdingen bewiesen hat.

Nach Angaben einer Wirtschaftsauskunftei sind für zwei Firmen, an denen Uckermann mit geringem Anteil als Gesellschafter beteiligt ist, mehrere gerichtliche Haftanordnungen zur Abgabe der „eidesstattlichen Versicherung“, im Volksmund Offenbarungseid genannt, erlassen worden. Im Oktober 2005 sei gegen den Kommunalpolitiker außerdem ein Verfahren wegen Privatinsolvenz beantragt worden, weil er persönlich fällige Schulden nicht beglichen haben soll, bestätigte ein Sprecher des Amtsgerichts Köln. Das Verfahren sei erst eingestellt worden, als „die Gläubiger quotenmäßig befriedigt werden konnten“.

Trotz zweifacher Anfrage hat sich Uckermann dazu nicht geäußert. Sonst außergewöhnlich wortreich, droht er bei diesem Thema lediglich mit seinem Anwalt.

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