JugendschutzAlles Porno - und null Sex

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Im Web lauern neben Vorzügen auch Gefahren. (Bild: jupiterimages)

Im Web lauern neben Vorzügen auch Gefahren. (Bild: jupiterimages)

Deutsche Jugendschützer sind alarmiert: Nie zuvor war es für Kinder und Jugendliche einfacher, auf pornographische Inhalte im Internet zuzugreifen. Wurden in der Ära vor dem allgegenwärtigen Web noch verschämt die Schmuddelhefte unter der Schulbank getauscht, warten heute auf den Bildschirmen deutscher Kinderzimmer nur einen Mouse-Click entfernt Pornoportale wie YouPorn (in Anlehnung an das Videoportal YouTube) mit feinsäuberlich nach Vorlieben kategorisierten Pornoclips auf die jungen Betrachter. Der obligatorische Alterscheck, der dem eigentlichen Angebot vorgeschaltet ist, kann getrost als Hohn verstanden werden, wird er den minderjährigen User kaum zu einer ehrlichen Antwort bewegen können, die ihm das reichhaltige Angebot mit Kategorien wie Anal, Teen, Mature, etc. vorenthalten würde. Zudem hallen über deutsche Schulhöfe Mp3-Files der Rüpel-Rapper Berliner Schule wie Sido, Frauenarzt und Co., die mit frauenfeindlichen Songs, die bezeichnende Titel wie „Arschficksong“ tragen, Quote und Absatz machen.

Doch wie kann es bei all den harten Fakten sein, dass eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung jetzt feststellte, dass Jungen und Mädchen heutzutage weniger Sex als noch vor fünf Jahren haben und sich zudem auch mehr Zeit bis zu ihrem ersten Geschlechtsverkehr lassen?

Medienkompetenz als Schulfach

Pädagogen haben hierfür eine eindeutige Erklärung ausgemacht: Sie machen im Sexualkundeunterricht häufig die Erfahrung, dass die Jugendlichen hinsichtlich der gängigen Sexualpraktiken bestens informiert sind, ihnen der emotionale Überbau, der zu einer erfüllten und partnerschaftlichen Sexualität führt, aber völlig abgeht. Dieses Manko vermag auch den Grund, dass sich die Jugendlichen mehr Zeit lassen, bis sie miteinander intim werden, erklären. Geistige Reife und das Wissen um eine Handlung sind eben nicht eins.

Bei der Diskussion um Pornographie im Kinderzimmer, ebenso wie bei der vorangegangen zu Computerspielen, muss beachtet werden, dass deren Konsum nicht zwangsläufig zu Entwicklungsschädigungen bei Kindern und Jugendlichen führt. Erheblichen Einfluss bei der Rezeption spielt in beiden Fällen das Elternhaus. Sehen die Kinder bei ihren Eltern den liebe- und respektvollen Umgang der Partner miteinander verwirklicht, werden sie nicht unbedingt auf den Gedanken kommen, dass die gymnastischen Pornoclips, bei denen die Frau von einem oder mehreren Partnern gewürgt, gleichzeitig penetriert und zum Abschluss mit Sperma übergossen wird (Cum-Shot), so auch im Elternschlafzimmer stattfinden könnten.

Lässt das Elternhaus genannte Aspekte vermissen, sind in der Tat verquere Prägungen in Verzug. Hier muss die Gesellschaft vorbeugen. Das Fach Medienkompetenz gehört auf den Stundenplan. In Zeiten, in der man sich der medialen Überflutung nicht mehr erwehren kann, in der das Internet gerade für Jugendliche, die nach Erfahrung und Orientierung suchen, unwiderstehliche Reize bietet, muss ein solches Fach verpflichtend sein. Wir müssen die Jugendlichen - notfalls mit externen Experten, auf den verantwortungsvollen Umgang mit dem Web vorbereiten. Wir müssen ihnen klar machen, wo die Realität abgebildet wird und wo nicht, dass sie ihre Persönlichkeit auch auf Facebook und SchülerVZ nicht allzu exaltiert zur Schau stellen sollten. Denn das Web vergisst nicht.

Das Web vergisst nicht

Wir werden unsere Kinder nicht vor den Einflüssen des Webs abschirmen können. Früher oder später wird es sie mit all seinen Vorzügen und Nachteilen erreichen. Doch bis es so weit ist, sollten sie eine Prägung erfahren haben, die von liebevollem Umgang, Rücksichtnahme und überlegtem Handeln, auch im Bezug auf die Medien, dominiert wurde. Gefragt sind hier die Eltern, Pädagogen und alle, die in Vereinen und Einrichtungen mit Kindern und Jugendlichen in Kontakt kommen. Derart gestählt, werden sie die sexuellen Exzesse und Gewaltdarstellungen auf dem Bildschirm einzuorden wissen.

All dem Pessimismus zum Trotz, der vermuten lässt, unsere Kinder haben sich zu Orgien feiernden und an Nymphomanie leidenden Triebtätern verwandelt, stimmt die aktuelle Studie nüchtern. Sind unsere Kinder, die Digital Natives, am Ende schon viel kompetenter im Umgang mit Medien als wir, die von Horrormeldungen aufgeschreckte Öffentlichkeit?

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