Gunther von der WeidenMusikalischer Geschichtenerzähler

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Ausgerüstet mit Stimme und Gitarre: Gunter von der Weiden.

Ausgerüstet mit Stimme und Gitarre: Gunter von der Weiden.

Köln – Gunther von der Weiden steht lässig auf der Bühne und erzählt kleine Anekdoten zu seinen Liedern, bevor er loslegt. Das Publikum lacht und staunt. Denn gleichzeitig hantiert der Musiker mit einem Diaprojektor, der triste Landschaften und Menschen aus längst vergangenen Zeiten an die Wand wirft. Als einen Geschichtenerzähler in der Tradition von Erich Kästner könnte man den Singersongwriter bezeichnen. Seine Lieder wimmeln von skurrilen Geschichten um Helden des Alltags, die allerlei seltsame Dinge tun, um dem Leben Poesie abzugewinnen.

So leicht und luftig seine Texte oft daherkommen – wer genauer hinhört, ist fasziniert von der tiefen Melancholie, die hinter dem Witz lauert. Und wenn es nicht der Sänger selbst ist, der vom Weltschmerz singt, dann sorgt das musikalische Arrangement in Moll dafür, dass einem dann doch schwer ums Herz wird. „Niemand darf wissen, dass es mich gibt“, handelt beispielsweise von einem Menschen, der seine Gefühle vor anderen verbirgt. „Doch wenn ich schlafe, liege ich draußen unterm Baum.“ Was sich zuerst wie eine Metapher anhört, erweist sich am Ende als wahre Geschichte. Und zwar der von einem Mädchen namens Anne. Ursprünglich, so von der Weiden, lautete der letzte Satz: Ich bin Anne Frank. „Aber das haben die Zuhörer dann schon kapiert, deshalb hab ich den Satz am Ende weggelassen.“

Trompete im Posaunenchor

Gitarren- und Akkordeonspiel sind eine perfekte Grundierung für seine Texte, auch wenn Gunther von der Weiden, wie er sagt, beide Instrumente nicht gerade perfekt beherrscht. Von der Pike auf gelernt hat er lediglich die Trompete – in einem Posaunenchor. Als Teenager hat er sich dann selbst das Gitarrenspiel beigebracht. „Eigentlich wollte ich ein Klavier haben, aber meine Eltern hatten kein Geld dafür.“ Später als Student in Kiel entdeckte er eines Tages beim Trödler ein Akkordeon. Mit Noten zum Selbstlernen. „Endlich ein Klavier, das ich mir selbst leisten konnte.“

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Für jedes Lied sucht der 46-Jährige das passende Instrument aus. Beim Song „Der Mann ist der Freund der Frau, die Frau ist die Freundin des Mannes“ kommt sogar eine Melodica zum Einsatz. Auch wenn das Lied dadurch wie ein fröhlicher Kinderreim wirkt – der Inhalt hat einen Hang zum Fatalistischen. Denn Zeilen wie „Der Mensch ist der Mensch und das Meer ist das Meer“ beschwören eher das gleichgültige Nebeneinander als eine innige Verbundenheit. Hinter der kindlichen Naivität, mit der hier einer vorgeblich die Welt betrachtet, steckt ein durch und durch analytischer Blick. Oder auch die Erkenntnis, dass „heißes Wasser schneller fließt als kaltes“, wie es in einem seiner Lieder über einen physikalischen Effekt heißt.

Erster Song mit 14 Jahren

„Manchmal aber habe ich jahrelang eine Melodie im Kopf, und irgendwann erst kommt der Text“, schildert von der Weiden. Das war tatsächlich bei seinem ersten Song „This Song I wrote to say I love you“ der Fall. Er schrieb ihn im Alter von 14 Jahren, die Melodie blieb. Und aus ihr entstand vor rund zehn Jahren „Der Mann aus der Straßenbahn“: Ein echter Gassenhauer über einen Mann, der sich in der Bahn neben Leute setzt und seine Geschichten erzählt. Vielleicht repräsentiert diese Figur sogar das Alter Ego des Songwriters, der sich ausschließlich mit Themen beschäftigt, „die mich interessieren“.

Und welche Themen wären das? „Sinn- und Sinnlosigkeit, die Jahreszeiten, Frühstück, Sex und politische Themen wie Arbeit und Arbeitslosigkeit“, zählt von der Weiden auf. Und das Öffentliche Personen-Nahverkehr-System in Köln. Darüber hat er gleich mehrere Lieder geschrieben.

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