"Ich will der Gesellschaft etwas zurückgeben"

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Hans Burgwinkel an der Infotafel über das von ihm mitinitiierte Maifisch-Projekt.

Hans Burgwinkel an der Infotafel über das von ihm mitinitiierte Maifisch-Projekt.

Hans Burgwinkel ist in Köln, besonders aber in seinem Veedel Poll, kein unbeschriebenes Blatt. Die Wiederbelebung des Maifestes und sein heimatkundliches Engagement sind zwei seiner vielen ehrenamtlichen Projekte, denen er seine Energie widmet. Sein Wohnhaus im Herzen Polls ähnelt in der heißen Phase der Materialsichtung für ein neues Projekt eher einem Archiv als der Behausung eines Pensionärs. Von Ruhestand kann im Leben des Hans Burgwinkel keine Rede sein und zum Altwerden hat er sowieso keine Zeit. Ein nachmittägliches Gespräch mit dem Umtriebigen kann daher nur einen Auszug seiner bewegten Lebensgeschichte wiedergeben.

Bekannt sind Sie vor allem durch Ihre Initiative zur Wiederbelebung des Maifestes und die Gründung und Leitung des Poller Heimatmuseums.

Mit dem Maigeloog halten wir die Maifest-Tradition lebendig. Ursprünglich handelte es sich um eine Junggesellen-Tradition. Das Mai-Erwachen und das Aufsteigen der Maifische wurden gefeiert. Die Tradition geht mindestens auf das Jahr 1656 zurück, wahrscheinlich sogar auf das 14. Jahrhundert, denn in einer Kölner Rats-Chronik gibt es eine Erwähnung eines Maigrafen aus der Zeit. In Poll haben wir das Maifest 1991 wieder eingeführt und es durch die Fischerspiele und den Maifisch erweitert. Als die Hit-Umweltstiftung um 2000 die Idee hatte, einen Fisch zu fördern, erinnerte sich ein Deutzer an unser Maispiel. Seine Empfehlung führte 2006 zum EU-Projekt der Wiederansiedlung des Maifischs im Rhein. Nachdem einmal in Poll die offizielle Feier zum jährlichen Start des Maifischbesatzes erfolgte und wir eine schöne Show zeigten, wiederholte sich das mehrfach. Das Maifisch-Projekt hat den europäischen Umweltpreis gewonnen. Ein Film über den Maifisch - auch mit und über uns - ist sogar in der Südsee zu sehen.

Woher kommt die Begeisterung für Heimatgeschichte?

In meiner Kindheit sind wir durch die alten Gänge und Ruinen Zündorfs gekrochen - davon gibt es dort sehr viele. Das hat natürlich mein Interesse für Geschichte geweckt. Heimatkunde betreibe ich schon seit den 1960er Jahren. 2008 stieß ich bei der Recherche über das ehemalige Heimatmuseum im Restaurant "Jägerhof" auf eine Schrift aus dem Jahr 1930. Darin beschreibt der Archivar Dr. Johannes Krudewig einen Spaziergang "Von Deutz nach Poll". Nachdem ich den Bericht bearbeitet hatte, legten die Restaurantbesitzer Waltraut und Klaus Therhaag ihn als Beilage in die Speisekarte. Wegen der vielen Nachfragen der Gäste wurden Erläuterungen nötig. Als ich etwa 120 Dokumente zu m Thema gesammelt hatte, war das der Grundstock für meine Dokumentensammlung über Deutz-Poll und die Geburtsstunde des Köln-Poller Heimatmuseums. Durch einen Nachbarn lernte ich dann Savas Berktas kennen, in dessen Tennishalle meine Ausstellungen seit 2015 einen festen Standort haben.

Was sind Ihre aktuellen Projekte?

Mit Werner Müller, der für die Grafik zuständig ist, arbeite ich weiter an den Tafeln für "Markante Punkte am Rhein". Die ersten drei Tafeln sind bereits aufgestellt worden. Auch ein Rundweg ist in Planung. Die erste Tafel - Tornado 1898, mit Informationen zu einem heftigen Wirbelsturm in dem Jahr - hängt schon. Weitere Infotafeln über die Forensische Klinik des LVR und den Poller Friedhof - mit Unterstützung von Albert Ackermann und Willi Muyrers - sollen mittelfristig folgen. Die Ausstellung über den Flugzeugpionier Hanno Fischer ist zwar momentan abgebaut, sie wird aber wieder am Tag des Denkmals im "Fort IV" in Bocklemünd zu sehen sein. Mit 92 Jahren hatte Fischer eine Notlandung hingelegt und fliegt immer noch. Nach dem Zweiten Weltkrieg testete er Flugzeuge auf der Autobahn - geheim natürlich. In einer Westhovener Garage hat er begonnen, Flugzeuge zu konstruieren. Das ist eine spannende Geschichte. In einer anderen Ausstellung geht es um den von Mannesmann konzipierten "Riesen von Poll". Der "Poll-Giant" war um das Jahr 1918 das größte im Bau befindliche Flugzeug der Welt.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

In einem Tiefkeller habe ich Glasbilder über die Geschichte von Poll gefunden, die ich unbedingt restaurieren möchte. Ein anderes Zukunftsprojekt ist eine Ausstellung zum "Fledermausprojekt". Es geht um Funkdrohnen um 1917. Ich stehe in Kontakt mit dem Ex-Präsidenten der litauischen Flugzeuggesellschaft Günther Sollinger, der ein Buch zum Thema verfasst hat. Dafür habe ich keine Zeit.

Welche Beziehung haben Sie zu Ihrem Veedel?

Ich hatte immer eine starke Bindung zu Poll. Zwar bin ich in Zündorf aufgewachsen, war aber jeden Tag bei meiner Familie in Poll zum Hausaufgaben machen. Meine Eltern wohnten in Zündorf, die übrige Familie in Poll. Allein wegen der Betriebe meines Vaters und Großvaters, beide Dachdecker, standen die Familien in regem Kontakt. Großvater war ein echtes Poller Original und wurde "Panne-Schäng" genannt. Von ihm habe ich das Fischen am Rhein gelernt.

Woher nehmen Sie die Energie für Ihre ehrenamtliche Arbeit ?

1984 hatte ich auf einer Dienstreise einen schweren Unfall - und viele Schutzengel. Wenn ich mich nicht auf der Fahrt nach Baden-Baden befunden hätte, wäre ich nicht mehr am Leben. Bei der medizinischen Versorgung war die Klinik dort eine der fortschrittlichsten in Deutschland. Geholfen hat auch das Netzwerk der Malteser, für die ich damals unterwegs war. Nach dem Unfall hat sich mein Leben grundlegend geändert. Ich wollte der Gesellschaft etwas zurückgeben - aus Dankbarkeit.

STECKBRIEF

Das mag ich an Poll: Dass es noch mit allen Vor- und Nachteilen Dorfcharakter hat, sehr verkehrsgünstig gelegen ist, stadtnah und am Rhein liegt. Lieblingsort: Auf der Terrasse des Poller Fischerhauses oder des Alt-Poller Wirtshauses, wenn ich bei einem Kölsch sitze und Leute beobachte. Was ist im Veedel verbesserungswürdig? Kritisch sehe ich vor allem das langsame Ausbluten der Geschäfte in Poll. Gut wären mehr größere Festveranstaltungen, auch damit sich alte und neue Poller besser kennenlernen können.

Zur Person

Hans Burgwinkel ist 1950 in Lindenthal geboren, aufgewachsen in Zündorf, war im Herzen aber immer schon Poller. 1972 zog er endgültig nach Poll. Er arbeitete zeitweise im elterlichen Dachdeckerbetrieb, begann Chemie zu studieren und war mehrere Jahre Reiseleiter im In- und Ausland. Anschließend startete er ein Medizinstudium in Köln. 1979 war er für die Flüchtlingsbetreuung beim Malteserhilfsdienst in der Deutschen Botschaft in Jakarta verantwortlich. Zwischen 1990 und 2000 veranstaltete Burgwinkel heimatkundliche Führungen an besonderen Orten in Köln.

Zu den Ehrenämtern zählen unter vielen anderen:

- Reihmeister des Poller Maigeloogs

- Gründer des Heimatmuseums - Mitgründer, Vorsitzender und Bauleiter der Initiative "Ehrenfelder Bahnbetroffene" (1991-2007) - Mitgründer und Sprecher der "IG Bahnbetroffene" gegen Hochspannungsleitungen in Poll und der Kölner Südstadt - Mitgründer der unabhängigen Wählergemeinschaft Wir -Sprecher der Poller Geschäftsleute Burgwinkel ist unter anderem Mitglied im Bürgerverein Poll, dem Geschichts- und Heimatverein Rechtsrheinisches Köln, dem Runden Tisch für Jugendarbeit Poll, dem Bürgerzentrum Ahl Poller Schull sowie der Arbeitsgruppe zum Start eines Großfeuerwerks wie "Rhein in Flammen"

Menschen gesucht

Ob Friseurin, Konzertveranstalter, Kranführer oder Sozialarbeiter: In dieser Reihe stellen wir interessante Menschen vor, die etwas aus ihrem Leben zu erzählen haben. Möchten Sie jemanden vorschlagen? Schreiben Sie der Redaktion mit dem Stichwort "Menschen im Veedel". ksta-stadtteile@dumont.de

MENSCHEN IM VEEDEL

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