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Interview mit Clueso„Näher als 'Alaaf you' kann ein Film nicht an den Karneval rankommen“

Lesezeit 4 Minuten
Clueso hat die Filmmusik zu „Alaaf you“ geschrieben - und wirkt auch selbst im Film mit.

Clueso hat die Filmmusik zu „Alaaf you“ geschrieben - und wirkt auch selbst im Film mit.

Am Wochenende feierte die Dokumentation Alaaf you im Cinedom Premiere. Der Film besteht aus Hunderten Sequenzen, die von den Jecken selbst per Smartphone gedreht wurden und zeichnet so ein buntes Porträt vom Kölner Karneval. Auch Sänger Clueso wirkt an mehreren Stellen des Films mit. Wir haben ihn zum Interview getroffen.

Clueso (35),

mit bürgerlichem Namen Thomas Hübner, ist Sänger und Musikproduzent aus Erfurt. Er hat mit Udo Lindenberg, Wolfgang Niedecken und den Fantastischen Vier gespielt. In diesem Jahr soll sein Akustik-Album erscheinen.

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Clueso, sind Sie auch in „Alaaf you“ zu sehen oder nur im Hintergrund tätig?

Clueso: In einer Szene mische ich mich an Weiberfastnacht mit Patrice und Tim Neuhaus unter das jecke Volk und wir spielen eine kleine Jam-Session auf der Zülpicher Straße. Die Leute haben uns nicht erkannt, weil wir verkleidet waren, das hat irre Spaß gemacht. Überhaupt gefällt mir das Verkleiden im Karneval, weil sich der Personenkult dadurch verschwindet. Das entspannt mich sehr.

Wie kommt es überhaupt, dass Sie als Erfurter an dieser Kölnischen Dokumentation mitwirken?

Baris Aladag, der Regisseur des Films, und ich kennen uns seit vielen Jahren. Den Song „Gewinner“ haben wir zum Beispiel zusammen geschrieben. Anfangs war nur diese eine Szene mit Patrice und mir geplant, doch dann hat Baris gefragt, ob ich nicht Lust hätte, die Filmmusik zu komponieren. Da Filmmusik eine große Leidenschaft von mir ist, habe ich sofort zugesagt.

„Authentischer geht es nicht“

Was macht den Reiz des Films aus?

Näher als in „Alaaf you“ kann ein Film gar nicht an die Menschen heran kommen. Kamerateams und Mikrofone sind für viele Leute abschreckend. Hier hatten die Protagonisten keinerlei Anweisungen, keine Hemmungen. Sie waren unter sich, haben einfach Karneval gefeiert und das mit ihrem Smartphone dokumentiert. Manche haben sich durch die Party gepeitscht, andere feiern in Sälen, wieder andere zu Hause vor dem Fernseher. So persönliche Einblicke in die verschiedenen Facetten des Karnevals kriegt man sonst nirgends, authentischer geht es nicht.

Sie haben selbst mal drei Jahre in Köln gelebt. Was ist ihre schönste Karnevalserinnerung?

2003 habe ich in einer WG auf der Severinstraße gewohnt, vor unserer Haustür zog der Rosenmontagszug entlang. Wir hatten gerade die Wohnung frisch gestrichen. Plötzlich hielten wir es für ’ne gute Idee, einfach die Türen aufzumachen, und die Leute in unsere Wohnung zu lassen, um zusammen zu feiern. Zwei Tage später konnten wir die Wohnung dann noch mal komplett neu streichen. Und einen neuen Teppich mussten wir auch verlegen. Aber die Party war die Mühe wert…

„Alkohol zu verteufeln wäre scheinheilig“

In den letzten Jahren finden viele Kölner, dass gerade der Straßenkarneval zunehmend verroht und jungen Leuten nur als Anlass zum Exzess dient. Was denken Sie darüber?

Alkohol hat ohne Frage einen zentralen Stellenwert in unserer Gesellschaft. Das zu verteufeln, finde ich aber scheinheilig. So ist es nun mal. Ich glaube eher, dass uns im Leben oft Initiationsriten fehlen und wir daher bestimmte Lebensabschnitte exzessiv feiern. Karneval ist da nur eine Gelegenheit von vielen. Das kann von außen betrachtet schon schocken, denn der Mensch zeigt sich in diesen wilden Tagen von seiner hemmungslos-menschlichsten Seite.

Kennen Sie sich denn auch mit kölscher Musik aus?

Naja, Bands wie die Höhner kenne ich natürlich. Neulich habe ich zum ersten Mal eine dieser neuen Karnevalsbands gehört, Cat Ballou waren das glaube ich. Hat mir super gefallen, klang sogar fast wie ein Clueso-Song. Aber vielleicht ist es einfach das kölsche Lebensgefühl, das mich in der Musik so anspricht. Wenn dich die Welle einfach in die nächste Kneipe spült, irgendeine Giraffe sich bei dir unterhakt, man gemeinsam schunkelt, dann sind die Leute irgendwie eins. So etwas habe ich bislang nur hier in Köln erlebt.

Das Gespräch führte Merle Sievers

„Alaaf you“ läuft ab Donnerstag, 21. Januar 2016 im Cinedom, Odeon und im Filmhaus in der Maybachstraße sowie in mehreren Kinos in der Region. Hier geht's zur Film-Rezension.

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