Verfassungsschutz zum Verein „Medizin mit Herz“ in Köln„Sie nutzen die Notlage der Heimbewohner aus“

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Die Vereinsmitglieder filmten den Ausflug und stellten das Video ins Internet.

Die Vereinsmitglieder filmten den Ausflug und stellten das Video ins Internet.

Herr Freier, der Verfassungsschutz beobachtet den Verein „Medizin mit Herz“. Warum?

Dieser Verein ist eine überregionale extremistisch-salafistische Organisation in NRW. Sein Ziel ist es, über die vermeintlich humanitäre Hilfe, vor allem jüngere Menschen für eine extremistische Ideologie zu gewinnen. Letztlich ist das eine der Ursachen für Ausreisen nach Syrien. Der Verein will die Flüchtlinge von unseren demokratischen Grundwerten entfernen. Und das ist verfassungsfeindlich. Ein zweites Ziel ist es, Sach- und Geldspenden für Organisationen in Syrien zu sammeln.

Geht es um Waffen?

Extremistische Salafisten versuchen immer wieder, Nachtsichtgeräte, Tarnanzüge und Schutzwesten nach Syrien zu schicken. Wir können nicht ausschließen, dass von dem gespendeten Geld in den Kriegsgebieten auch Waffen gekauft werden.

Warum können Sie „Medizin mit Herz“ nicht verbieten?

Über Verbote redet man nicht. Die macht man, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Aber für uns ist ebenso entscheidend, über den Verein aufzuklären. Wir haben deshalb auch die Betreuungsorganisationen und das Sicherheitspersonal der Flüchtlingseinrichtungen mit unserer Informationsbroschüre „Salafistischen Extremismus erkennen“ gewarnt.

Hier haben die Warnungen ja nicht gereicht. Waren die Johanniter als Betreiber der Unterkunft naiv?

Nein. Der Kölner Fall zeigt, dass wir richtig sensibilisiert haben. Denn obwohl der extremistische Hintergrund auf den ersten Blick nicht zu erkennen war, hat das Heim gut reagiert. Ein Betreuer hat den Ausflug begleitet. Ihm ist dann das merkwürdige Verhalten aufgefallen. Dieses hat er sofort gemeldet. So ist es richtig.

Hätte man die vermeintlichen Helfer nicht früher enttarnen können?

Nur wer gut informiert ist, erkennt eine salafistische Werbeaktion: Diese Leute kommen meist unangemeldet zur Flüchtlingsunterkunft, geben sich als Privatleute aus und nennen keine Organisation. Und behaupten, sie wollten nur mal eben ein paar Geschenke abgeben. Dabei geht es für sie immer darum, mit den Flüchtlingen ins Gespräch zu kommen und sie letztlich dauerhaft in die salafistische Szene hineinzuziehen..

Ist der Kölner Fall ungewöhnlich?

Dass Extremisten ihren wahren Hintergrund verschleiern, ist üblich. Ungewöhnlich ist, dass sich diese Aktion an Familien richtete. Normalerwiese zielen Salafisten vor allem auf allein reisende junge Männer oder unbegleitete Minderjährige, die kein soziales Umfeld haben. Sie werden beispielsweise zunächst auf ein Grillfest eingeladen und nach und nach für die salafistischen Ideologie vereinnahmt.

Sind Flüchtlinge besonders empfänglich?

Flüchtlinge sind in einer Notsituation. Und deshalb suchen sie das Gespräch mit der neuen Gesellschaft und sozialen Anschluss.

Es klingt paradox, dass sich Extremisten an Menschen wenden, die vor Extremisten geflohen sind…

Die Flüchtlinge können die salafistische Ideologie zunächst gar nicht erkennen. Was ihnen hier geboten wird, ist vermeintlich Halt und Fürsorge. Die Sprache ist vertraut. Die politische Ideologie wird erst später offenbart. Dann sind sie schon fest in der Szene. Und es ist sehr schwer sie wieder herauszubekommen.

Das Gespräch führte Fabian Klask

Burkhard Freier, 59, ist Jurist. Seit 2012 leitet er den NRW-Verfassungsschutz. Der Geheimdienst beobachtet vor allem die Entwicklung des Rechtsextremismus und des religiösen Fanatismus im Land.

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