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KlangprobeBeats zwischen Balken und Brettern

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Die Organisatoren (v. l.): Samuel Simon, Susan Zare, Marcel Oelschläger und Wilfried Nißing

Die Organisatoren (v. l.): Samuel Simon, Susan Zare, Marcel Oelschläger und Wilfried Nißing

Musik braucht Platz. Samuel Simon, Susan Zare und Marcel Oelschläger ist es zu verdanken, dass es in Köln davon seit Kurzem etwas mehr gibt. Sie organisieren Konzertabende in der Schreinerei Stadtwaldholz, im Gewerbegebiet zwischen Bayenthal und der Südstadt. Mit einer Schar freiwilliger Helfer filmen sie die Konzerte und verbreiten die Videos über Youtube und soziale Netzwerke. „Live aus dem Stadtwald“ heißt ihr kleines, selbst kreiertes musikalisches TV-Format.

Drei Bands treten an den intimen Abenden auf. Anschließend sitzen die Musiker auf einer elegant gezimmerten Eckbank und antworten auf die Fragen von Moderatorin Susan Zare. Die Gespräche drehen sich nicht nur um Musik. „Uns geht es um Kultur und um das Stadtgeschehen insgesamt“, sagt die 23-Jährige. Zuletzt sprach sie mit Straßenmusikern und dem Organisator des Tag des Guten Lebens in Ehrenfeld über Freiräume in der Stadt – ein nahe liegendes Thema. Schließlich haben sie selbst für Nachwuchsbands einen Ort geschaffen, der frei von kommerziellem Druck ist.

Asoziale Netzwerke

Das liegt auch an Schreiner Wilfried Nißing. Er stellt ihnen die Halle seiner Holzwerkstatt kostenlos zur Verfügung. Auf die drei jungen Nachwuchsveranstalter ist er über Facebook und Youtube aufmerksam geworden, obwohl er diese „asozialen Netzwerke“ gar nicht mag. Nißing, in der Runde eher der Altrocker, vergleicht ihre Abende mit dem Rockpalast. Den anderen ist die TV-Sendung aus der Zeit vor MTV und Facebook überhaupt kein Begriff. Sie orientieren sich eher am populären Berliner Internet-Format TV Noir.

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Beats zwischen Balken und Brettern (das Holz stammt aus dem Kölner Stadtwald), Liedermacher zwischen Kreissäge und Werkbank, Straßenmusik im Schein des Lagerfeuers auf dem Hof – die Abende auf dem Gelände der Schreinerei sind an Atmosphäre nicht zu übertreffen. Dreimal seit April hat Nißing die Maschinen beiseite geschoben. Oelschläger und Simon haben für Sitzgelegenheiten und kühle Getränke gesorgt und eine kleine Bühne eingerichtet. Zu den Musikern, die vor rund 100 Leuten in der Halle schon aufgetreten sind, gehören David M. Schulze, Mogelbaum, JJ and the Acoustic Machine, The Secret Sits, Pling und Lavender. „Es ist Wahnsinn, wie viele gute Bands es in der Stadt gibt“, sagt Zare.

Bilder von sechs Kameraleuten, von Fotografen und ein Audiomitschnitt, der am folgenden Tag von Kölncampus stadtweit ausgestrahlt wird – alle Bands haben nachher Material in den Händen, mit dem sie für sich werben können. „Das ist sozusagen die Gage“, sagt Samuel Simon.

Seltene Intimität

Und ihre Motivation für die Veranstaltung, an der sie keinen Cent verdienen? Kontakte, Referenzen für den weiteren beruflichen Werdegang – sicher. Doch viel mehr zählt ihnen das Erlebnis. „Für mich ist das ein Traum, das, was ich schon immer machen wollte“, sagt Susan. Marcel liebt das Unmittelbare der Auftritte. „Mich interessiert Kultur, die von den Menschen in meiner Umgebung gemacht wird“, sagt er. „Ich habe selten eine solche Intimität bei Konzerten erlebt“, stimmt Wilfried zu, „und das bei dem sonst so abgeklärten Kölner Publikum.“

Vielleicht liegt das auch daran, dass das Publikum oft mitmachen darf, als Stichwortgeber für improvisierte Spontaneinlagen, als Background-Chor, als kollektiver Widerstand für einen selbst gelöteten Synthesizer. Jede Band wird gebeten, sich etwas besonderes zu überlegen. Auch Zare zieht es ab und an auf die Bühne. Für ein Mumfort-and-Sons-Cover der Bergheimer Fifteen Years Finding etwa griff sie zur Querflöte. „Da haben so viele mitgesungen, so viele mitgefühlt“, schwärmt sie.

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