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Attentat auf Henriette RekerInnenminister will V-Mann-Tätigkeit von Frank S. nicht dementieren

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Der Attentäter nach der Festnahme in Braunsfeld

Der Attentäter nach der Festnahme in Braunsfeld

Köln – NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) möchte offensichtlich nicht beantworten, ob Frank S., der die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker am 17. Oktober mit einem Messer lebensgefährlich verletzt hatte, vom Verfassungsschutz als V-Mann geführt worden ist. Dies geht aus einer schriftlichen Reaktion des Ministeriums auf eine Kleine Anfrage hervor, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger" vorliegt.

Der parteilose Landtagsabgeordnete Daniel Schwerd aus Köln hatte vier Tage nach dem Angriff auf Reker eine sogenannte Kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt. Eine Führung als Informant oder V-Person durch den Verfassungsschutz NRW werde „aus Gründen des Geheimschutzes weder bestätigt noch verneint“, hieß es jetzt in der Antwort des Innenministers. Kurz vor Weihnachten hatte bereits der Kölner Bundesabgeordnete Volker Beck (Grüne) eine nahezu gleichlautende Antwort auf eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung erhalten.

Ungereimtheiten im Lebenslauf

Ungereimtheiten im Lebenslauf und der Arbeitslosengeschichte des Attentäters hatten Spekulationen ausgelöst, ob eine „höhere Behörde“ eine „schützende Hand“ über den Täter halten würde. Bei Schwerd stößt diese Geheimhaltung auf Unverständnis. „Diese Antwort ist vielsagend nichtssagend", sagte der Politiker dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Er fügte hinzu: "Sie sorgt nicht gerade dafür, den Verdacht zu zerstreuen, dass der Verfassungsschutz zuvor über diese Person und ihre Gefährlichkeit genau im Bilde war. Für eine fortgesetzte Geheimhaltung besteht kein Grund: Sollte er V-Person gewesen sein, müssen wir das erfahren, eine Verstrickung des Verfassungsschutzes in diesen Mordversuch muss Konsequenzen haben". Der Kölner Landtagsabgeordnete fügt hinzu: „Ein weiterer Einsatz des Attentäters als Informant in der Szene wäre ohnehin unvorstellbar. Und wenn Frank S. keine V-Person war, könnte der Minister diesen Verdacht leicht entkräften.“

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Schwerd hatte auch nachgefragt, warum die Akte des Attentäters bei der Arbeitsagentur als geheim eingestuft sei. Die Antwort der Landesregierung: „Falls der mutmaßliche Täter bei einer Agentur für Arbeit oder einem Jobcenter als arbeitslos gemeldet war und Leistungen bezogen hat, unterliegen alle Details dazu dem Sozialgeheimnis (§ 35 SGB I). In diesem Sinne sind alle Daten von Leistungsbeziehern der Agenturen für Arbeit und von Jobcentern als für die Öffentlichkeit ‚gesperrt‘ zu begreifen.“

Aus der Antwort des Innenministeriums geht aber sehr wohl hervor, dass Frank S. mehrfach in Akten des Verfassungsschutzes aufgetaucht ist. Erkenntnisse über den Täter lägen beim Verfassungsschutz aus den 90er Jahren, sowie aus 2002 und 2008 jeweils im Zusammenhang mit Veranstaltungen der rechtsextremen Szene vor, erklärt Jäger.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was über die rechtsextreme Vergangenheit von Frank S. bekannt ist.

Wenige Tage nach dem Angriff auf Reker hatte der NRW-Verfassungsschutz bestätigt, dass Frank S. 2008 Interesse an der NPD gezeigt habe. Außerdem sei er sporadisch in rechtsgerichteten Internetforen aktiv gewesen. Über die rechtsextreme Vergangenheit des 44-jährigen arbeitslosen Malers ist ansonsten bis heute kaum etwas bekannt. Der Verfassungsschutz des Landes hatte ihn Ende Oktober als „Randperson“ im rechtsextremen Lager bezeichnet. In den 90er Jahren soll Frank S. „Bezüge“ zur „Freiheitliche Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) in Bonn gehabt haben. Diese wurde 1995 verboten. 1994 soll S. an einem „Rudolf Heß Gedenkmarsch“ in Luxemburg teilgenommen haben. Die Ermittlungen gegen Frank S. führt der Generalbundesanwalt in Karlsruhe. Der hatte den Fall wegen der „Schwere der Tat und der von dem Beschuldigten angestrebten „Signalwirkung“ an sich gezogen. Frank S. werden versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung in vier Fällen vorgeworfen.

Schwerd fordert nun das Land auf, Klarheit zu schaffen: „Die Antwort des Innenministers ist nicht ausreichend. Angesichts der Skandale in verschiedenen Verfassungsschutzämtern ist ein gesundes Misstrauen nicht unbegründet“, erklärt der Kölner Politiker. „Ich fordere Ralf Jäger auf, rückhaltlos für Klarheit zu sorgen, inwieweit seine Behörden mit dem Attentäter in Verbindung standen. Das Verdecken einer unbequemen Wahrheit rechtfertigt jedenfalls keine Geheimhaltung.“

Aufklärung mahnt auch der Innenpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Marc Lürbke, an. Er sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger": "Angesichts der besonderen Brisanz darf es keine Salamitaktik geben. Sondern es wäre ratsam, wenn die Landesregierung proaktiv Informationen zur Verfügung stellt - und diese Informationen gehören in das Parlamentarische Kontrollgremium."

Unerklärliche Verzögerung

Die Anfrage des Abgeordneten wurde trotz ihres Einreichens am 21. Oktober 2015 erst fünf Wochen später im Landtagssystem veröffentlicht. Schwerd gibt auch dies zu denken: „Eine Verzögerung, für die es ebenfalls keine Erklärung gibt, und die bei diesen Dokumenten absolut unüblich ist.“

Unter der Drucksachennummer 16/10321 ist die Anfrage im Landtagssystem veröffentlicht. Die Antwort des Innenministers wird am 6. Januar unter der Drucksachennummer 16/10628 erscheinen.

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