Nach illegalem AutorennenMahnwache für Kölner Raser-Opfer

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Rund 200 Menschen versammelten sich am Donnerstagabend zu einer Mahnwache an der Unfallstelle an der Inneren Kanalstraße.

Rund 200 Menschen versammelten sich am Donnerstagabend zu einer Mahnwache an der Unfallstelle an der Inneren Kanalstraße.

Köln – Blumen und Kerzen für Gianluca liegen auf dem Gehweg der Aachener Straße, rundherum sind Trauer, Erschütterung und Wut spürbar. Genau dort, wo der 26-jährige Radfahrer am Freitag vergangener Woche vom Auto eines Rasers erfasst und tödlich verletzt wurde, haben am Donnerstagabend rund 200 Trauernde mit einer Mahnwache der unbeteiligten Opfer illegaler Autorennen gedacht. „So kann, darf und wird es nicht weitergehen“, rief Andreas Hupke den Teilnehmern zu. Der Bezirksbürgermeister der Innenstadt und Lindenthals stellvertretender Bezirksbürgermeister Roland Schüler hatten zur Trauer aufgerufen. Auch Martin Lotz, Leiter der Verkehrsdirektion der Polizei, war an seinem freien Tag gekommen zur bewegenden Mahnwache, die zugleich ein Zeichen des Protests sein sollte gegen illegale Autorennen in der Stadt.

Fahrer wollen Aufmerksamkeit

Gianluca ist bereits das dritte Todesopfer nach mutmaßlichen Rennen, die nicht in Industriegebieten, sondern mitten in der Stadt stattfinden. „Die Fahrer wollen Aufmerksamkeit erregen, wahrgenommen werden“, sagt Verkehrsökonom Roman Suthold. Dass Computerspiele und Filme wie „Fast & Furious“, die illegale Straßenrennen in Hollywood-Manier inszenieren, die jungen Männer beeinflussen, ist eine These – eine Erklärung, warum die Szene gerade in Köln in die Innenstadt drängt, gibt es bisher nicht. Stadt und Polizei wollen die Raser jetzt mit verschiedenen Maßnahmen von der Straße holen.

Lesen Sie im nächsten Abschnitt: Tempomessungen, besserer Austausch, Fahrausbildung - mit diesen Maßnahmen wollen Polizei und Stadt die Raser stoppen.

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Diese Maßnahmen sollen die Kölner Raser stoppen.

Tempomessungen: Mit neuartigen „teilstationären Messanlagen“ will die Stadt zunächst auf den Ringen, dem Auenweg und der Aachener Straße das Tempolimit überwachen. Drei Geräte sollen kurzfristig beschafft werden. Es sind Radargeräte, die auf einem kleinen Rollcontainer montiert sind. Dieser Anhänger lässt sich jederzeit umsetzen. Im Gegensatz zu den mobilen Radaranlagen, die aus dem Heck eines Autos blitzen und von einem Mitarbeiter überwacht werden müssen, funktionieren die robusten, gegen Vandalismus geschützten teilstationären Geräte vollautomatisch.

Besserer Austausch: Polizei und Stadt wollen beim Austausch von Daten enger mit den Mietwagenanbietern kooperieren. „Das ist absolut in unserem Sinne“, sagt Aurika Naumann, Sprecherin von „Drive Now“. Dort hatten die beiden mutmaßlichen Unfallverursacher von der Aachener Straße ihre Wagen gemietet. Rechtliche Hürden stünden dem in Deutschland allerdings bislang im Weg, so Naumann. In London etwa, wo „Drive Now“ ebenfalls vertreten ist, dürfen Mietwagenanbieter das Punktekonto der Fahrer in der Verkehrssünderdatei einsehen und ihnen im Zweifel die Mitgliedschaft verweigern. In Deutschland ist das aus Datenschutzgründen nicht zulässig. „Drive Now“ sei auch interessiert daran, von der Polizei zu erfahren, wenn eines der Mitglieder seinen Führerschein abgeben muss. Aber auch das ist rechtlich bislang unzulässig.

Prävention: Seit den tödlichen Raser-Unfällen führt die Polizei Gefährderansprachen erstmals auch mit Leuten durch, die durch schnelles Fahren aufgefallen sind, juristisch gesehen nur eine Ordnungswidrigkeit. Aktuell seien 15 solcher Gespräche mit warnendem Charakter geplant. Bislang sprach die Polizei präventiv nur Verkehrsrowdys an, die durch Straftaten aufgefallen waren, etwa durch Drängeln oder sogenannte Aggressionsdelikte.

Fahrausbildung: Der Statistik zufolge bilden junge Erwachsene zwischen 18 und 24 Jahren einen Bevölkerungsanteil von acht Prozent, sie haben aber im vergangenen Jahr 18,5 Prozent aller Autounfälle verursacht. Der ADAC setzt sich für eine verbindliche zweite Stufe der Ausbildung für Fahranfänger ein, so wie in Österreich. Junge Autofahrer müssen einige Monate nach der Prüfung an einem Fahrsicherheitstraining und einem psychologischen Gruppengespräch teilnehmen. „Dabei sollen sie lernen, welche Konsequenzen ein Unfall haben kann“, sagt Roman Suthold vom ADAC.

Kampagnen: Die Stadt plant eine öffentliche Aufklärungskampagne auf Plakaten. Junge Kölner sollen darüber hinaus via Facebook angesprochen werden.

Maßnahmen der Polizei: Ermittler der Sondergruppe „Rennen“ haben seit Mai mehr als 8600 Autos kontrolliert. 98 Fahrer waren so schnell, dass sie mit einem Fahrverbot rechnen müssen. 24 Autos wurden sichergestellt, weil sie verkehrsuntauglich sind. „Kurzfristig werden wir das Problem leider nicht lösen, da es auch um Bewusstseinsänderung geht“, sagt ein Polizeisprecher. Es gelte, die Raser aus dem Verkehr zu ziehen. Durch das Stilllegen getunter Autos müssten die Halter Geld investieren, um die Vorschriften des TÜV umzusetzen. Führerscheine sollen konsequent und langfristig eingezogen werden. „Auch das kostet die Halter Geld, weil sie wieder in die Fahrschule müssen.“

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