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Silvesterübergriffe am Kölner HauptbahnhofVerdächtige mit Übersetzungszettel wieder auf freiem Fuß

Lesezeit 3 Minuten
Die Polizei hat diesen Zettel bei einem Verdächtigen gefunden.

Die Polizei hat diesen Zettel bei einem Verdächtigen gefunden.

Köln – Es ist kurz nach Mitternacht am Freitag, als Zivilfahnder der Polizei zwei junge Männer auf dem Bahnhofsvorplatz erspähen. die ihnen verdächtig vorkommen. Sie entscheiden sich, die beiden zu kontrollieren – und landen einen Treffer.

Sie finden nicht nur einen Zettel mit der kruden Übersetzung sexistischer Begriffe vom Deutschen ins Arabische. Auf den Handys der Verdächtigen sichern die Fahnder zudem Filme und Fotos, die Szenen der Ausschreitungen vor dem Hauptbahnhof in der Silvesternacht zeigen. Wie es heißt, sollen auch Übergriffe auf Frauen auf dem Material zu sehen sein. In der Kleidung der beiden Männer wurde zudem mutmaßliche Beute aus Trickdiebstählen sichergestellt.

Weil den beiden Männern zunächst keine konkreten Straftaten nachzuweisen waren, wurden sie am Freitagnachmittag wieder aus dem Polizeigewahrsam entlassen. Die Ermittlungen in der Sache liefen aber weiter, betonte Staatsanwalt Benedikt Kortz auf Anfrage.

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Sexuelle Nötigung?

Zunächst sei beabsichtigt gewesen, einen Haftbefehl wegen sexueller Nötigung gegen die Männer zu erlassen, berichtete ein Ermittler. Auf dem Zettel, den die Fahnder bei ihnen gefunden haben, sind handschriftliche Übersetzungen ins Arabische zu erkennen. Darunter finden sich Formulierungen wie „Ich scherze mit ihnen“ oder „Ich habe eine Überraschung“, aber auch sexistische Bemerkungen wie: „Ich will dich küssen“ und: „Ich will fucken“. Auch den Satz: „Ich töte sie ficken“ kann man lesen, gemeint ist damit: „Ich will sie zu Tode ficken“.

„Man kann diesen Zettel womöglich als Hinweis darauf werten, dass die Überfälle und sexuellen Angriffe an Silvester nicht zufällig und spontan begangen wurden, sondern organisiert und vorbereitet waren“, sagte ein Ermittler dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Offiziell wollte die Polizei die weiteren Umstände der Festnahme und die Schlüsse daraus „aus ermittlungstaktischen Gründen“ nicht näher kommentieren.

Insgesamt hat die Kölner Polizei inzwischen 19 Tatverdächtige aus der Silvesternacht ermittelt, die meisten sind nordafrikanischer Herkunft. Aufgabe der „EG Neujahr“ ist es nun, diesen Männern die Straftaten konkret nachzuweisen. Dazu wurde die Ermittlungsgruppe am Freitag laut Polizei um weitere 20 auf hundert Beamte aufgestockt. Außer Zeugen- und Opferaussagen werten sie vor allem Videos und Fotos der Geschehnisse aus.

Zusätzlich hat die Bundespolizei 31 weitere Männer identifiziert, darunter 18 Asylbewerber. Ihnen würden aber überwiegend Körperverletzungen und Diebstähle zur Last gelegt. Sexualdelikte seien bisher nicht mit den Asylbewerbern in Verbindung gebracht worden.

Spuren führen in Kölner Flüchtlingsheim

Wie zu erfahren war, soll die Kölner Polizei inzwischen auch Spuren in mindestens ein Kölner Flüchtlingsheim verfolgen. Wie es heißt, sollen einige der in der Silvesternacht geraubten Mobiltelefone dort geortet worden sein. Weitere Männer, deren Personalien in der Nacht kontrolliert worden waren, sollen nach Angaben der Deutschen Polizeigewerkschaft in Duisburg wohnen.

Wegen des ungewöhnlich hohen Ermittlungsaufwands in diesen Tagen hatte Polizeipräsident Wolfgang Albers kurz vor seiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand die traditionelle polizeiinterne Feier an Weiberfastnacht im Präsidium abgesagt. Vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse werde an Weiberfastnacht jeder verfügbare Polizist auf der Straße gebraucht, soll Albers die geplante Absage sinngemäß begründen, heißt es.

An der Feier im großen Veranstaltungssaal im Kalker Präsidium nehmen jedes Jahr etwa 500 Polizisten teil. Veranstalter ist das Sozialwerk der Kölner Polizei. Der Vorsitzende, Ralf Remmert, bestätigte die geplante Absage: „Wir bedauern diese Entscheidung, respektieren sie aber“, sagte Remmert und betonte, die offizielle Karnevalssitzung der Polizei am kommenden Donnerstag im Hotel Maritim finde definitiv statt.

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