3,5 Millionen Euro SchadenOldtimer-Diebstähle werden in Köln zum Problem

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  • In Köln ist Oldtimer-Diebstahl ein wachsendes Problem.
  • Laut Polizeistatistik wurden zwischen 2009 und 2015 120 Autos gestohlen, die älter waren als 30 Jahre und damit als Oldtimer galten.
  • Der Gesamtschaden beträgt nach Polizeiangaben 3,5 Millionen Euro.

Köln – Den wirtschaftlichen Schaden hat die Versicherung weitgehend ersetzt, doch der ideelle Verlust bleibt. Jürgen Graf erfuhr im Spätsommer 2015, dass sein Mercedes gestohlen wurde. Es war nicht irgendein Benz, sondern einer vom Typ 220 SEb, ein Oberklasse-Cabrio aus dem Jahr 1962 – ein seltenes Schmuckstück. „Der Wagen wäre jetzt 140 000 Euro wert“, sagt Graf. Ein Anwohner hatte gesehen, wie das Cabrio mitten in der Nacht aus einer Marienburger Tiefgarage gefahren wurde. Die Polizei rief der Augenzeuge nicht, sonst hätte Jürgen Graf sein Auto vielleicht heute noch.

Heinrich Bäumner (Name geändert) muss auf einen Jaguar XK 140 Cabrio, Baujahr 1956, verzichten. „Der Wagen war perfekt restauriert, ein traumhaft schönes Auto“, sagt der 73-jährige Jurist, für den der Oldtimer seit Ende 2012 nur noch eine schöne Erinnerung ist. Denn auch er wurde aus einer Marienburger Tiefgarage gestohlen. „Das Rolltor schließt erst nach 30 bis 40 Sekunden“, sagt Bäumner: „Jeder kann in das offene Tor hineinspringen.“ Wert des Jaguars damals: 125 000 Euro.

3,5 Millionen Euro Schaden

In Köln ist Oldtimer-Diebstahl ein wachsendes Problem. Laut Polizeistatistik wurden zwischen 2009 und 2015 120 Autos gestohlen, die älter waren als 30 Jahre und damit als Oldtimer galten. Der Gesamtschaden beträgt nach Polizeiangaben 3,5 Millionen Euro. Allein 2014 und 2015 wurden jeweils 25 historische Autos geklaut – weitaus mehr als in den Vorjahren. Vor allem im Kölner Südwesten, also in Marienburg, Rodenkirchen, Bayenthal und Lindenthal schlugen die Täter zu. „Die Fahrzeuge waren ausnahmslos in Tiefgaragen abgestellt“, sagt Polizeisprecher Andreas Frische.

Aus einer Tiefgarage verschwand dieser Benz von 1962.

Aus einer Tiefgarage verschwand dieser Benz von 1962.

Beliebt bei Langfingern sind besonders Modelle wie der Porsche 911, der in den 1960er und 1970er Jahren gebaute Mercedes-Sportwagen W 113 (Pagode) oder das VW-Käfer Cabrio. „Die steigen eklatant im Wert“, sagt Thomas Kostenzer, Inhaber einer Oldtimer-Werkstatt am Bonner Wall. Laut des auf Old- und Youngtimer-Versicherungen spezialisierten OCC Assekuranzkontors sind auch alte Mercedes-Mittelklasse-Limousinen wie der W 123 oder W 124 und der VW-Bulli der zweiten und dritten Generation beliebte Diebstahlobjekte. Die Oldtimer-Experten von „Classic-Analytics“ bewerteten einen Bulli vom Typ T2a (1967 bis 1970) in gutem Zustand im Jahr 2007 noch mit 8500 Euro, 2015 waren es schon 26 000 Euro. Aber nicht nur der steigende Wert in Zeiten von Niedrigzinsen macht Oldtimer derzeit besonders attraktiv, es ist auch ihre einfach zu überwindende Technik: „Die Problematik ist, dass wir bei den alten Fahrzeugen eigentlich keinen Diebstahlschutz haben“, sagt Kostenzer.

Peilsender im Wagen übermitteln Standort

Per Satellitentechnik und einem Peilsender im Auto lassen sich gestohlene Fahrzeuge orten. Wird das Fahrzeug bewegt, bekommt der Besitzer zum Beispiel eine SMS-Nachricht auf sein Handy geschickt. Alternativ kann eine Alarmzentrale benachrichtigt werden, die die Polizei verständigt. Laut ADAC kosten die Geräte zwischen 300 und 1200 Euro, der Einbau liege bei rund 200 Euro. Dazu kommen unter Umständen laufende Kosten für die Nutzung der Alarmzentrale. Eine absolute Sicherheit gebe es jedoch nicht, so der Automobilclub. Funklöcher oder abschirmende Anhänger aus Metall könnten den Kontakt zum Fahrzeug erschweren. Manche Geräte lassen sich etwa durch Alufolie manipulieren.

Experten raten zu regelmäßigen Gutachten, die den aktuellen Wert des Oldtimers dokumentieren. Im Falle eines Diebstahls ist dann auch eine eventuelle Wertsteigerung des Wagens über die Versicherung abgedeckt. (cht)

Was mit den fahrbaren Preziosen nach dem Diebstahl passiert, ist unterschiedlich. Kostenzer geht davon aus, dass die Autos zerlegt und in Einzelteilen verkauft werden. „Sie kriegen für die Ersatzteile ein Vermögen“, sagt der Experte. Allein die gut erhaltene Stoßstange eines Mercedes Pagode bringe rund 2000 Euro. Tanja Welle von OCC sieht es ähnlich. „Der Verkauf in Einzelteilen bringt oft den doppelten Wert ein.“ Die Autos würden umgehend zerlegt und exportiert. Die Polizei jedoch sieht es anders: „Bei Oldtimern ist es so, dass sie in der Regel in Hallen abgestellt und dann als Ganzes weiterverkauft werden“, sagt Sprecher Andreas Frische.

„Wie beim Kunstklau“

Heinz-Gerd Lehmann wiederum geht davon aus, dass die Autos gar nicht verkauft werden. „Das ist wie beim Kunstklau“, sagt der Oldtimer-Experte beim ADAC: „Die Leute wollen die Fahrzeuge nur besitzen.“ Meistens würden Auftraggeber bestimmte Modelle bei Dieben bestellen, die sich auf Oldtimer spezialisiert haben.

20 Prozent der OCC gemeldeten Oldtimer-Diebstähle in NRW finden im Köln-Aachener Raum statt, sagt Tanja Welle. Ein Grund sei vermutlich die Nähe zu Holland, wo Täter für die deutsche Polizei schwer zu greifen seien. Im vorigen Jahr wurden in Roermond fünf Oldtimer im Wert von mehr als einer Million Euro sichergestellt, die möglicherweise im Aachener Raum gestohlen wurden. Aber auch die Kölner Polizei konnte 2014 einen Erfolg verbuchen: Einer dreiköpfigen Tätergruppe aus Kalk wurde der Diebstahl von sechs Oldtimern in Köln und Umgebung nachgewiesen.

Heinrich Bäumner zeigte sich mit seinem Jaguar gern in der Öffentlichkeit. Er nahm an Rallyes teil oder fuhr in die Stadt zum Einkaufen. Mit seinen jetzigen Oldtimern ist er vorsichtiger. Der pensionierte Notar ist sich sicher, dass ihm die Täter damals nachfuhren, um den Standort seines Jaguars auszukundschaften. Sie hätten es gezielt auf diesen Wagen abgesehen, es sei eine Auftragstat gewesen. In der Tiefgarage hätten mehrere wertvolle Oldtimer gestanden, sagt der 73-Jährige: „Aber nur meiner war weg.“

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