A 555Vor 85 Jahren eröffnete Adenauer Deutschlands erste Autobahn

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Das Kreuz Köln-Süd in den frühen 1960er Jahren. Auf der A555 ist noch die Landstraße zwischen den Spuren zu sehen.

Das Kreuz Köln-Süd in den frühen 1960er Jahren. Auf der A555 ist noch die Landstraße zwischen den Spuren zu sehen.

Köln – Der Weg zur Autobahn 555 führt für Martin Peters über die Anschluss-Stelle Rodenkirchen – oder über sein Grundstück. Der 55-Jährige geht an seinem Gartenhäuschen vorbei und öffnet eine kleine Tür, der Blick fällt auf eine etwa fünf Meter hohe Betonmauer.

Dahinter tost der Verkehr – nicht zu sehen, aber gut zu hören. Entspannen im Freien auf dem Liegestuhl? Für Martin Peters unmöglich. „Dann kommt wieder so ein aufgebrezelter Motorrad-Fahrer und macht auf Formel 1“. Das übliche Rauschen hinter der Mauer ist schon störend genug.

Seit 2011 wohnt Martin Peters an der Straße Zuckerberg im Kölner Ortsteil Hochkirchen und damit nur einen Steinwurf von Deutschlands ältester Autobahn entfernt. Vom ruhigen Bodensee zog er mit seiner Familie in den äußersten Kölner Süden. Nicht wegen der Autobahn, sondern wegen der Nähe zu seinem Job. Der Vorteil: „Wenn man im Gartenhaus Party macht, stört es keinen“, sagt Peters. Das Rauschen überdecke alles.

Heute befahren die sechsspurige Autobahn rund 100.000 Auto pro Tag.

Heute befahren die sechsspurige Autobahn rund 100.000 Auto pro Tag.

Am 6. August 1932 erklärte Kölns Oberbürgermeister Konrad Adenauer die futuristische „Kraftwagenstraße“ zwischen Köln und Bonn für eröffnet. Eine Strecke ganz ohne Kreuzungen, enge Kurven, Fahrräder und Fußgänger – so etwas hatte zu jener Zeit nur die „Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße“ (Avus) in Berlin und die spätere A 8 von Mailand nach Varese zu bieten.

Aber die Avus war in den ersten Jahren eine reine Renn- und Teststrecke und nicht öffentlich zugänglich. Die Köln-Bonner „Nur-Autostraße“ durfte hingegen jeder befahren, der einen Kraftwagen besaß und sich an die Polizeiverordnung hielt.

Das Halten, Parken und Wenden war demnach tabu und auch das „Treiben und Führen von Tieren“. Dabei hätte es dafür durchaus Raum gegeben. Im ersten Jahr wurden auf den jeweils zwei Fahrspuren pro Fahrtrichtung gerade einmal 4000 Autos pro Tag gezählt, im Jahr 2015 waren es zwischen dem Autobahn-Kreuz Köln-Süd und der Abfahrt Rodenkirchen im Schnitt 96.000 pro Tag – 14.000 mehr als noch zehn Jahre zuvor.

Die A 555 leistet auch im hohen Alter von 85 Jahren noch Schwerstarbeit. „Das ist eine wichtige Verbindungsachse von Köln nach Bonn, deswegen nimmt der Verkehr zu“, sagt Sabrina Kieback vom Landesbetrieb Straßen NRW.

1966 wurde die A555 ausgebaut. Zuvor gab es nur den Teil links im Bild.

1966 wurde die A555 ausgebaut. Zuvor gab es nur den Teil links im Bild.

Schon in den 1920er Jahren stiegen die Verkehrszahlen. Um die verstopfte Landstraße zwischen beiden Städten zu entlasten und der Wirtschaft Hindernisse aus dem Weg zu räumen, trieb Johannes Horion, Landeshauptmann der Rheinprovinz, die rund 20 Kilometer lange Kraftwagenstraße – damals noch ohne Mittel- und Standstreifen – voran. In der Wirtschaftskrise war das Großprojekt auch als Beschäftigungsprogramm konzipiert.

5540 Arbeitslose haben beim Bau mitgewirkt

Für den Bau zwischen dem Herbst 1929 und Sommer 1932 wurden 5540 Arbeitslose herangezogen. Sie bewegten 700 000 Kubikmeter Bodenmasse per Hand, denn Großmaschinen waren nicht zugelassen. Schon kurze Zeit übernahmen die Nazis das Ruder und reklamierten die Idee für die Autobahn für sich. Die Propaganda sprach nur von den „Straßen des Führers“, als von „Adolf Hitler erdacht, entworfen und gestaltet“ – eine Lüge, wie die A 555, ein unstrittiges Kind der Weimarer Republik, beweist.

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Es staut sich häufig auf der A555.

Den Status als Autobahn erhielt die Strecke von Köln nach Bonn erst 1958, davor wurde sie als Landstraße geführt. Zunächst hieß sie jedoch A 72, erst 1974 wurde sie in A 555 umbenannt. Damals war sie längst auf sechs Spuren erweitert worden und hatte einen besonderen Spitznamen: „Diplomatenrennbahn“.

Denn zahlreiche Regierungsbeamte mit Wohnsitz in Köln sollen es durchaus zu schätzen gewusst haben, ohne Tempolimits in die damalige Bundeshauptstadt Bonn fahren zu können. Damit ist es längst vorbei: Teils gilt auf der A 555 Tempo 100 tagsüber und 80 nachts. Aus Lärmschutzgründen.

Martin Peters hat noch einen besseren Vorschlag: „Ich hoffe, dass jemand auf die Idee kommt, die Autobahn zu überdachen.“ Bis jetzt hofft er vergebens, der Lärmschutz soll zwar verbessert werden, aber an anderer Stelle (siehe Intrige) Greifbarer ist eine andere Vision: „In zehn Jahren gibt es vielleicht nur noch Elektro-Autos“, sagt der Autobahn-Anwohner. Dann klappt’s vielleicht auch wieder mit der Entspannung im Garten.

Bis 2009 nachts beleuchtet

2014 wurden die Lampen abgebaut.

2014 wurden die Lampen abgebaut.

Viele Jahrzehnte lang gehörte die A 555 zu den wenigen Autobahnen Deutschlands, die nachts beleuchtet waren. Künstliches Licht gab es auf einem zwei Kilometer langen Abschnitt kurz vor Bonn und auf einer 6,5 Kilometer langen Strecke im Bereich Rodenkirchen und Wesseling.

Hier wurden Leuchtmasten installiert, um die Konzentration der Autofahrer vom Lichtermeer der chemischen Industrie in Wesseling auf die Fahrbahn zu lenken. 2009 wurden die Lichter aus Kostengründen ausgeschaltet, fünf Jahre später dann abgebaut.

Nach Angaben der Krefelder Autobahnniederlassung des Landesbetriebs Straßenbau kosteten Strom, Unterhaltung und Wartung der rund 500 Leuchten rund 100 000 Euro pro Jahr. Geld, das der Bund zahlte.

Geisterlandstraße in der Mitte

Zwischen dem Bonner Verteilerkreis und dem Kreuz Köln-Süd befindet sich zwischen den Fahrspuren der A 555 ein brach liegendes Stück Landstraße, das mittlerweile unter Denkmalschutz steht.

Von Anfang der 1940er bis Mitte der 1960er Jahre war sie Teil der Bundesstraße 9, die heute als Bonner Landstraße parallel zur Autobahn verläuft. Autofahrer unterquerten in Höhe der heutigen Anschlussstelle Rodenkirchen die Autobahnspur aus Richtung Bonn in einem Tunnel. So kamen sie auf diese kuriose Strecke, die für den lokalen Verkehr gedacht war.

Als die A 555 1966 ausgebaut wurde, war für die Straße in der Straße kein Platz mehr. Sie wurde bis auf einige hundert Meter im Süden Kölns abgebaut. Sie dient heute der Polizei für Verkehrskontrollen. 

Als Rennstrecke genutzt

Martin Peters’ Garten grenzt direkt an die Lärmschutzwand der A555.

Martin Peters’ Garten grenzt direkt an die Lärmschutzwand der A555.

Am 29. und 30. Mai 1948 waren die A555 und das Kreuz Köln-Süd Schauplatz des „Kölner Kurs“, einem legendären Auto- und Motorradrennen. Veranstalter war der Kölner Club für Motorsport (KCM), der rund 80 000 Besucher an die 5,5 Kilometer lange Strecke lockte.

Rund 300 Fahrer gingen in 16 Klassen auf Motorrädern und Rennwagen an den Start. Teils hatten die Fahrzeuge den Krieg überstanden, teils waren sie kuriose Eigenbauten. Das Rennen wurde von der Presse als „Demonstration des Fortschritts und des Aufbauwillens“ nach dem Krieg beschrieben. 1949 wurde der Kölner Kurs wiederholt, erneut kamen rund 80.000 Besucher.

Doch etliche schlichen sich an die Strecke, ohne zu zahlen. Der KCM machte hohe Schulden, es war das Ende des „Kölner Kurs“.

Neuer Lärmschutz

Besonders in Wesseling leiden viele Anwohner der A 555. Ab Ende 2018 sollen deshalb in verschiedenen Bereichen des Stadtgebiets neue Lärmschutzwände aufgebaut werden – nicht nur seitlich der Fahrspuren, sondern auch auf dem Mittelstreifen.

Auch in Godorf ist eine neue, etwa einen Kilometer lange Lärmschutzwand geplant, laut Landesbetrieb Straßenbau soll sie ab 2021 in Höhe der Godorfer Straße errichtet werden, allerdings nur in Fahrtrichtung Wesseling. In Bonn-Tannenbusch wird bereits Ende dieses Jahres mit einer 225 Meter langen Lärmschutzwand in Fahrtrichtung Bonn begonnen. (cht)

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