Ärger um Wahl zur SeniorenvertretungPro-Köln gewählt, ohne es zu wissen

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Insgesamt treten 103 Kan­di­da­ten bei der Wahl zur Se­nio­ren­ver­tre­tung an.

Köln – Für Elfi Thurow ist das ein fast unerträglicher Gedanke: Ohne es zu wissen, hat die pensionierte Bildungsreferentin aus Nippes einem rechtsextremen Kandidaten bei der Wahl der Seniorenvertretung ihre Stimme gegeben.

Rechtsextreme Nähe verschwiegen

In dem selbstverfassten Kurzporträt, das den Wahlunterlagen beigefügt ist, hat der Bewerber seine Nähe zu der rechtsextremen Organisation Pro Köln verschwiegen. Ein Verstoß gegen die Wahlregeln ist das allerdings nicht. Denn die Organisatoren der Stadtverwaltung halten Informationen über die jeweilige politische Ausrichtung offenbar für weniger wichtig.

Die Parteizugehörigkeit ist eine freiwillige Angabe; verpflichtend für die Kandidaten sind lediglich Aussagen über das Geburtsjahr, den Beruf, die Nationalität sowie den Stadtteil, in dem sie wohnen. „Die Stadt nimmt billigend in Kauf, dass sich die Rechten einschleichen können“, findet Elfi Thurow.

Alles zum Thema Henriette Reker

Nachdem die 72-Jährige durch einen Bericht im „Kölner Stadt-Anzeiger“ von ihrem Missgeschick erfahren hatte, forderte sie beim Wahlamt ihre Unterlagen zurück. Nichts zu machen, habe ihr ein Mitarbeiter beschieden, einmal abgegeben, lasse sich keine Stimme mehr zurücknehmen. „Das ist ein Unding, die Wahl muss in jedem Fall wiederholt werden“, fordert die Rentnerin.

Mehrere Betroffene fechten Abstimmung an

Damit ist sie nicht die Einzige. Horst und Magdalena Kanert haben die noch bis zum 22. Oktober mögliche Abstimmung vorsorglich angefochten. „Unsere Wahl wäre anders ausgefallen, hätten wir vorher gewusst, welchen Parteien die Kandidatinnen und Kandidaten nahestehen“, beschwerten sie sich bei Oberbürgermeisterin Henriette Reker. „Die Parteiausrichtung gehört zum Persönlichkeitsbild der Kandidaten. Wenn die entsprechende Aussage fehlt, ist das eine Täuschung der Wählerinnen und Wähler, die nicht hingenommen werden kann.“

Es gehe nicht um Parteien, sondern handele sich um eine Personenwahl, heißt es dagegen bei der Verwaltung.

Die 45 Seniorenvertreter sollen sich in der Stadtpolitik parteiübergreifend für die Belange älterer Menschen einsetzen. Zudem sollen sie die Angehörigen der eigenen Generation in allen möglichen Angelegenheiten beraten. „Unsere Gesellschaft ist auf die Mitwirkung aktiver Seniorinnen und Senioren angewiesen“, sagt Oberbürgermeisterin Henriette Reker.

Kosten von 375.000 Euro

Die Abstimmung, die als Briefwahl erfolgt, kostet nach Angaben des Presseamtes 375.000 Euro. Seniorenvertreter arbeiten ehrenamtlich. Sie erhalten monatlich 70 Euro für ihren Aufwand, hinzu kommen Sitzungsgelder in geringer Höhe. Insgesamt finanziert die Stadt diese Form der Teilhabe mit 62.000 Euro im Jahr.

Es bleibt den Städten überlassen, ein Seniorengremium zu bilden oder eben nicht. Landesweit bestehen mehr als 160 Vertretungen. In Köln wurde die Runde erstmals 1979 gewählt, die Amtszeit beträgt fünf Jahre. Die Kommunen können die Regeln selber bestimmen, indem sie eigene Wahlordnungen erlassen. Wählerin Sybille Kremer hält die Äußerung, bei einer Personenwahl komme es nicht auf Parteimitgliedschaften an, für „so blauäugig, dass ich mich als Bürger nicht ernst genommen und verschaukelt fühle“.

„Gefährliche Parteien“

Der Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, der SPD-Politiker Jürgen Wilhelm, ruft anlässlich der Wahl dazu auf, sich Pro Köln und der AfD entgegenzustellen: „Bei beiden handelt es sich um gefährliche Parteien, die gezielt rassistische und nationalistische Parolen enttabuisieren.“

Für Eva-Maria Bruchhaus, die zu spät von der Pro-Köln-Nähe eines von ihr Gewählten erfuhr, kommt nur noch eins in Frage. „Glücklicherweise“ habe sie den Stimmzettel noch nicht abgeschickt. „Wahrscheinlich bleibt mir nichts anderes übrig als meine Stimme zu verschenken, was schade für die anderen von mir angekreuzten Kandidaten ist. Sei's drum.“

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