Airbnb, Wimdu, 9FlatsPrivate Angebote zum Übernachten sind der Stadt ein Dorn im Auge

Lesezeit 6 Minuten
Immer mehr Köln-Besucher wählen private Übernachtungsangebote.

Immer mehr Köln-Besucher wählen private Übernachtungsangebote.

Köln – Mit den zwei jungen Frauen aus Bayern ist Michael Bollermann an Karneval auf eine  Indianer-Party gegangen, einem  Paar aus Florida hat er die Stadt gezeigt, mit dem Holländer hat er „fünf Kannen Bier gekippt“. Ein Ehepaar aus Heidelberg hat der Übertragungstechniker zum Fußball ins Dortmunder Westfalenstadion eingeladen und die Chinesin, die sich am Regal in seinem Haus eine Platzwunde am Kopf zugezogen hatte,  ins Krankenhaus gebracht.

Die Welt zu Gast bei Freunden – Michael Bollermann lebt das einstige WM-Motto. Es könnte auch der Werbeslogan  von Internetportalen wie Airbnb, Wimdu oder 9Flats sein, über die man sich als Gast in einer Stadt bei Menschen wie Bollermann einmieten kann.  

Michael Bollermann hat die Welt zu Gast bei sich zu Hause, und zahlreiche originelle Einträge von begeisterten Besuchern.

Michael Bollermann hat die Welt zu Gast bei sich zu Hause, und zahlreiche originelle Einträge von begeisterten Besuchern.

Kinderzimmer wird zum Gästezimmer

Seit gut zwei Jahren bietet der 46-jährige Kölner mit seiner Frau das  Zimmer der  erwachsenen Tochter in der Wohnung über die Internetplattform Airbnb an.  Rund 60 verschiedene Gruppen und Einzelpersonen haben über den Online-Anbieter von Privatunterkünften seitdem das Zimmer  gebucht. Russland, Österreich, Japan, USA, England, Italien, Neuseeland, Taiwan – die Gäste kommen aus allen Ecken der Welt.

Zu Michael Bollermanns Verständnis des Airbnb-Gedankens gehört es auch, den Zimmerpreis von 63 Euro  nicht zu erhöhen, wenn die Nachfrage nach Kölner Übernachtungsmöglichkeiten stark ansteigt. Er will kein Geld verdienen. Der Gedanke des Teilens, den oft ungenutzten Wohnraum auch anderen Menschen zur Übernachtung anzubieten, steht  im Vordergrund. Eine Wohnung anzumieten, nur um sie dann zu einem höheren  Preis als ständige Touristenunterkunft zu inserieren, käme ihm nicht in den Sinn. „Dafür ist Airbnb nicht gemacht“,  glaubt der Kölner.

Originelle Gästebucheinträge von begeisterten Besuchern.

Originelle Gästebucheinträge von begeisterten Besuchern.

Das sieht Charlotte  Schwarz (Name geändert) ganz anders. Von einer kleinen Erbschaft hat sich die  45-jährige alleinerziehende Lehrerin  kürzlich ein Ein-Zimmer-Apartment in der Innenstadt finanziert.  Dort selber einzuziehen, war für sie nie ein Thema. „Die Wohnung ist für mich und meine Tochter viel zu klein“. Sie lebt zu günstiger Miete in einer deutlich größeren Genossenschaftswohnung. „Mit dem Innenstadt-Apartment wollte ich das Geld sicher anlegen“, sagt Schwarz. Über Internetportale wie Airbnb kam sie auf die Idee, das Apartment zweckmäßig zu möblieren und lieber temporär an Köln-Reisende pro Tag oder pro Woche zu vermieten, als an einen dauerhaften Mieter. „Das ist deutlich lukrativer, vor allem zu Messezeiten“, sagt die  Kölnerin. Dass die Stadt Köln solche Vermietungsmodelle mittlerweile  verboten hat, weiß Schwarz. „Ich habe auch Sorge, dass das auffliegt, aber noch lockt das Geld und die Tatsache, dass mich kein Mieter nervt, wenn der Wasserhahn tropft“, so Schwarz. 

Das sagt die Stadt Köln zu den privaten Angeboten

Der Stadt Köln ist genau diese Art der  gewerblichen Nutzung  durch Private seit geraumer  Zeit ein Dorn im Auge. Mehr als 3500  Übernachtungsmöglichkeiten über Portale wie Airbnb, oder Wimdu gibt es nach Schätzungen  von Kölntourismus-Chef Josef Sommer in Köln. 

70 Millionen Gäste

Airbnb wurde 2008 im Silicon Valley bei San Francisco gegründet. Heute bietet die Plattform in rund 34 000 Städten in 190 Ländern Übernachtungsmöglichkeiten an. Rund 70 Millionen Gäste haben bereits gebucht. Das Unternehmen finanziert sich über eine Gebühr, die sich Gastgeber und Gast teilen. (cos)

„Der  Trend, in diesem Rahmen  zu  übernachten, ist ungebrochen“, so Sommer.  Aber  bei einer  steigenden Zahl von Inserenten  hat sich die Grenze von  Vermietung „privat für privat“ hin  zu  professionellem Gewerbe  verschoben. Längst wird man nicht mehr von seinem  Gastgeber empfangen, mit Tipps für die besten Restaurants  versorgt und  durch die Stadt geführt. Stattdessen wird  per Mail kommuniziert und der Schlüssel zur Wohnung  in einem Café oder Kiosk hinterlegt.

Deshalb  beschloss die Kölner Verwaltung im Juli 2014 die Wiedereinführung eines sogenannten Zweckentfremdungsverbots.  Damit soll die gewerbliche Nutzung privaten Wohnraums beschränkt werden. Vermieter brauchen seitdem eine  Genehmigung, wenn sie eine Wohnung in eine Ferienwohnung umwandeln wollen. Wer aber ein Apartment schon zuvor als Ferienwohnung vermietet hat, kann nicht mehr gezwungen werden, sie regulär zu vermieten. Auch in Städten wie Bonn,  München und vor allem Berlin versucht  die  Verwaltung mit Verboten vorzugehen.

Mietsteigerung und Steuerhinterziehung

Dabei sind die Kritikpunkte an der neuen Form der Beherbergung in allen  Städten ähnlich. Zum einen ist der Wohnraum knapp und daher teuer. Apartments, die an Touristen vermietet werden und ansonsten leerstehen, sind dem Markt für Wohnungssuchende entzogen.  Darüber hinaus sorgen feierfreudige Gäste für massive Beschwerden von Nachbarn. Vor allem die Altstadt ist davon betroffen.

Hinzu kommt noch ein steuerlicher Aspekt.  Wer laufend vermietet und damit eine „Gewinnabsicht“ verfolgt, muss die Einnahmen versteuern. Dass dies in Gänze geschieht, darf bezweifelt  werden. Zudem sind die professionellen Vermieter  gewerbesteuerpflichtig und müssen die Bettensteuer in Höhe von fünf Prozent des Übernachtungspreises abführen. Auch das lassen viele Vermieter unter den Tisch fallen. Um die 50 Euro kostet ein Zimmer in Köln im Schnitt, wie eine Studie der Fachhochschule Potsdam ergab. Für kleine Hotels ist es schwer, da  mitzuhalten.  Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Nordrhein sieht darin eine Wettbewerbsverzerrung. „Diese Vermieter können damit eine ganz andere Preiskalkulation zugrunde legen“, sagt Mathias Johnen vom Dehoga.

Die Schattenseiten der „Sharing Economy“

Sharing Economy bezeichnen Internet-Unternehmen, die eine Plattform anbieten, damit Dinge, die nicht dauerhaft benötigt werden, mit anderen geteilt werden können. Das Besitzen sollte nicht mehr im Vordergrund stehen. Der philantrophischen Ansatz ist in vielen Fällen ökonomischen Interessen gewichen.

So hat etwa das Carsharing nicht mehr sonderlich viel damit zu tun, dass sich Nachbarn oder Freunde ein Auto teilen. Vielmehr bieten inzwischen eine Reihe von professionellen Anbietern – ähnlich wie die großen Autovermietungen – Pkw auf Zeit an. Das allerdings billiger und auch smartphone-freundlicher.

Der Fahrdienst Uber, der vorgibt, dass man sich von einer Privatperson, die gerade in der Nähe ist, mitnehmen lassen kann, hat in den USA erstaunlich viele Profi-Fahrer. Mit seinen Dumping-Preisen und der Buchbarkeit über das Smartphone setzt er das Taxigewerbe in zahlreichen Städten massiv unter Druck. (cos)

Airbnb verweist darauf, dass  Gastgeber, die sich auf der Plattform anmelden auf die lokalen Verordnungen  hingewiesen würden. „Wir wollen natürlich auch, dass sich Anbieter  gesetzeskonform verhalten“, sagt Airbnb-Sprecher Julian Trautwein. Allerdings können man keine individuelle Rechtsberatung anbieten. Auch in Steuerfragen wünsche sich man  sich  Gesetzestreue. „Aber wir können das  nicht überprüfen“, so Trautwein. Mit der Stadt  sei man aber im Gespräch und auch an einem Modell, wie die Bettensteuer über das Portal abgeführt werden könne, arbeite man.

61 Verdachtsfälle im Jahr  2015

Seit rund eineinhalb Jahren geht das Amt für Wohnungswesen  Hinweisen auf die unerlaubte Nutzung als Ferienwohnungen nach.  Es kann Strafen erlassen und dafür sorgen, dass Wohnungen wieder dauerhaft vermietet werden.  Im Jahr 2015 wurden  bei der Stadt insgesamt 61 Verdachtsfälle auf Umwandlung in eine Ferienwohnung gemeldet.

„Bezogen auf drei Wohnungen wurden Bußgelder in Höhe von 26.000 Euro verhängt“, sagt Frank Reißig, Sachgebietsleiter im Amt für Wohnungswesen Für vier Ferienwohnungen wurden wieder dauerhafte Mietverträge  geschlossen.  Erfreulicher Weise reagierten aber die Eigentümer regelmäßig schon auf die Einleitung der Verfahren, so Reißig. 

In Berlin – mit 17.000 Wohneinheiten längst Airbnb-Hauptstadt –  geht man derzeit noch einen Schritt weiter. Die Verwaltung  will   Airbnb zwingen, die vollen Namen der Vermieter, die meist nur mit Vornamen im Netz stehen,  zu veröffentlichen, um gezielter gegen sie vorzugehen. Ähnliches ist in Köln derzeit noch nicht geplant.  

KStA abonnieren