Liebe zu SchwarzWie es bei Kölner Grufties zu Hause aussieht

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Nicole Meyer und Ehemann Jörg Fahrenhorst am Couchtisch.

Nicole Meyer und Ehemann Jörg Fahrenhorst am Couchtisch.

Köln – Vor jedem Fest steht die leidige Frage: Was ziehe ich an? In dieser Hinsicht geht es Nicole Meyer wie jeder anderen Frau, obwohl in ihrem Kleiderschrank zumindest die Farbauswahl keine Probleme aufwirft.

Gut – hier und da blitzt zwischen all dem Schwarzen mal was Buntes hervor, wie das Kleid mit den griemelnden Totenköpfen. Entzückend.

Für das Amphi-Festival gibt es wohl kaum ein passenderes Outfit; denn erstens würde die 43-Jährige damit aus der Masse der komplett düster gewandeten Besucher herausstechen, und zweitens drückt das Kleid etwas aus, was in der Gothic-Szene fast noch verbreiteter ist, als Schwarzfärbung: der Humor.

„Ich würde sogar behaupten, wir sind die Lustigsten“, sagt Jörg Fahrenhorst. Der lange Kerl mit dem abstehendem Haarkranz und die schwarz-türkis gesträhnte Nicole Meyer sind seit fünf Jahren ein Ehepaar und führen im Grunde ein normales Leben.

Als Floristin betreibt die 43-Jährige in Bayenthal unweit der Wohnung seit Jahren ihr Blumengeschäft „Kreuzblume“, derweil der frühere Schriftsetzer und Maurer Fahrenhorst des kaputten Rückens wegen auf Hausmann umgesattelt hat.

Es gibt auch bunte Kleider mit Totenköpfen.

Es gibt auch bunte Kleider mit Totenköpfen.

Da der auf drei Ebenen angelegte Lebensraum alles andere als puristisch ausgestattet ist, könnte sich der 48-Jährige allein das Abstauben der vielen Deko-Utensilien zur Lebensaufgabe machen, läge nicht gerade in der dezenten Verschleierung vieler Objekte der besondere Reiz des Interieurs.

Couchtisch in Gestalt eines Sarges

Herzstück der über die Jahre gewachsenen und mit viel Liebe zum Detail eingerichteten Party-Etage ist der Couchtisch in Gestalt eines Sarges, den Fahrenhorst bei Ebay als Rohling ersteigert und danach angemalt und ausstaffiert hat.

Seit langem dient er als Schlafstätte für „Klapperkanne“, so der Name des mit toten Vogelspinnenleibern dekorierten Skeletts, einem seinerzeit besonders gerngesehenen Hochzeitsgeschenk.

Obwohl bei Klapperkanne definitiv nicht von Fluchtgefahr auszugehen ist, sind seine knöchrigen Finger angekettet. Unter der als Gläserablage dienenden Glasplatte hat der alte Knabe jedoch auch dann seine Ruhe, wenn die Musik mal lauter ist.

Willkommen auf der privaten Party-Etage

Willkommen auf der privaten Party-Etage

Der Raum teilt sich auf in den Barbereich, den Chaosplatz, der die Tanzfläche ist und das Riesensofa, das ein Hinweisschild als „Fummelecke“ ausweist. Ferner gibt es Unmengen an Kerzenleuchtern, an Totenköpfen, ausgestopften Eulen, Mardern und sonstigem Getier.

Zu den künstlichen Spinnweben gesellen sich dankenswerterweise immer mehr echte, was sich das Paar auch für die im Raum verteilten Drachen wünschen würde. Last but not least wäre das in Holland erstandene Weihwasserbecken zu nennen, das bei Partys mit Rum befüllt wird.

Private Party am Vorabend des Amphi-Festivals

Am Vorabend des Amphi-Festivals war die private Party-Etage des Kölner Gruftie-Paars wieder voller Leute, wobei selbst die Gastgeber keinen genauen Überblick über die Zahl der Gäste hatten, was schlicht daran lag, dass die so selbstverständlich wie das Schwarzlicht eingeschaltete Nebelmaschine derart heftig arbeitete, dass man kaum die eigene Hand vor Augen sehen konnte.

Natürlich wird bei solchen Anlässen nicht nur Wasser getrunken. Grundsätzlich gilt in diesen Kreisen jedoch: „Keine Schlägerei, und kein Komasaufen“, erklärt Boris, ein befreundeter Gothic-Anhänger.

Vorurteile gegenüber der Szene

Dass die Szene ein Sammelbecken für Trübsinnige oder Depressive sei, sei ebenfalls ein Vorurteil, unterstreicht der Besucher aus Norddeutschland, was das Kölner Paar bestätigt.

Fahrenhorst stammt aus dem sauerländischen Elspe, wahrlich kein Gruftie-Eldorado, weshalb er erst im Alter von 28 Jahren in einer Disco in Herford mit der Szene in Berührung kam „und dann da hängengeblieben“.

Allmählich näherte er sich in Sachen Klamotten und Frisur den anderen an und lernte mit Mitte dreißig in einem Münsteraner Gothic-Punk-Schuppen Nicole kennen. Als die hörte, dass er Maurer war und somit gelernt hatte zuzupacken, waren zwei andere Bewerber aus dem Rennen.

Eine extrem weitsichtige Partnerwahl, wie man heute weiß; denn ohne das handwerkliche Geschick des Gatten gäbe es keine Party-Etage samt Kirchenfenstern mit Fledermaus-Ornamenten.

Muss man extra betonen, dass im gesamten Haus nicht ein Quadratzentimeter weiße Wandfarbe zu sehen ist? Nein, aber man kann erwähnen, dass sich überall Meyers Vorliebe für Tapeten mit tierischen Prägungen widerspiegelt, und dass sich trotz allem unübersehbar Morbiden die fünf – ausnahmsweise nicht schwarzen – Katzen ausgesprochener Vitalität erfreuen.

Apropos Weiß: Das gab es im Leben des Jörg Fahrenhorst nur, solange „Mom noch für die Kleidung zuständig war“ und Feinripp-Unterhosen nach Hause brachte. Auch Nicole kann sich dunkel an weiße Frottee-Dinger erinnern, eine Rückbesinnung, die mit schallendem Gelächter einhergeht.

Fragt man beide, weshalb sie so leben, entgegnen sie: „Aus demselben Grund, aus dem andere so leben, wie sie’s tun: Weil’s uns gefällt.“ Klar gebe es immer wieder Leute, „die uns anschauen, als wenn wir Marsmännchen wären. Aber besser schwarz, als braune Uniform!“

Kilt und Stiefel beim Festival

Fahrenhorst wird auf dem Festival einen Kilt und Stiefel tragen. Nicole wohl kurzen Rock, Korsage und ebenfalls schwere Stiefel. Alles schwarz. Sie haben ja sogar an Weihnachten einen schwarzen Baum aus Plastik mit Kugeln in Gestalt von Kettensägen und mexikanischen Totenmasken. Letzter Urlaubsort war – dreimal darf man raten – „der Schwarzwald“.

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