Dichterviertel verliert langsam sein Gesicht

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Eine ursprünglich gebliebene Dächerreihe im Dichterviertel in Bayenthal: Hier wird die symmetrische Ästhetik besonders deutlich.

Eine ursprünglich gebliebene Dächerreihe im Dichterviertel in Bayenthal: Hier wird die symmetrische Ästhetik besonders deutlich.

Im Dichterviertel wird bemängelt, dass die Authentizität der „qualitativ hochwertigen“ Reihenhäuser aus den 20er Jahren unter zahlreichen Renovierungen und Erweiterungen leidet.

Bayenthal - Von dem Kinderbuchautor Janosch gibt es ein Buch, das den Namen „Schnuddelbuddel baut ein Haus“ trägt. Darin versucht sich das schmächtige Kerlchen daran, gemeinsam mit Schnuddelpferdchen ein Haus zu bauen. Mit Hammer und Nagel ausgerüstet, baut er in anarchischer Manier Etage um Etage. Darum, wie das Haus einmal aussehen könnte, um die farbliche Anordnung, die Statik, um die Ästhetik des Hauses in seiner Ganzheit, schert er sich wenig - Hauptsache, er hat viel Platz.

Dieses an sich aufheiternde Janosch-Werk bemüht ein Bewohner des Dichterviertels in Bayenthal, um die baulichen Veränderungen der Häuser einiger Nachbarn zu beschreiben. „Manche Leute bauen einfach drauf los - ohne die ursprüngliche Architektur ihrer Häuser zu berücksichtigen. Aber daran, dass dadurch ein ganzes Viertel an Charakter verliert, denken sie nicht.“ Traurig sei das, sagt der Mann, der sich freilich als Ästhet betrachtet und bedauert, dass andere hierfür nicht sensibilisiert sind. „Die Optik des Wohnumfelds wirkt sich entscheidend auf das Wohlgefühl des Menschen aus“, sinniert er. Und seine Ehefrau wettert währenddessen gegen die architektonischen Grobheit einiger Hauseigentümer. „Was einige hier betrieben haben, ist eine Form der Zerstörung.“

Die Architektur der Häuser im Dichterviertel - das sind Hebbelstraße, Hölderlinstraße, Novalisstraße, Schillerstraße, Mörikestraße, Droste-Hülshoff-Straße und Höltystraße - weist im Original eine strenge Symmetrie und auffällig puristische Außenfassaden auf. Erbaut zwischen 1920 und 1930, gilt die Siedlung als exemplarisch für einen konservativ angehauchten Bauhaus-Stil, dessen oberstes Gebot seine visuelle Schlichtheit ist.

Doch haben sich im Dichtervier tel im Laufe der vergangenen zwei Jahrzehnte - als sich ein Generati onswechsel vollzog - Veränderun gen eingeschlichen, die an der Grundidee der Symmetrie rütteln und diese zum Einsturz bringen könnten. So haben einige Hausei gentümer Gauben auf ihre Dächer gebaut, andere ihre Vorgärten durch Autoeinfahrten ersetzt. Die originä ren Sprossenfenster sind zum Großteil den üblichen Kunststoff- Fenstern gewichen; die Anstriche der Reihenhäuser sind nicht aufei nander abgestimmt. „Schnuddel buddel-Stil eben“, sagt dazu einer der Bewohner.

Im Stadtkonservatorium heißt es, die Siedlung sei qualitativ hochwertig und einmalig in Köln. Doch um das ganze Viertel unter Denkmalschutz zu stellen, fehlen dem Konservatorium die rechtlichen Mittel. Die Denkmalpflegerin Hille Kunckel räumt ein, ein Haus könne nur denkmalgeschützt werden, wenn es einen Antrag der Eigentümer gebe. Bislang hätte es aber nur einige wenige dieser Anträge gegeben. „Trotzdem werden wir das Dichterviertel nicht aus dem Blick verlieren“, verspricht Kunckel. Gegen Erneuerungen sei man aber machtlos, wenn das betroffene Haus nicht unter Schutz steht.

Aus einer eher soziologischen Perspektive betrachtet Ekkehart Gerhards die Frage nach dem, was man tun und lassen sollte, um sein Haus zu verändern. „Die Menschen haben unterschiedliche Ansätze. Es gibt Techniker, die wollen, dass Bauarbeiten praktisch und preiswert angegangen werden. Und es gibt Künstlertypen, denen der ästhetische Begriff mehr wert ist“, meint der Rentner, der seit 1927 in dem Viertel lebt. Und daran, dass die Standard-Fassungen teurer sind als Sprossenfenster, dürfte wohl niemand zweifeln. „Es ist schwer zu beurteilen, ob es richtig oder falsch ist, nach seiner eigenen Facon zu renovieren. Aber wer lässt sich denn schon gerne gängeln und Dinge vorschreiben?“ stellt Gerhards eine rhetorische Frage.

Fest steht, dass sich die Ästheten-Fraktion im Dichterviertel noch nicht dazu durchringen konnte, eine Bürgerinitiative zu gründen, die sich dafür einsetzt, die Häuser unter Denkmalschutz zu stellen. Und eine prominente Einwohnerin, die CDU-Landtagsabgeordnete Marie-Theres Ley, hat längst aufgegeben. „Für einen Denkmalschutz ist es doch schon viel zu spät. Es ist so viel verändert worden, dass sich das nicht mehr lohnt“, resigniert Ley, die seit über 30 Jahren hier lebt. Einen Seitenhieb auf die Schnuddelbuddels kann sie sich trotzdem nicht verkneifen: „Manchmal kriege ich schon zu viel, wenn ich mir einige renovierte Häuser anschaue.“

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