Berufe am RheinArno Frank betreibt das Bootshaus „Alte Liebe“

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Ein aus vier Flößen bestehender Ponton trägt das traditionell rot-weiß gestrichene Restaurant.

Ein aus vier Flößen bestehender Ponton trägt das traditionell rot-weiß gestrichene Restaurant.

Köln – Wo Tina Turner einst regelmäßig ihren Kamillentee und die Aussicht auf den Dom genoss, liegt heute immer noch die Wirkungsstätte von Arno Frank – ein schwimmender, rot-weißer Komplex namens „Alte Liebe“. Mit acht Ankern und zwei an Land befestigten Eisenketten wird das 255 Tonnen schwere Hausboot gehalten, das am Rodenkirchener Ufer in Rot und Weiß erstrahlt – den kölschen Farben.

Seit 44 Jahren wohnt und arbeitet Frank, ein gelernter Chemiker, auf dem Hausboot: „Wie das so ist, wenn man Frau und Kinder hat, wollten wir uns ein Haus zulegen. Ich kannte die Alte Liebe schon etwas länger, habe den damaligen Besitzern hier und da auch mal geholfen und mich deshalb für den Kauf entschieden“, sagt der Gastronom, der auf seinem Boot sechs Tage in der Woche Gäste bewirtet, Hochzeitsfeiern, Jubiläen und Taufen inklusive.

Hausboot ist sein Lebensmittelpunkt

Mittlerweile hat er auch eine Wohnung an Land, sein Lebensmittelpunkt aber ist immer noch das Hausboot. Er fühlt sich immer noch wohl auf dem Wasser, vor allem aber fühlt er sich wohl mit den Menschen, die auf sein Boot kommen. „Ich kenne hier fast alle, 80 Prozent sind Stammgäste.“

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Geht man den langen roten Steg entlang, der zur Alten Liebe führt, ist rechts die von Blumen umgebene Terrasse zu sehen, links eine Fläche, auf der die Gäste ihre Fahrräder abstellen, außerdem eine kleine Werkstatt. Denn Frank ist nicht nur Gastronom, sondern auch leidenschaftlicher Handwerker. Trotz seiner 78 Jahre kann der gebürtige Hannoveraner nicht still sitzen. „Ich mache meine Arbeit immer noch gerne. Es ist mehr ein Hobby als Arbeit für mich.“ Und deshalb baut er morgens noch selbst die Terrasse auf und richtet die Theke im Restaurant ein, nur eine von insgesamt drei Theken auf dem Boot.

Erst nachdem diese Arbeit abgeschlossen ist, setzt er sich auf die überdachte Terrasse mit Blick auf den Rhein und genießt sein Frühstück. Sobald um 11 Uhr seine Mitarbeiter aufschlagen, widmet er sich schon wieder kleineren Renovierungsarbeiten, macht die Steuer oder unterhält sich mit seinen Gästen, die oft noch bis 24 Uhr, am Wochenende auch länger, das traditionelle Ambiente genießen. „Ich muss immer etwas zu tun haben“, sagt er lachend.

Das Boot hat schon zwei große Brände und drei Kollisionen überstanden

Seinem Tatendrang hat Frank es zu verdanken, dass er nach zwei großen Bränden und drei Kollisionen mit Transportschiffen jedes Mal nach kurzer Zeit wiedereröffnen konnte. „Ich musste hier alles selbst wieder aufbauen. Durch den großen finanziellen Aufwand, den so ein Abtransport eines abgebrannten Schiffes fordert, konnten wir uns keine professionellen Handwerker mehr leisten.“ Er erzählt, dass er den Ponton, also die vier Flöße, die die Gaststätte tragen, selbst zusammengeschweißt hat, genauso wie die Stege und Geländer des Hausbootes.

Was früher ein Ruderclub mit kleinem Bistro war, ist heute eine „schwimmende“ Gaststätte. Frank beschäftigt 19 Mitarbeiter, die größtenteils schon weit mehr als ein Jahrzehnt für die „Alte Liebe“ arbeiten. Vielleicht auch deshalb, weil Frank von seinen Mitarbeitern geschätzt wird, wie Claudia Wimmer aus dem Service erzählt. „Ich arbeite schon 30 Jahre hier, die Atmosphäre ist klasse“, sagt die Servicekraft. Nicht nur die Mitarbeiter sind ihm trotz der Rückschläge treu geblieben. Seit 25 Jahren bezieht er vom selben Weinhändler seine Kisten, seit 30 Jahren kommen Eier und Kartoffeln vom selben Bauernhof aus der Eifel.

Seit fast sechs Jahren brütet auf dem Hausboot dasselbe Entenpaar

Treue Gefährten sind auch eine Entendame und ein Erpel: Seit fast sechs Jahren kommt ein und dasselbe Entenpaar immer wieder auf das Hausboot und brütet im Blumenkasten des Buchsbaums auf der Terrasse seine Eier. Morgens und abends watschelt die Entendame auch gerne einmal quer über das Boot und hinterlässt ihre fedrigen Spuren. Arno Franz hat in seinen 44 Jahren schon so einiges erlebt. Jedes Wochenende finden mindestens zwei Veranstaltungen statt, regelmäßig kommen Hochzeitsgesellschaften. „Manche heiraten hier sogar mehrfach und feiern überdies auch ihre Scheidung hier. Und wir erleben es häufig, dass auch die Kinder eines Ehepaares, das hier geheiratet hat, hier ihre Hochzeit feiern.“ Aber auch Firmenfeste, Jubiläen und Geburtstage stehen auf dem Hausboot an.

Ein Geburtstag ist dem Hausherrn besonders im Gedächtnis geblieben: Es war der 80. Geburtstag eines Mannes, der drei oder vier Brüder hatte – genau kann sich Frank nicht mehr erinnern. Die Brüder, die allesamt schon im höheren Alter waren, standen gemeinsam an der Theke und begannen zu streiten. „Der Streit wurde immer heftiger. Man konnte tun was man wollte, die Herren ließen sich nicht beruhigen“, erinnert sich der 78-Jährige. Plötzlich griff sich einer der Unruhestifter in seinen Mund, legte sein Gebiss zur Seite und schlug seinem Gegenüber geradewegs mit der Faust ins Gesicht. „Die prügelten sich wegen Vorhaltungen aus der Vergangenheit, das muss man sich mal vorstellen. Trotzdem konnte ich da nicht einfach grob dazwischen, schließlich waren das alte Männer um die 80.“ So musste die Polizei antreten und den Streit schlichten.

Seine Arbeit einzustellen und die Rente zu genießen, kann sich der gelernte Chemiker nicht vorstellen. Dafür war sein Leben zu turbulent. Er hat nach den Bränden und Kollisionen immer wieder von vorne angefangen, Menschen aus dem Wasser gerettet, eine Leiche gefunden, die in den Ketten hing und den Mann von Tina Turner schon vor der Sängerin selbst gekannt. Wenn er sich etwas wünschen könnte, würde er die „Alte Liebe“ vielleicht noch an die spanische Küste verlagern. Aber „ich bin rundum zufrieden und sehr glücklich damit, wie es hier läuft“.

Die Serie

Der Rhein ist für viele Kölner ein Ort der Freizeit und Entspannung. Er ist aber auch Arbeitsplatz: Auf Booten, Schiffen oder am Ufer des Flusses gehen zahlreiche Menschen ihrer Tätigkeit nach. In unserer Sommerserie „Berufe am Rhein“ stellen wir einige von ihnen vor. (red)

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