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Evangelische GemeindeMehrere Gotteshäuser im Kölner Norden stehen vor dem Aus

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Erwin Wittenberg (v.l.), Bernhard Ottinger-Kasper, Guido Steffen und Wilfried Seeger von der evangelischen Gemeinde im Stadtbezirk Chorweiler

Erwin Wittenberg (v.l.), Bernhard Ottinger-Kasper, Guido Steffen und Wilfried Seeger von der evangelischen Gemeinde im Stadtbezirk Chorweiler

Chorweiler – In Köln verstummen zunehmend die Glocken. Seit einiger Zeit ist ein Kirchensterben im Gange, das nun auch die evangelischen Gemeinden im Stadtbezirk Chorweiler erfasst hat: Es stehen etwa die Jesus-Christus-Kirche in Esch und das Gemeindezentrum Magnet in Heimersdorf vor dem Aus, sie werden Wohnbebauung Platz machen.

Auf der Kippe steht wohl auch die Andreaskirche in Merkenich. Andreas Kock, Presbyteriumsvorsitzender der Gemeinde Niehl, betont allerdings, die Diskussion über die zukünftige Verwendung des Gotteshauses habe gerade erst begonnen. „Offen ist, wie und in welchem Umfang die Kirche für die Gemeindearbeit genutzt werden soll“, so Kock.

Jesus-Christus-Kirche soll zu einem Interimsquartier werden

Bei der Jesus-Christus-Kirche, Baujahr 1965, sind die ersten Schritte getan, die Umsetzung werde sich bis ins Jahr 2019 hinziehen, erklärte Elke Voss vom Presbyterium der evangelischen Gemeinde Pesch. Zunächst werde das Pescher Gemeindezentrum an der Montessoristraße saniert, die Jesus-Christus-Kirche diene dann als Interimsquartier.

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Am weitesten gediehen ist das Vorhaben in Heimersdorf. Der Gebäudekomplex an der Nettersheimer Straße ist nahezu leer geräumt, die Jugendeinrichtung OT Magnet siedelte in den Haselnusshof um. Im Oktober rollen die Bagger an, der Termin für den Entwidmungsgottesdienst steht auch schon fest: Sonntag, 18. Juni (siehe zweite Seite).

Heimersdorfer Gemeinde schrumpft zusehends

Die Heimersdorfer Protestanten gehören zur Evangelischen Gemeinde Köln-Neue Stadt (Chorweiler/Blumenberg). Und so hatten nun das Presbyterium und die beiden Pfarrer Bernhard Ottinger-Kasper und Wilfried Seeger zu einer Gemeindeversammlung in die Stadtkirche am Pariser Platz eingeladen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Rund 50 Menschen nahmen teil. „Es tut weh, den Standort in Heimersdorf aufzugeben“, sagte Seeger.

Der Schritt sei notwendig, die Gemeinde befinde sich in einem Strukturwandel, dem sie sich stellen müsse. Die Gemeinde Neue Stadt hat derzeit rund 4900 Mitglieder – mit abnehmender Tendenz, der Schrumpfungsprozess scheint unaufhaltsam. Vor allem in Heimersdorf zeige sich die demografische Entwicklung, sagte Presbyter Erwin Wittenberg. Zwar zögen junge Familien zu, doch hätten sie meist keine kirchliche Bindung mehr. Ein Rezept, um sie fürs Gemeindeleben zu begeistern, habe man bislang nicht gefunden.

Das frei werdende Grundstück Nettersheimer Straße/Lebensbaumweg übernimmt die Antoniter-Siedlungsgesellschaft in Erbpacht. Errichtet wird ein mit öffentlichen Mitteln geförderter Neubau mit elf Wohnungen, die an Mieter mit geringem Einkommen vergeben werden. Auch eine von der Diakonie Michaelshoven betreute Wohngruppe mit Jugendlichen zieht ein. Ferner ist ein Veranstaltungssaal vorgesehen.

Sonntagsgottesdienst verlagert sich nach Chorweiler

Der Sonntagsgottesdienst verlagert sich nach Chorweiler in die Stadtkirche. Die Erleichterung sei groß, dass es endlich losgehe, sagte Wittenberg. Der Weg sei lang und steinig gewesen. Mit der Planung begann man 2012, das Vorhaben stockte dann anderthalb Jahre lang, wegen eines Rechtsstreits mit der Stadt Köln.

Die hatte Ende der 50er Jahre der Heimersdorfer Gemeinde das Grundstück überlassen, zur Hälfte des Verkehrswertes – unter der Voraussetzung, dass eine Kirche gebaut werde. Solche Verträge schloss die Stadt damals häufig. Wollen die Gemeinden die Grundstücke jetzt an Immobilienunternehmen veräußern, brauchen sie die Genehmigung der Stadt, und die verlangt in der Regel eine Ausgleichszahlung auf den künftigen Erlös. Meist sind es Summen in sechsstelliger Höhe.

Kommune sollte 50.000 Euro erhalten

Für das Magnet-Grundstück etwa wollte die Stadt 421 592 Euro Ablöse haben, doch die Heimersdorfer hatten Glück, mit ihrer Klage waren sie erfolgreich. In ihrem 1958 geschlossenen Vertrag war nur allgemein von einem Wiederkaufsrecht die Rede, ohne Details zu nennen. Im Oktober urteilte das Landgericht, das Wiederkaufsrecht sei nach 30 Jahren verjährt, und schlug einen Vergleich vor.

50.000 Euro sollte die Kommune als Trostpflaster erhalten. „Wir haben zugestimmt“, so Wittenberg, „die Stadt hat angekündigt, in die Berufung zu gehen.“ Die Frist ließ sie am Ende verstreichen. Man sei nun fein raus, müsse gar keine Ablöse mehr zahlen, freute sich Wittenberg. Detlef Fritz, Leiter des Liegenschaftsamtes, erklärte, das Rechtsamt sei zu dem Schluss gelangt, dass eine Berufung keine Aussicht auf Erfolg haben werde.

Ab Mitte des Jahres beginnt eine ungemütliche Phase: Nicht nur wird das Magnet-Zentrum dem Erdboden gleichgemacht, auch die Stadtkirche wird renoviert, bei laufendem Betrieb. Inhaltlich möchte sich die Gemeinde ebenfalls neu aufstellen. Die Liturgie solle modernisiert, die Gläubigen stärker ins Boot geholt werden, kündigte Pfarrer Seeger an. „Wir werden weg müssen von einer Versorgungs-, hin zu einer Beteiligungsgemeinde.“

Gemeindehaus wird entwidmet

Am Sonntag, 18. Juni, wird das Magnet-Gemeindezentrum am Lebensbaumweg feierlich entwidmet. Zur Vorbereitung findet am Samstag, 8. April, ein Workshop statt, von 10 bis 16.30 Uhr. Zuerst trifft man sich im Magnet, nach dem Mittagessen geht es in der Stadtkirche am Pariser Platz weiter.

Besprochen wird etwa, was mit den liturgischen Gegenständen wie Altar oder Taufbecken geschehen soll. Thema wird auch die künftige Entwicklung der Gemeinde sein. Um Anmeldung im Gemeindebüro wird gebeten, unter der Rufnummer 70 83 65. Weitere Auskünfte erteilt Presbyter Guido Steffen unter der Mobilnummer 0172/183 22 65.

Katholische Kirchen im Bezirk Chorweiler, die eventuell aufgegeben werden sollen, gibt es aktuell nicht. St. Markus in Seeberg übernahm vor einigen Jahren die Griechisch-Orthodoxe Kirchengemeinde St. Dimitrios. (kaw)

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