GAG-ÜbernahmeFreiwillig wohnt kaum jemand in der Hochhaussiedlung Köln-Chorweiler

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Der Zustand der Häuser in der Chroweiler Hochhaussiedlung ist schlecht.

Der Zustand der Häuser in der Chroweiler Hochhaussiedlung ist schlecht.

  • Dass mit der GAG die Wende kommt, glauben die Anwohner nicht.
  • Zu viele Eigentümer habe es schon gegeben, Alle hätten vielversprochen und wenig gehalten.

Chorweiler – Sperrmüll-Berge am Straßenrand, völlig verdreckte Treppenhäuser, Aufzüge, mit geriffelten Metallplatten wie in einem Knast gegen Vandalismus geschützt. Chorweiler, Stockholmer Allee, Florenzer Straße. Wer hier wohnt, tut das nicht freiwillig, ist im besten Falle vorübergehend arbeitslos, ansonsten Hartz IV-Empfänger, Flüchtling, Asylbewerber. Es fällt schwer, in dieser Gegend nicht gleich alle Klischees zu bedienen. Ist aber auch nicht nötig, schließlich gibt es Menschen wie Anne M. (43), ein „Chorweiler-Kind“, das mit sieben Jahren hierher kam, „als das noch ein Arbeiterviertel mit funktionierenden Nachbarschaften war“. Gerne habe sie hier gelebt, früher. „Mein Vater war Lkw-Fahrer, meine Mutter hat geputzt, wir hatten drüben in der 17 eine Dreizimmer-Wohnung, meine Eltern haben dort mehr als 20 Jahre gewohnt.“ Mit 21 ist sie weggezogen nach Worringen, „weil ich selbst Mama geworden bin“. Das Leben hat es mit ihr nicht besonders gut gemeint, jetzt lebt sie wieder hier, Patchwork-Familie, zehn Kinder, von denen drei noch zu Hause sind.

Sonja Kleu (26) mit Sohn Mario (3): „Ich bin zwangsweise hierher gezogen, komme klar, aber schön ist anders.“

Sonja Kleu (26) mit Sohn Mario (3): „Ich bin zwangsweise hierher gezogen, komme klar, aber schön ist anders.“

Anne M. lebt von Hartz IV und was sie sagt, ist von schonungsloser Klarheit. „Hier wird sich nichts ändern. Die Kinder werden hier mit Alkohol und Drogen groß. Das ist das eigentlich Miese an der Gegend.“ Viel wichtiger als die dringend notwendige Sanierung der Wohnungen sei, dass da mal etwas passiert. „Die GAG muss alle rauswerfen, die hier Mist bauen. Wenn ich könnte, würde ich hier sofort wegziehen.“ Nahezu alle sagen das hier, aber wegziehen, das kann sich keiner leisten. Und weil das so ist, hat man sich arrangiert. Wie Sonja Kleu (26), zwei kleine Kinder. „Ich bin zwangsweise hierher gezogen, komme klar, aber schön ist anders. Einmal abreißen und neu bauen, das wäre die beste Lösung.“ Etliche Wohnungen stünden leer, aber selbst wenn man wollte, „man kommt nicht dran, es heißt immer, die sind reserviert“.

Dass mit der GAG die Wende kommt, daran glaubt hier niemand. Zu viele Eigentümer habe es schon gegeben, Alle hätten vielversprochen und wenig gehalten. Sagt Ayshe M. (26), in der Stockholmer Allee geboren und aufgewachsen, Kaputte Fenster mit Einfachverglasung, Toiletten, aus denen nach Rohrbrüchen die Fäkalien hochsteigen, Badezimmer, die den Namen nicht verdienen. „Das ist alles katastrophal hier. Da hat die GAG sich verdammt viel vorgenommen. Das ist nicht zu schaffen. So viel Geld haben die gar nicht.“

Antonina (23) mit ihrem Sohn Antonio: „Es ist nicht das Milieu, in dem mein Kind auf Dauer leben soll.“

Antonina (23) mit ihrem Sohn Antonio: „Es ist nicht das Milieu, in dem mein Kind auf Dauer leben soll.“

Und doch gibt es Vorbilder, Mustermieter, die ein ganzes Viertel hochreißen können. Antonia L. ist so jemand, junge Mutter, Abiturientin, verheiratet, Tierarzthelferin. Ihr Mann Antonio arbeitet als Lagerist. „Wir sind freiwillig nach Chorweiler gezogen“, sagt die 23-Jährige. Allerdings in einen sanierten Wohnblock in der Osloer Straße. „Man muss Abstriche machen und sich durchsetzen können. Dafür sind die Mieten günstig. 720 Euro für 90 Quadratmeter. Wo gibt es das in Köln?“ Aber auf Dauer bleiben werden sie auch nicht. „Es klingt hart. Aber das hier ist nicht das Milieu, von dem ich sage, hier sollte mein Kleiner nicht mit anderen Kindern spielen.“ Die Zeit spricht gegen Chorweiler, auch wenn der kleine Antonio gerade mal acht Wochen alt ist.

Tsegai T. (31) mit Sohn Miracle (2): „Wie soll ich hier vorwärts kommen? Hier spricht kaum jemand Deutsch.“

Tsegai T. (31) mit Sohn Miracle (2): „Wie soll ich hier vorwärts kommen? Hier spricht kaum jemand Deutsch.“

Wir treffen Tsegai T. (31) Flüchtling aus Eritrea, Agraringenieur von Beruf. Vor vier Monaten sind seine Frau und sein kleiner Junge Miracle (2) nach Deutschland nachgekommen, er selbst lebt seit einem Jahr in Köln. „Als ich noch allein in Deutschland war, habe ich in einer WG auf acht Quadratmetern am Chlodwigplatz gelebt“, sagt er in sehr gutem Deutsch. Die erste Sprachprüfung hat er schon bestanden, jetzt nimmt die zweite in Angriff. Die Wohnung sei ganz okay, da sei er andere Unterkünfte gewohnt. „Aber trotzdem muss ich ganz schnell wieder weg von hier.“ Sein Tag beginnt am sehr früh morgens mit der Arbeit bei einer Reinigungsfirma, ab acht Uhr geht er zum Sprachkurs. „Ich muss lernen. Das geht hier nicht. Wenn ich hier City-Center, höre ich so viele Sprachen. Nur Deutsch spricht hier kaum einer. Wie soll ich da vorwärts kommen? Und für meinen Sohn ist das auch nicht gut.“

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