Investoren in ChorweilerTausend Wohnungen, fünf Eigentümer

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Auch diese Häuser in der Osloer Straße werden zwangsversteigert.

Auch diese Häuser in der Osloer Straße werden zwangsversteigert.

Wem gehört die Stadt? In kaum einem Kölner Viertel ist die Frage so leicht zu beantworten wie im Zentrum von Chorweiler: Sämtliche Wohnanlagen sind in der Hand von nur fünf Eigentümern. Die Entwicklung des Stadtteils ist somit maßgeblich abhängig vom Engagement einzelner Firmenchefs und Verwalter.

In der aktuellen Debatte um die Zukunft von 1199 zwangsverwalteten Wohnungen an der Stockholmer Allee und der Osloer Straße warnen Verantwortliche im Quartier vor Investoren, denen nichts am langfristigen Erhalt der Wohnungen liegt und die durch garantierte Mieteinnahmen hohe Renditen erzielen wollen.

„Wir hoffen immer noch, dass die Häuser bei der Zwangsversteigerung am 18. Januar nicht an eine richtige Heuschrecke gehen“, sagt die grüne Bezirksbürgermeisterin Cornelie Wittsack-Junge.

Eigentümerwechsel mit weitreichenden Folgen

Die Übersichtskarte verdeutlicht, welches Gewicht ein möglicher Eigentümerwechsel für den Stadtteil hat. Die zwangsverwalteten Häuser, zuletzt im Besitz der Unternehmerin Elisabeth Bergstedt aus Syke, riegeln den Stadtteil im Norden regelrecht ab.

Sie hatte versucht, ihren Besitz in Chorweiler zusammen mit Hochhäusern in Porz-Finkenberg im Jahr 2007 für rund 70 Millionen Euro zu verkaufen, wie Einträge im Grundbuch belegen. Einer der Interessenten war offenbar die Firma Talos in Berlin. Sie wurde in den vergangenen Wochen auch als Interessent für die anstehende Zwangsversteigerung genannt. Bei den Verantwortlichen der Stadt ist die Firma nicht allzu gern gesehen.

Pikant: Talos steht selbst als Gläubiger im Grundbuch der Hochhäusersiedlung, weil die einstige Kölner Stadtsparkasse eine 17-Millionen-Hypothek verkauft hat. Der ehemalige Chef der Sparkasse, Dietmar Binkowska, ist heute Chef der NRW-Bank, die als Hauptgläubiger die Zwangsversteigerung betreibt. Eine Interview-Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ bei der NRW-Bank ist seit Wochen unbeantwortet.

„Das Thema ist politisch hoch brisant“

„Das Thema ist politisch hoch brisant“, sagt ein Landespolitiker. Wirtschaftsminister Michael Groscheck und der ehemalige Kölner Kämmerer und jetzige NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans sitzen im Aufsichtsrat der NRW-Bank. Die Bank ist ein Förderinstrument für den sozialen Wohnungsbau und eine bewohnerfreundliche Stadtentwicklung. Hier läuft sie Gefahr, das Gegenteil zu erreichen.

Die NRW-Bank möchte mindestens 28 Millionen Euro für die stark sanierungsbedürftigen Häuser haben. Sie ist im Grundbuch mit mehreren Forderungen als Gläubiger eingetragen und versucht, sich das Geld zurückzuholen, das sie verliehen hat. Sie könnte mit einem deutlich niedrigeren Mindestgebot in die Zwangsversteigerung gehen. Gutachter haben den Wert der Häuser auf 23 Millionen geschätzt.

Die hohe Forderung der NRW-Bank beschränkt die Handlungsmöglichkeiten eines Konsortiums unter der Federführung der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GAG, an dem zur Zeit gebastelt wird. Erst recht, wenn man die hohen Sanierungskosten hinzurechnet. Wollte man die Häuser in Schuss bringen, eventuell sogar an einigen Stellen zurückbauen, kämen noch einmal mindestens doppelt so hohe Kosten hinzu.

„Wir brauchen Kümmerer“

„Der Stadtteil braucht Eigentümer, die sich um das Wohnumfeld und die soziale Betreuung kümmern“, sagt Polizeipräsident Wolfgang Albers. „Wir brauchen Kümmerer.“ Wenn es den Eigentümern nur „ums Geldverdienen“ gehe, leide der ganze Stadtteil. „Das wäre ein schwerer Rückschlag für das Viertel.“ So sieht es auch Oberbürgermeister Jürgen Roters, in dessen Büro an Lösungen gearbeitet wird. Doch sein Handlungsspielraum ist beschränkt. „Der Immobilienmarkt ist so weit liberalisiert worden, dass hier zur Zeit nur noch wenige Eingriffsmöglichkeiten bestehen“, sagt der ehemalige Wohnungsamtschef Michael Schleicher.

Er arbeitet in der Enquete-Kommission des Landtags mit, wo Instrumente entwickelt werden, um Großvermietern mehr Vorschriften machen zu können. Bezirksbürgermeisterin Wittsack-Junge sieht das Land in der Pflicht, sich stärker zu engagieren. Immerhin habe die landeseigene Gesellschaft LEG die Häuser Ende der 80er Jahre an die Privatinvestorin verkauft. „Da kann man jetzt nicht sagen: Pech gehabt.“ Man hätte schon damals stärker auf Sozialstandards achten müssen, so Wittsack-Junge.

Menschenwürdiges Wohnen

Mit den fünf Eigentümern, denen der gesamte Wohnungsbestand in Chorweiler gehört, lassen sich die verschiedenen Zukunftsoptionen für die zwangsverwalteten Häuser beschreiben. So lobt Sozialarbeiterin Sigrid Heidt vom Sozialbüro der katholischen Pfarrgemeinde das Wohnungsunternehmen Sahle, das menschenwürdiges Wohnen ermögliche und dem das Umfeld nicht egal sei. Wittsack-Junge sagt, hier sei in den Häusern „fast eine Dorfgemeinschaft“ entstanden. Lob gibt es auch für die wenigen Gebäude, für die GAG und städtische Stiftungen verantwortlich sind.

Genau das Gegenteil sieht Heidt im Falle der Häuser der BGP Norddeutschland. Hier könne man sehen, dass der Zustand der Gebäude und Wohnungen sowie die Klagen der Mieter noch schlimmer sein können als bei den zwangsverwalteten Häusern. Für ein weiteres mögliches Zukunftsmodell stehen die Eigentumsverhältnisse bei den Gebäuden an der Liller Straße und dem Uppsalasteig (in der Grafik lila markiert). Hier haben sich mehrere Eigentümer zusammengeschlossen, darunter auch Bewohner. Der Verkauf einzelner Wohnungen an Bewohner hatte auch am Kölnberg oder in Finkenberg positive Effekte.

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