MordprozessDas unfassbare Leiden der Lea Sofie

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Im Prozess gegen Patrick L., den mutmaßlichen Mörder der kleinen Lea Sofie, kommen immer mehr entsetzliche Details zur Sprache.

Im Prozess gegen Patrick L., den mutmaßlichen Mörder der kleinen Lea Sofie, kommen immer mehr entsetzliche Details zur Sprache.

Köln – Das Kind wurde weggeworfen wie ein lästiges Möbelstück, ins Gebüsch geschmissen wie illegal entsorgter Müll. Am Dienstag begann vor dem Kölner Landgericht der Prozess um den Tod der zweijährigen Lea Sofie. Hauptangeklagter ist ihr Stiefvater Patrick L. (23). „Dreckspanz“ soll er das kleine Mädchen genannt haben – und es gedemütigt und geschlagen haben bis zur Bewusstlosigkeit.

Eigens für das Kind soll sich Patrick L. ein Psychoterror-Spiel ausgedacht haben, das er „Verarsche“ nannte. Auf sein Kommando musste die Zweijährige im Beisein der Mutter im Sekundentakt aufstehen und sich setzen, durfte dabei weder sprechen noch zappeln – und vor allem keinen Blickkontakt zur Mutter aufnehmen.

Auch Franziska M. (20), der Mutter, die das Spiel mitmachte, verbot er, das Kind anzuschauen. Andernfalls setzte es Schläge für beide. Die Kleine bebte vor Angst, wagte es nicht, auch nur einen Mucks von sich zu geben. Flossen dennoch Tränen, gab es Schläge, bis die Kleine verstummte.

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Sadistische Verhaltensweisen

In den Ermittlungsakten gegen Patrick L. sind diese und weitere ähnlich sadistische Verhaltensweisen des Mannes aufgelistet, der sich jetzt wegen Mordes verantworten muss. Mit auf der Anklagebank sitzt Lea Sofies Mutter, der Totschlag durch Unterlassen vorgeworfen wird. Sie hätte unverzüglich einen Arzt holen müssen, nachdem die Tochter derart schwer misshandelt worden war.

Ärzte sind überzeugt, dass Lea Sofie mit einer rechtzeitigen notärztlichen Behandlung eine Überlebenschance gehabt hätte. Angeblich aus Angst vor weiteren Gewaltattacken habe Franziska M. dies unterlassen, heißt es in den Akten. Stattdessen ging sie mehrmals einkaufen und ließ den Lebensgefährten mit der sterbenden Tochter allein zurück.

Beim Prozessauftakt wurde die Öffentlichkeit erwartungsgemäß nach einer knappen halben Stunde auf Antrag der Verteidigung ausgeschlossen. Zur Begründung verwies Verteidiger Sebastian Schölzel auf knapp 400 Facebook-Eintragungen mit „unerträglichen Kommentaren, die für meinen Mandanten eine Gefahr der unzumutbaren öffentlichen Anprangerung bedeuten“. Darin sei von der Androhung von Höllenqualen bis zur Todesstrafe die Rede.

Während Patrick L. in gebeugter Haltung äußerst zögerlich den Gerichtssaal betritt, eilt Franziska M. in aufrechter Haltung zügig an die Seite ihres Verteidigers. Beide Angeklagten haben undurchdringliche Mienen aufgesetzt. Der Mann mit dem kindlichen Gesicht hat die Kapuze tief in die Stirn gezogen und vermeidet jeglichen Blickkontakt zu seiner Ex-Freundin. Deren Verteidiger hat seine Mandantin gezielt so positioniert, dass niemand aus dem Zuschauerraum sehen kann, was sich in ihrem Gesicht abspielt. 

Lea Sofie störte

Die letzten Wochen im Leben von Lea Sofie müssen unerträglich gewesen sein. Das quirlige, einst so fröhliche Kind störte den neuen Mann an der Seite der Mutter und wurde von ihm aus nichtigem Anlass immer wieder heftig geschlagen und ins Kinderzimmer gesperrt. Lea Sofie wurde zum Essen gezwungen, auch wenn sie die zwangsweise eingeführten Lebensmittel erbrach. Bei der letzten, rohen Attacke schlug Patrick L. sie zu Boden und zog dann so heftig an ihren Haaren, dass die Kopfhaut mit abriss.

Die Zweijährige starb langsam und unter Qualen. Sie war zwei, wenn nicht sogar drei Tage nach dem massiven Angriff ohne Bewusstsein, drei Tage vor Heiligabend trat der Tod ein.

Das Paar legte die Leiche in einen Müllsack, den es in einen Einkaufstrolley packte. Eine Stunde nach Mitternacht zogen die beiden damit zum Fühlinger See, wo sie den leblosen Körper wegwarfen. Um die Spur auf einen unbekannten Gewalttäter zu lenken, entkleideten Mutter und Stiefvater die Leiche, zerrissen die Kleider und verteilten sie im Gebüsch. Dann packten beide den Leichnam „an Kopf und Beinen und warfen ihn mit Schwung auf einen Ast in die Tannen, wo er hängen blieb“, heißt es in den Ermittlungsakten.

Anschließend ging das Paar zur Aral-Tankstelle am Athener Ring, um sich ein paar Flaschen Bier zu genehmigen. Dies dokumentiert eine Videoaufzeichnung, auf dem die beiden um 4.34 Uhr an der Kasse zu sehen sind. Am nächsten Tag meldeten sie Lea Sofie als vermisst, die Polizei organisierte eine große Suchaktion. Noch am selben Abend verwickelte das Paar sich in Widersprüche und zeigte den Beamten den Ort, an dem die Leiche lag.

Das Gericht hat für den Prozess mit mehr als 80 Zeugen bis Mitte Juni 14 Verhandlungstage vorgesehen. Es ist davon auszugehen, dass wegen „schutzwürdiger Interessen der Angeklagten“ nur ein Teil der Beweisaufnahme öffentlich gemacht wird.

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