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DurchbruchKölner Apotheker vertreibt preiswertes Medikament zur HIV-Prävention

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Der Kölner Apotheker Erik Tenberken vertreibt das Truvada-Generikum.

Köln – Für Erik Tenberken ist es ein Durchbruch, der die Zahl der HIV-Neuansteckungen in Deutschland drastisch reduzieren kann. Der Kölner Apotheker hat in langen Verhandlungen mit der Pharmaindustrie erreicht, dass es ein erschwingliches Medikament gibt, das das Risiko, sich mit HIV zu infizieren, deutlich verringert.

Eigentlich gibt es diese Arznei bereits seit einem Jahr. Truvada heißt das Wundermittel, das als sogenannte HIV-Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) die Gefahr einer Ansteckung um bis zu 86 Prozent senken kann. Der Wirkstoff stoppt die Vervielfältigung der HI-Viren im Immunsystem.

Tägliche Einnahme erforderlich

Das Medikament muss ähnlich wie die Antibabypille täglich eingenommen werden. Das Problem war bislang nur, dass es sich die allerwenigsten leisten konnten, da es von den Krankenkassen nicht bezahlt wird und die Pille alles andere als ein Schnäppchen war: 820 Euro kostet die Truvada-Monatspackung. „Das konnte kaum einer bezahlen. Ich wollte eine Lösung finden, die legal und bezahlbar ist“, erkärt Tenberken. Und zwar über ein Generikum – also ein Nachahmerprodukt mit gleichem Wirkstoff.

Bislang hätten sich viele Menschen das Generikum über zweifelhafte Kanäle aus Indien oder Nepal im Internet bestellt. Dies sei hoch riskant, so der Apotheker: „Man weiß ja nicht, was drin ist.“ Fälschungen sei Tür und Tor geöffnet. Ohne ärztliche Kontrolle birgt die Einnahme zudem Risiken. Dank des Kölner Apothekers wird das Medikament nun zumindest in Köln nur noch 50,05 Euro für die Monatspackung kosten. Tenberken hat mit dem Hersteller Hexal einen Einzelvertrag für den Vertrieb des Generikums ausgehandelt. Vertrieben wird das Medikament zunächst nur in den beiden Kölner Apotheken von Tenberken sowie in Partner-Apotheken in acht deutschen Städten.

Die sei ein „Meilenstein in der HIV-Prävention“, kommentierte der stellvertretende Geschäftsführer der Kölner Aids-Hilfe, Felix Laue, den Startschuss in Köln. Dadurch werde die Prophylaxe auch in Deutschland bezahlbar für Menschen, die zu den Risikogruppen gehören. Laut Aids-Hilfe ist der Schutz mit dem täglich eingenommenen Medikament höher als bei der Nutzung eines Kondoms. Allerdings bietet die Arznei anders als Kondome keinen Schutz vor anderen Geschlechtskrankheiten, die in Deutschland auf dem Vormarsch sind. Wer allerdings beides parallel benutze, der habe jetzt einen hundertprozentigen Rundherumschutz, betont Tenberken.

Konzept soll ausgeweitet werden

Der Apotheker ist Ehrenmitglied der Kölner Aids-Hilfe und engagiert sich dort seit vielen Jahren. Zudem ist er Gründungsmitglied der Arbeitsgemeinschaft der HIV-kompetenten Apotheken. Seit Anfang der 90er Jahre in seinem Bekanntenkreis Freunde von HIV betroffen waren, lasse ihn das Thema nicht mehr los.

Für jeden einzelnen Patienten individuell abgefüllt und verpackt werden die Tabletten bei der Kölschen Blister GmbH. Dann werden die Medikamente an die Apotheken verschickt, wo die Patienten sie mit Rezept abholen. Das Konzept solle sobald wie möglich von den derzeit acht Standorten auf weitere 30 ausgeweitet werden, sobald genug Ware da sei, kündigt Tenberken an.

Kontrolle im Drei-Monats-Rhythmus

Kernpunkt der Medikation ist – anders als beim Bezug des Präparats über Kanäle in Asien – die ärztliche Kontrolle. Für eine Prophylaxe-Behandlung muss ein Arzt eine HIV-Infektion sicher ausgeschlossen haben, ebenso wie andere Geschlechtskrankheiten. Denn ein Patient, der trotz HIV-Infektion eine Prophylaxe beginnt, erhält eine unvollständige Therapie mit der Gefahr von Resistenzen. „Das wäre der Super-Gau“, so Tenberken. Die medizinische Kontrolle erfolgt im Drei-Monats-Rhythmus. Teilnehmen können nur HIV-kompetente Apotheken. Auch Ärzte, die das Präparat verordnen, müssen über die notwendige Qualifikation verfügen.

Die Präsidentin der Bundesapothekenkammer, Magdalena Linz, sieht in der kontrollierten Abgabe des Generikums neben dem Gewinn an Lebensqualität für die Nutzer auch Vorteile für das Gesundheitssystem: „Die Verhinderung von HIV-Infektionen sorgt für massive Einsparungen.“ Laut einer Studie der Universität Rotterdam könnte die Prophylaxe bis 2030 etwa 9000 HIV-Infektionen verhindern. Jeder HIV-Infizierte verursache Behandlungskosten von jährlich 17000 Euro. Nach Angaben der Aids-Hilfe ist in London und San Francisco die Zahl der Neuansteckungen seit Einführung des Medikaments um 50 Prozent zurückgegangen.

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