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Box-TalenteEmre, der erfolgreiche Faustkämpfer

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Erfolgserlebnisse im Boxring: Emre Birekul

Erfolgserlebnisse im Boxring: Emre Birekul

Ehrenfeld – Eigentlich wollte Emre Birekul nur ein bisschen für seine Fitness und Ausdauer tun, als er vor drei Jahren mit dem Boxtraining begann. Das Programm "Kids for Future" des Vereins Faustkämpfer Köln-Kalk war für den damals 14-Jährigen der Einstieg in die Welt des Boxsports.

"Schon wenige Wochen später stand ich im Ring", erinnert sich Emre. Vor kurzem feierte er seinen ersten großen Wettkampf-Erfolg. Er gewann die Silbermedaille bei der Internationalen Deutschen Jugendmeisterschaft in Wittenberg. Für das vor vier Jahren gegründete Projekt "Kids for Future", eine Trainingsgruppe für Jugendliche aus schwierigen sozialen Verhältnissen, ist es nicht der erste Erfolg bei Meisterschaftsturnieren. Der Kalker Klub fand für sein Projekt Räume in Nippes. Als die nicht mehr zur Verfügung standen, erfolgte der Umzug zum Neptunplatz nach Ehrenfeld.

Gegner waren viel erfahrener

Emres Silbermedaille kam jedoch ziemlich überraschend. "Damit hatte niemand gerechnet, ich selbst auch nicht", sagt Emre bescheiden. Die Erklärung dafür, dass ihm so wenige den Finalkampf zutrauten, hat er ebenfalls parat: "Ich hab doch erst ganz wenige Kämpfe absolviert. Meine Gegner waren da schon viel erfahrener", berichtet er, "gegen die war ich eine Ameise."

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Wie viele Jugendliche nehmen aktuell am Projekt "Kids for Future" teil? Und wie viele haben Sie insgesamt schon erreicht?

Mehmet Hendem: Es nehmen derzeit etwa 70 Kinder und Jugendliche im Alter von zehn bis 26 Jahren teil. Der Großteil unserer Athleten hat Migrationshintergrund und lebt in den Vierteln der Stadt, die als Sozialräume eingestuft sind. Erreicht haben wir bis dato mehr als 150 Kinder und Jugendliche.

Wieso funktioniert es so gut, dass durch eine Sportart wie Boxen Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen eine Perspektive bekommen?

Hendem: In vielen Ländern wie Türkei, Aserbaidschan, Armenien und Russland ist das olympische Boxen ein Nationalsport, so dass es schon familiär vorgeprägt ist, diese Sportart auszuüben. Ferner ist unser Verein seit über 50 Jahren aktiv und von Generation zu Generation kommen die Familienmitglieder zu unserem Training. Schließlich entspricht der Faustkampf den Interessen vieler Jugendlicher. Nicht zu unterschätzen ist auch der Einfluss von Fernsehen und Internet. Zudem verfügt dieser Sport über ein klares Reglement und einen Ehrenkodex. Auch unser Botschafter Felix Sturm bewirkt einen regen Zulauf.

Das Projekt wurde 2010 mit dem Kölner Ehrenamtspreis ausgezeichnet. Es gibt viele prominente Unterstützer. Haben Sie trotzdem einen Wunsch für die Zukunft?

Hendem: Wir haben weitere Preise gewonnen, wie den Veedels-Engel sowie den Rheinischen Integrationspreis der Provinzial, und sind sehr dankbar für die Unterstützung durch Markus Ritterbach, Julia Sahin, die Polizei, um nur einige zu nennen. Unser Wunsch ist es, finanziell weiter bestehen zu können, um unser Trainingszentrum zu erhalten. Ein weiterer großer Wunsch für die Zukunft ist es, Patenschaften mit großen Unternehmen zu entwickeln, damit unsere Teilnehmer eine Chance auf einen Ausbildungsplatz bekommen. Auch wünschen wir uns mehr Akzeptanz von den ansässigen Jugendämtern und der Stadt.

Das Gespräch führte Heribert Rösgen

Nach einem KO-Sieg im Halbfinale musste er sich im anschließenden Finalkampf dem amtierenden Vizeeuropameister Dominik Thiemke aus Berlin nach Punkten geschlagen geben. Über die Silbermedaille freute sich der erst vor wenigen Wochen 17 Jahre alt gewordene Schwergewichtsboxer trotzdem riesig. "Es war ein schöner Kampf. Gegen Dominik würde ich gerne noch einmal boxen", meint Emre vielsagend. Für die nächsten Internationalen Deutschen Meisterschaften müsste er sich jedoch erneut qualifizieren.

Disziplin und hartes Training

Reicher an Erfahrungen ist er bereits jetzt. "Das war schon eine ganz andere Atmosphäre als hier bei uns in der Trainingshalle", erzählt er begeistert. Man habe auch gemerkt, dass manche Boxer schon richtig professionell vorbereitet in ihren Kampf gingen. Die meisten kamen mit einem ganzen Betreuerstab zum Turnier. "Ich war nur mit meinem Trainer da", sagt er.

Wie er die fehlende Kampferfahrung wettgemacht habe? "Beim Boxen kommt es vor allem auf Disziplin und hartes Training an", sagt er ernst. Das Entscheidende aber sei, dass man "mit Herz" boxen müsse.

Disziplin und hartes Training erfährt er wie viele andere Jugendliche von den Betreuern im Box-Treffpunkt "Kids for future" am Neptunplatz mitten in Ehrenfeld. "Unsere Trainer bringen uns vor allem Respekt bei", berichtet er. Der werde nicht nur gegenüber den Trainern verlangt, sondern sollte allen gezollt werden. Wer seinem Gegner im Kampf überlegen sei, sollte ihn dennoch respektieren.

Boxer helfen den Schwachen

"Hilf den Schwachen, erst dann bist du ein Boxer", hat Emre das Credo der Faustkämpfer verinnerlicht. Die Sportler des Vereins werden sogar ermahnt, sich stets hilfsbereit zu zeigen, wenn sie in Trainingskleidung mit dem Vereinsemblem auf der Straße oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind. Trainer Mehmet Hendem hat keine Befürchtung, dass "seine" Boxer ihre Fähigkeiten an falscher Stelle, nämlich auf der Straße, anwenden würden: "Ein feinmaschiges Netzwerk, der Kontakt zu den Familien und zu Schulen ermöglicht uns eine Kontrolle über die Teilnehmer." Zudem seien die Teilnehmer auch durch Angebote wie Nachhilfe, pädagogische Beratung, Kontakt zu Ämtern, Bewerbungstrainings mit den Kölner Wirtschaftsjunioren stark an das Projekt und den Verein gebunden. Dadurch verfügen sie über sportliche, schulische und berufliche Perspektiven.

Die Kinder nehmen regelmäßig an Turnieren teil und erhalten individuelles Training, so dass sie - oft zum ersten Mal im Leben - Wertschätzung und Anerkennung erfahren. Für Mehmet Hendem steht fest: "Die Sportler haben sich den Respekt über ihre sportlichen Leistungen erarbeitet und müssen sich nicht mehr draußen duellieren."

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