Mein VeedelMit Katrin Höpker durch Neuehrenfeld

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Beeindruckende Gründerzeit-Bauten gibt es in Neuehrenfeld viele. Katrin Höpker bleibt auch nach mehr als 20 Jahren stehen und staunt.

Beeindruckende Gründerzeit-Bauten gibt es in Neuehrenfeld viele. Katrin Höpker bleibt auch nach mehr als 20 Jahren stehen und staunt.

  • Berufsmusikerin Katrin Höpker ist vor 24 Jahren "zufällig" in Neuehrenfeld gelandet.
  • Sie liebt die Unaufgeregheit und das Dörfliche mitten in der Großstadt Köln.

Neuehrenfeld – Als sie aus der Tür auf die Straße tritt, hat sie ihn dabei, so wie immer. Ohne ihren alten Rucksack geht Katrin Höpker nicht aus dem Haus. Sie ist gerne vorbereitet. Die Gegend rund um den Ehrenfeldgürtel ist ihr vertraut, sie kennt die Straßen und ihre Menschen gut. Aber wenn die Berufsmusikerin durch ihr Veedel läuft oder radelt, ist es trotzdem jedes Mal ein spannender Ausflug. Immer noch und immer wieder. Einen Rucksack kann man da gut gebrauchen.

Der Himmel ist grau, wir haben uns einen nass-kalten Morgen für unseren Spaziergang durch Neuehrenfeld ausgesucht. Macht aber nichts. Katrin Höpker hat extra ihren fröhlich gemusterten Mantel angezogen, einen Regenschirm braucht sie nicht – der stört nur. Die Sängerin und Pianistin nimmt uns mit auf eine kleine Einkaufstour. Auf dem Zettel stehen Brot und Fisch. Ein Buch will sie auch kaufen, von dem hat sie neulich in der Zeitung gelesen.

Idylle mit Hühner-Gegacker

Wir laufen los, von der Försterstraße biegen wir ab auf die Ottostraße. Viel ist nicht los, es scheint fast, als schlafe das Veedel noch. Wenn sie mit ihrem bekannten Mitsing-Format „Frau Höpker bittet zum Gesang“ in Köln und Umgebung unterwegs ist, dann spielt Katrin Höpker kein starres, unveränderliches Programm, sondern Songs aus ihrem stetig wachsenden Repertoire, die gerade zur Stimmung passen. Ein bisschen so wie diese musikalischen Reisen läuft auch unser Spaziergang ab: Einige Lieblingsorte hat die hochgewachsen Musikerin mit der kräftigen Stimme  im Vorfeld ausgewählt, andere kommen spontan hinzu.

Der Lenauplatz ist das Herzstück von Neuehrenfeld.

Der Lenauplatz ist das Herzstück von Neuehrenfeld.

Gleich auf der Ottostraße bleiben wir das erste Mal kurz stehen: Bei der katholischen Kirche St. Anna am angrenzenden Christine-Teusch-Platz. Im Sommer säumen hier dichte Baumkronen die Straßen. Von ihrer Wohnung aus kann Höpker die benachbarten Glocken gut läuten hören. „Das ist wundervoll“, sagt sie. Eine Kirchgängerin ist sie privat nicht mehr. In ihrer Jugend saß die Wahlkölnerin oft an einer Orgel, am Wochenende zieht sie heute ein gemütliches Frühstück mit ihrem Mann vor. Das Glockengeläut in der Nachbarschaft ist dafür die perfekte Klangkulisse. „Wenn dann noch die Hühner vom Nachbarn gackern, dann ist das Idylle pur. Bei meinen Eltern in Westfalen ist es lauter“, sagt Höpker.

Es ist diese Unaufgeregtheit, dieses „irgendwie Dörfliche“, das sie an Neuehrenfeld liebt – einer kleinen Welt inmitten der Anonymität einer Großstadt, in der über Ecken noch jeder irgendwie jeden kennt. 24 Jahre lebt Katrin Höpker nun schon im Veedel. „Ich bin nicht kölschtrunken“, sagt sie. Trotzdem: 1992 ist sie „zufällig hier gelandet“ und danach nie wieder weggezogen. Die Musik nahm sie damals mit hierher. „Musik war in unserer Familie immer ein Thema“, sagt Höpker, die in Dorsten-Wulfen im Kreis Recklinghausen geboren wurde. Ihr Alter verrät sie uns nicht, dafür aber, dass sie die dritte von fünf Pfarrerstöchtern ist. Ihre Schwester Gudrun Höpker kennen viele aus dem Radio.

In der Eichendorffstraße halten wir wieder an. Zum Staunen: Ein prachtvoller Gründerzeit-Bau grenzt hier an den nächsten. „Das ist doch einfach sensationell, oder?“ Früher hätten hier viele wohlhabende Leute gewohnt, Beamte, höhere Angestellte, Kaufleute, erzählt die ausgebildete Organistin. „All die mit den Ärmelschonern. Daher   kommt auch der Name «Tintenviertel»“.

Katrin Höpker ist seit 1999 Mitglied in der A-cappella-Gruppe Cologne Voices und seit 2008 mit ihrem eigenen Format „Frau Höpker bittet zum Gesang“ unterwegs. Am 27. April kommt sie damit nach Ehrenfeld. Anmeldung im Internet.

www.frauhoepker.de

Prominenter Gast in der Försterstube

Von einer Umgebung, die auch heute noch ein gewisses Prestige ausstrahlt, führt sie uns zu einem Ort, an dem eine dicke Brieftasche nicht weniger von Belang sein könnte. Vorbei am beliebten Café Franck – „da hole ich immer meinen Kuchen“ – laufen wir über den Ehrenfeldgürtel zurück in Richtung Försterstraße. Dort auf der Ecke befindet sich die Försterstube, über 100 Jahre gibt es die Gaststätte schon.  Mit den Betreibern verbindet  Höpker  eine enge Freundschaft.  Nicht nur, weil ihr Mann hier immer sein Feierabendbier trinkt. „Hier kommen einfach alle zusammen“, sagt sie. 

Durch den Hinterhof gelangen wir direkt in die Küche. Auf der Karte stehen Königsberger Klopse. Seit 40 Jahren kocht und zapft das Ehepaar Huth hier, einen Ruhetag gibt es in ihrem Betrieb nicht. Die meisten Gäste kommen schon seit Ewigkeiten. Weil sie sich im Gastraum mit den dunklen Holzbalken und den unzähligen Karnevalsorden wohl irgendwie zu Hause fühlen.

Seit 40 Jahren betreiben sie die Försterstube: Elke und Lothar Huth.

Seit 40 Jahren betreiben sie die Försterstube: Elke und Lothar Huth.

Auch der kürzlich an seinem Krebsleiden verstorbene Guido Westerwelle schaute früher ab und an mit seinem Mann und Freunden in der Försterstube vorbei. „Er wusste, hier ist er inkognito“, sagt Elke Thelen-Huth (69) über den früheren Außenminister und FDP-Politiker. Die Eheleute freuten sich jedes Mal, wenn er vorbeikam und wissen wollte, was Lothar Huth an dem Tag gekocht hatte. Elke Thelen-Huth seufzt und stellt ein Bier auf den Tresen. Dann muss das Ehepaar auch schon los, einkaufen für die Klopse.

Wieder überqueren wir den Ehrenfeldgürtel, diesmal in die entgegengesetzte Richtung. Auf der Einkaufsliste stehen noch das Brot und der Fisch. Wir laufen über den Lenauplatz und betreten die Vollkornbäckerei Klötsch in der Iltisstraße. Nur hier kauft Katrin Höpker ihr Vollkornbrot. Darauf lässt sie nichts kommen. Weiter geht’s in Richtung Landmannstraße. Hier gibt es zwei oder drei Fachgeschäfte, die man  so woanders kaum noch finde, sagt die Musikerin. Eines davon ist das Fischfachgeschäft von Patrick Duck. 

Bio-Lachs auf der Speisekarte

Höpker bestellt zwei Stücke Lachs. „Den hab’ ich heute Abend auf die Speisekarte gesetzt. Ich esse nur einmal die Woche Fisch, dann aber richtig guten.“ Von Massenware im Supermarkt hält sie nichts. „Für den Massenmarkt werden die Fische auch zu früh gefangen“, erklärt Patrick Duck. Viel Exotisches liegt auf dem Eis in seiner Theke nicht aus – der 33-Jährige setzt lieber auf ein kleines, regionales Angebot. Katrin Höpkers Bio-Lachs stammt aus Irland.

Patrick Duck verkauft Bio-Lachs.

Patrick Duck verkauft Bio-Lachs.

Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung – das sind Themen, die die Sängerin umtreiben. In der Buchhandlung Feussner muss Höpker  nicht lange suchen. Sie zieht „Verteilungskampf – Warum Deutschland immer ungleicher wird“ von Marcel Fratzscher aus einem Regal.  Auf der Bühne werde sie in der Regel nicht politisch, erzählt sie. Über die Musik wolle sie Menschen zusammenbringen und einen Raum schaffen, „in dem man sich glücklich singen kann“. Aber auch über Lieder ließen sich ja Themen und Botschaften vermitteln. In der Kinderecke bleibt Höpker stehen. „Es gibt so schöne Kinderbücher“, sagt sie und das klingt  ein bisschen wehmütig. Deshalb gehe sie hier auch so gerne für ihre Patenkinder stöbern. Bei Amazon bestellen? Nur im Notfall. „Die Großen werden auch so immer größer.“

Der Meister Eder von Neuehrenfeld

Die Einkaufsliste ist abgehakt. Bevor wir zum Abschluss im charmanten Café Sommerfeldt duftende Waffelherzen essen, will uns Höpker unbedingt noch jemanden vorstellen: „Den Meister Eder von Neuehrenfeld“.

Zurück in der Försterstraße steigen wir eine steile Treppe in einen verwinkelten Keller hinab. Es riecht nach Lack, die Regale sind vollgestopft mit Werkzeug. Früher besaß Heinz Utzerath eine Polsterei, heute verbringt der 80-Jährige jeden Tag in seiner Hobbywerkstatt. Vor einiger Zeit hat er ein altes Sofa neu bezogen. Jetzt hat es ein grelles Muster. „Ich hatte da noch so eine Rolle Stoff“, lacht er. Hin und wieder hilft Utzerath auch Freunden und Bekannten aus. Katrin Höpker zeigt auf ihren Rucksack. Der hat erst vor kurzem neue Lederriemen bekommen. Angebracht hat sie Heinz Utzerath.

Hatte früher eine Polsterei: Heinz Utzerath

Hatte früher eine Polsterei: Heinz Utzerath

Lieblingsorte im Veedel:

„Hier trifft sich das Veedel“: Försterstube, Försterstraße 23 „Das beste Vollkornbrot der Stadt“: Vollkornbäckerei Klötsch, Iltisstraße 6 „Der Fisch kommt aus der Region“: Fischfachgeschäft Duck, Landmannstraße 27 „So schön zum  Stöbern“: Buchhandlung Feussner, Landmannstraße 7 „Frische Waffeln zu Musik aus den 50ern“: Café Sommerfeldt, Ecke Landmannstraße/Försterstraße

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