WeihnachtsbaumverkaufNordmänner am Lenauplatz

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Stefan Dettlaff (l.) und „der Willi“ auf dem Lenauplatz

Stefan Dettlaff (l.) und „der Willi“ auf dem Lenauplatz

Neuehrenfeld – Willi aus Wipperfürth ist ein ruhiger Zeitgenosse. Den Jägerhut hat er tief ins Gesicht gezogen, seinen generell eher skeptischen Gesichtsausdruck kann das jedoch nicht verbergen, wenn er im Eingang seiner Holzhütte steht und sehr sachlich über seinen Job erzählt. Ein paar Sätze nur, dann geht er wieder seiner Arbeit nach. Willi spricht nicht besonders viel, er beschränkt sich auf das Wesentliche. In seinem Fall bedeutet das den Verkauf von Weihnachtsbäumen, am Rande des Lenauplatzes, im Herzen Neuehrenfelds.

Willi ist 63 Jahre alt, er arbeitet seit drei Jahren als Aushilfe für die Baumschule Schmitz aus Wipperfürth. Auf dem etwa 50 Quadratmeter großen Areal steht er meistens mit Stefan Dettlaff, Auszubildender der Baumschule, der bald 20 wird. Trotz des großen Altersunterschieds harmonieren die beiden prächtig – „der Willi ist ein lustiger Kerl“, sagt Stefan. Der Nachname seines Kollegen fällt ihm auf Anhieb nicht ein – das spielt aber auch keine Rolle, der Willi ist einfach der Willi.

Einen gravierenden Unterschied gibt es aber doch zwischen den Baumfachmännern – Stefan spricht viel und gern. Auch er arbeitet den dritten Winter in Folge in dem umzäunten Bereich am Lenauplatz, in dem es nichts gibt außer einem Dixi-Klo, Willis kleiner Holzhütte mit einem Radio und einer Lampe – und natürlich den Weihnachtsbäumen, etwa 200 sind fast immer vorrätig.

Um 6 Uhr in der Früh geht es nach Wipperfürth

Für Stefan beginnt der Arbeitstag schon um 6 Uhr. Dann macht er sich aus Halver im Märkischen Kreis auf nach Wipperfürth. Dort lädt er mit seinen Kollegen die Bäume und Äste auf und transportiert sie nach Köln, um halb zehn startet der Verkauf, „wenn es mit dem Verkehr klappt“. Die bitterkalten Temperaturen machen ihm nichts aus, Stefan arbeitet gerne draußen. Diese Vorliebe und die „Leidenschaft für die Natur“ seien ausschlaggebend gewesen für seine Berufswahl, für den Beginn einer Ausbildung zum Baumschulgärtner. „Da ist der Job wirklich ideal.“ Und, nun ja, der Arbeitsmarkt trug auch seinen Teil dazu bei: „Ich wollte eigentlich Landschaftsgärtner werden, aber habe da nach der Schule nicht gleich etwas gefunden.“

Stefan mag es, seinen Arbeitstag zwischen Blau- und Rotfichten und den Nordmanntannen zu verbringen. Schließlich begleitet er die Bäume von klein auf. „Wir ziehen sie in der Baumschule auf den Feldern selbst groß“, sagt er. „In diesem Jahr sind viele unserer Nordmänner allerdings noch zu klein, um sie zu verkaufen.“

Das macht aber nichts, es gibt genug ausgewachsene Tannen, die verkaufsbereit sind. Die meisten stehen in wenigen Tagen in einem Ehrenfelder Wohnzimmer – trotz aller Finanzkrisen und Sparzwänge wird bei Weihnachtsbäumen offenbar kaum gespart. Das Geschäft sei gut losgegangen, berichtet Stefan, am ersten Tag habe er sich von ungefähr 20 Bäumen verabschiedet. Auch Willi ist zufrieden. „Es wird immer noch viel verkauft, aber viele verhandeln auch, die Leute sind schon knauseriger“, murmelt er und widmet sich dann wieder einem Baum, der besonders schön ist und deshalb am Eingang platziert wird.

„Der sieht aus wie im Bilderbuch“

Ein Kundenmagnet ist auch die etwa sechs Meter große und bunt geschmückte Nordmanntanne in der Mitte des Lenauplatzes, die die Passanten mit all ihrer Pracht wohl an die charmante Vorstellung eines Weihnachtsbaumes im eigenen Zuhause erinnert. „Der sieht aus wie im Bilderbuch“, sagt Stefan mit schwärmerischem Unterton, bevor er die Axt ansetzt, um seinen Stamm zu kürzen. „Das ist schwer zu schätzen, aber ich würde sagen, dass er 15 Jahre gewachsen ist.“

Bäume in solch fortgeschrittenem Alter und entsprechender Größe bieten Willi und Stefan nicht an – die meisten Kunden sind dennoch zufrieden. Auch deshalb mag Stefan den Verkauf sehr gerne. „In der Regel sind die Menschen nett und lustig, und ältere Leute geben viel Trinkgeld“, sagt er, erinnert sich dann aber auch an sein einziges Negativerlebnis am Lenauplatz: „Letztes Jahr hat sich einer total aufgeregt, weil nicht alle Bäume ausgepackt waren“, sagt Stefan. „Dabei habe ich drei Stück extra nur für ihn aufgemacht.“

Das Auspacken ist eine seiner Haupttätigkeiten, außerdem das Verpacken mit der Netzmaschine und das Aufräumen des Bereichs. Auf den ersten Blick kann der Alltag eines Weihnachtsbaumverkäufers eintönig wirken. „Wenn man das sieht, denkt man nicht, dass den ganzen Tag lang etwas zu tun ist“, sagt Stefan. „Aber wir müssen die Bäume pflegen, ich habe in den bisherigen Tagen nicht ein mal rumgestanden.“ Oder doch? „Also, vielleicht mal fünf Minuten, aber dann kann ich ja mal was essen und trinken.“

Um 18 Uhr schließen Willi und Stefan den Verkaufsbereich ab und machen sich auf den Heimweg. Diebstähle gibt es nachts selten. „Anwohner haben zwar mal berichtet, dass sie etwas beobachtet haben“, sagt Stefan noch, „aber ich kann mir nicht vorstellen, dass etwas geklaut wird, da hier viele Häuser in der Gegend sind.“ Oder auch „tausend Augen“, wie sein Kollege kurz und knapp ergänzt. Er ist eben ein ruhiger Zeitgenosse, dieser Willi aus Wipperfürth.

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