Eine aussterbende ArtWas treibt Menschen heute noch ins Internetcafé?

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Das Internetcafé in der  Sudermanstraße

Köln – In Zeiten der digitalen Revolution kann es manchmal ganz schnell gehen: Das Telefon wird zum Handy, das Handy zum Smartphone. Das schrille Modem-Geräusch ist längst ausgestorben. Aus Computern werden Laptops und Ultrabooks.

Wenn das Neue kommt, gibt es für das Alte schnell keinen Platz mehr. Heute, wo das Internet Einzug in die meisten Privathaushalte gehalten hat, wo ein erheblicher Teil der Bevölkerung ohnehin über das Handy surft, sollte eines eigentlich ziemlich obsolet geworden sein: Internetcafés.

Internet-Nachhilfe für Senioren

Und doch hängt in der Sudermanstraße im Agnesviertel ein großes rotes Banner über der Nummer sieben, das genau das verspricht. „Internet-Coffee“ steht in gelber Schrift darauf, daneben Öffnungszeiten und eine Internetadresse, die ins Leere führt. Der dazugehörige Laden ist allerdings noch da: kleine Holztische stehen in dem hellen Raum mit Holzboden, 13 Arbeitsplätze gibt es hier.

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„Früher waren es 24“, erzählt Sam Hassan. Der Informatiker betreibt das Café schon seit 17 Jahren. In der Ecke, in der sich heute die Abholstation eines Paketdienstes befindet, standen damals die zusätzlichen PCs. Und die, sagt Hassan, seien damals auch besetzt gewesen.

An diesem Nachmittag bleiben viele Plätze frei. Drei Menschen arbeiten still und geschäftig an ihren Rechnern, immer mal wieder kommt Kundschaft vorbei, um zu scannen oder zu drucken. „Die meisten kommen abends, nach dem Feierabend“, sagt Hassan. Er kennt sie – sie sind überwiegend Stammkunden aus der Nachbarschaft.

Der Großteil von ihnen besitzt selbst einen Internetanschluss. Sie kommen ins Internetcafé, weil sie sich hier besser konzentrieren können, sagt Hassan, weil sie keinen Drucker besitzen und hier Kaffee und eine Beratung bekommen. Im „Internet-Coffee“ gibt es nicht nur Computer; Hassan liefert als Informatiker das nötige Know-how.

Unter seinen Kunden sind viele Senioren: Er erklärt ihnen den Umgang mit den PCs, zeigt ihnen, wie sie E-Mails verschicken können und wie Internet-Einkäufe funktionieren. „Einige möchten ein Auto kaufen oder ihre Wohnung vermieten – dabei brauchen sie Unterstützung.“ Nebenbei verkauft er noch Getränke, Snacks und Technik, ein bisschen ägyptischen Schmuck.

Telefonieren nach Japan

Und: Er hat in einer Ecke des Cafés eine Art hölzerne Telefonzelle zusammengezimmert. Hier können seine Kunden über eine Internetleitung ins Ausland telefonieren. „Wenn ich in Köln bin, dann komme ich ungefähr dreimal die Woche zum Telefonieren her“, erzählt Andreas, der an diesem Tag aber nur für einen kurzen Scan vorbeischaut.

Nach Japan, das kostet hier nur einen Euro für zehn Minuten. „Wenn ich technisch versierter wäre, könnte ich das mit Skype machen, aber ich habe das Programm noch nicht auf meinen Rechner bekommen. Außerdem gehe ich gerne aus dem Haus – man muss ja nicht alles wegrationalisieren.“

Ähnlich sieht das auch Alessandro. Der Referendar bereitet im Café einen Unterrichtsbesuch vor – das macht er lieber hier, als zu Hause. „Hier sitzt man nicht wie eine Sardine in der Büchse. Ich war auch schon früher als Student hier; wenn ich zum Beispiel mal etwas drucken oder laminieren musste.“

Die Treue seiner Kunden kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Geschäft mit dem Internetcafé ein hartes ist. Auch wenn viele kleine Punkte auf der digitalen Köln-Karte zeigen, dass das Internetcafé im Agnesviertel längst nicht das einzige in der Stadt ist – ihre Anzahl schrumpft.

Ein hartes Geschäft

Hassan beispielsweise führte früher mit einem ehemaligen Kommilitonen drei solcher Läden. Eines in Ehrenfeld, eines in der Luxemburger Straße und eben das „Internet-Coffee“ in der Sudermanstraße. 2011 müssen die anderen beiden schließen; sein Freund zieht mit der Familie als Stuttgart. Heute arbeitet der Technikingenieur für Airbus.

Hassan ist geblieben. „Es läuft – aber es ist schwierig“, sagt er. Die Zeiten haben sich geändert. Hassan arbeitet gerade an einer neuen Idee: Einem Computerkurs für Senioren. Seine Erfahrung zeigt schließlich, dass die Nachfrage besteht. Nur der Termin steht noch aus.

Am Ende ist das Internetcafé vielleicht eben auch zu einem Ort für diejenigen geworden, die dem stetigen Wandel in einem etwas ruhigeren Tempo folgen.

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