Er soll abgeschoben werdenDolmetscher half bei Vernehmungen nach Silvesternacht

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Amine Z. Köln Dolmetscher

Amine Z. kämpft für eine Aufenthaltserlaubnis.

Köln – Bei Polizeibehörden, Gerichten und beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ist Amine Z. ein gefragter Mann: Nach den Ereignissen von Silvester 2015 rief die Kölner Polizei bei dem diplomierten Dolmetscher für Arabisch und Spanisch an, weil sie ihn als Sprachmittler in Vernehmungen benötigte. Auch im Kampf gegen nordafrikanische Diebesbanden setzte die Behörde ihn gerne ein.

Für das Amtsgericht Köln übersetzte der Marokkaner, der seit 15 Jahren in Deutschland lebt, ebenso wie für das Oberlandesgericht Koblenz. Noch Anfang Juni bat das Bamf die Ausländerbehörde, dem 36-Jährigen eine Arbeitserlaubnis auszustellen – „nach Möglichkeit ohne zeitliche oder örtliche Beschränkung“, wie es in dem Schreiben, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, heißt. Angesichts des hohen Aufkommens an Asylantragstellern bestehe ein „erheblicher und dringender Bedarf an Sprachmittlern“, so die Begründung.

Amine klagt gegen den Ausweisungsbescheid

Dabei war Amine Z. zu dem Zeitpunkt, als das Bamf den Bittbrief aufsetzte, schon längst ausreisepflichtig. Die Kölner Ausländerbehörde hatte ihn per Ordnungsverfügung vom September 2016 aufgefordert, unverzüglich auszureisen, und ihm die Abschiebung angedroht. Eine Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis oder die Erteilung einer Arbeitserlaubnis lehnte das Amt ab.

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Amine Z. hat gegen die Entscheidung geklagt – und ist seitdem zum Nichtstun verurteilt. „Ich decke einen Mangelberuf ab, ich werde dringend gebraucht. Ich bekomme Anfragen, aber darf keine Aufträge annehmen. Was macht das für einen Sinn?“, fragt er zunehmend verzweifelt. Die Verwaltungsgerichte sind wegen vieler Asylverfahren überlastet, bis zu einem Urteil kann es dauern. „Zurzeit lebe ich wieder vom Geld meines Vaters, mit 36 Jahren. Das empfinde ich als sehr schlimm.“

„Hohe Einsatzbereitschaft“

2002 war der Marokkaner mit einem Studentenvisum nach Deutschland gekommen. Nach seinem Abschluss als Dolmetscher entschloss er sich zu promovieren und beantragte eine Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Drei Jahre lang prüfte die Verwaltung – bis jetzt die Ablehnung kam. Pikanterweise hat Amine Z. auch schon mit Mitarbeitern eben jener Ausländerbehörde zusammengearbeitet, die ihn nun abschieben will.

Der Fall hatte seinerzeit für Aufsehen gesorgt: Ein Iraker, der auf der Flucht über das Mittelmeer seine Frau und zwei Kinder verloren hatte, meldete sich bei der Polizei. Ausgerechnet in dem Kölner Flüchtlingsheim, in dem er untergekommen war, glaubte er, die Schleuser wiedererkannt zu haben, die ihn und seine Familie auf ein seeuntaugliches Boot verfrachtet hatten. Amine Z. ging mit einem Mitarbeiter des Ausländeramts in die Unterkunft. „Wir haben mit Hilfe des Flüchtlings im Vorfeld des Polizeieinsatzes die Männer identifiziert“, schildert Amine Z. Bei den Vernehmungen habe er elf Stunden lang gedolmetscht. Über den anschließenden Gerichtsprozess hatte auch der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtet. Die Angeklagten wurden freigesprochen.

„Härteste Richterin Kölns“ lobte ihn

Ähnlich knifflig seien viele Aufträge gewesen, darunter sogenannte Umfangsverfahren der Polizei, bei denen aufgrund der Vielzahl der Tatbestände gleich eine ganze Ermittlungsgruppe tätig ist. In ihnen kommt der Dolmetschertätigkeit eine besondere Bedeutung bei der Beweisführung zu, heißt es in einem Referenzschreiben, das die Polizei Amine Z. ausstellte. Das Präsidium sparte darin nicht mit Lob an den Qualitäten des Marokkaners: „Sie zeigten hohe Einsatzbereitschaft und waren auch an Wochenenden sowie an Feiertagen, unter anderem auch im Rahmen von vielen Rufbereitschaftsdiensten verfügbar“, heißt es dort.

Die langjährige Richterin am Amtsgericht, Erika Nagel, die wegen ihres konsequenten Durchgreifens gerne mal als „härteste Richterin Kölns“ bezeichnet wurde und sich bei der Polizei größter Beliebtheit erfreute, stellte Amine Z. ebenfalls ein herausragendes Zeugnis aus. Seine Kenntnisse der Verfahrensabläufe, des deutschen Rechts und seine sprachliche Gewandtheit erlaubten ein ergiebiges, simultanes Dolmetschen.

Arbeit im Auftrag der Polizei

Dass die Behörden überhaupt auf die Dienste des Marokkaners zurückgriffen, ist bemerkenswert. Seine Beschäftigung war nämlich von vornherein illegal, da er mit seinem Studentenvisum nicht hätte arbeiten dürfen. Doch das interessierte offenkundig niemanden. So groß war wohl der Bedarf an Arabisch-Dolmetschern, dass nicht mal die Polizei nach der Arbeitserlaubnis fragte. Im Gegenteil: Noch im Oktober 2016 schloss sie mit ihm eine Honorarvereinbarung – da hatte Amine Z. die Ausreiseverfügung bereits bekommen.

„All das zeigt doch, dass es auch im Interesse der Bundesrepublik Deutschland läge, wenn ich hier leben und arbeiten dürfte“, sagt der 36-Jährige. „Ich bin nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten und habe meinen Lebensunterhalt immer eigenständig gesichert.“ Argumente, die die Ausländerbehörde nicht gelten lässt. Es sei nicht erkennbar, dass Z. seine Promotion überhaupt noch betreibt, teilte die Verwaltung auf Nachfrage mit. Eine Aufenthaltsverlängerung könne deshalb nicht erteilt werden. Auch die Umwandlung des Studenten- in ein Arbeitsvisum sei nicht möglich.

Amine Z. hat Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht, hat sich an den Petitionsausschuss des Landtags gewandt und einen Antrag bei der Härtefallkommission des Innenministeriums gestellt. „Ich bin seit 15 Jahren hier, habe einen deutschen Bildungsabschluss. Meine Geschwister haben die deutsche Staatsangehörigkeit. Ich bin hier verwurzelt. Was soll ich in Marokko? Das ist für mich nur noch ein Urlaubsland.“

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