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Für weniger als zwei WochenGlühwürmchen gehen im Grüngürtel auf Brautschau

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Die Leuchtzellen am Schwanz erzeugen gleißendes Licht.

Die Leuchtzellen am Schwanz erzeugen gleißendes Licht.

Köln – Im Grüngürtel herrscht an diesen lauen Sommerabenden Hochbetrieb: Ein Chor probt auf der Wiese, Slackliner balancieren in luftigen Höhen. Bierflaschen klirren. Dabei bleibt das magische Spektakel gleich nebendran in den Büschen gänzlich unbemerkt. Selbst im durch Lichtverschmutzung viel zu hellen Abschnitt vor dem Grüngürtel bietet sich ein Schauspiel voller Leidenschaft: Die Glühwürmchen sind los.

Jetzt, am längsten Tag des Jahres, haben sie ihren großen Auftritt. Für nicht einmal zwei Wochen schalten sie vom Einbruch der Dunkelheit bis Mitternacht ihr magisches Leuchten ein und gehen auf Brautschau. Allerdings nur an lauen Sommerabenden. Auch in diesem Jahr haben sie sich zwischen Subbelrather Straße und Vogelsanger Straße ihren Stammplatz gesucht. „So oft bin ich hier einfach unbemerkt vorbeigeradelt“, sagt Thomas Schmidl (42), der staunend vor den Tierchen steht. „Faszinierend, das muss ich unbedingt meinem achtjährigen Sohn Bela zeigen.“

Die durch Monokulturen gerade im ländlichen Raum seltener werdenden Leuchtkäfer haben sich in Köln ein paar Nischen gesucht – außer den Grüngürtel unter anderem auch eine Fläche gegenüber der Freiluft- und Gartenschule (Freiluga) in der Belvederestraße „Wenn man dort in der Dunkelheit den Schwarm beobachtet, ist das ein erhebender Anblick“, sagt Niko Wiese, Lehrer in der Freiluga, der seit Jahren rund um den Johannistag Glühwürmchenspaziergänge für Kinder anbietet. Für ihn verbreiten die Tiere eine fast mystischen Atmosphäre. „Wen das nicht fasziniert, dem ist auch nicht mehr zu helfen“, pflichtet der Kölner Insektenkundler Karl-Heinz Jelinek vom Nabu NRW ihm bei.

Entstehung des Lichtes ist eher unromantisch

Nicht umsonst heißt es schon in „Brehms Tierleben“ von 1876 schwärmerisch über die Würmchen: „Sie strahlen einen wunderbaren, gewissermaßen Erdsterne nachahmenden Glanz aus.“ Dabei ist die Entstehung des Lichtes eher unromantisch: In den Leuchtzellen an der Bauchseite des Hinterleibes findet eine biochemische Reaktion statt. Das Leuchten wird durch die Zersetzung einer kompliziert gebauten Carbonsäure namens Luciferin erzeugt. Dabei ist der Glühwurm ein Meister der Energieeffizienz: Er verwandelt die dabei freiwerdende Energie nahezu verlustfrei in Licht um. Zum Vergleich: Eine Glühbirne macht aus elektrischer Energie nur zu fünf Prozent Licht.

Lange haben die Glühwürmchen auf ihr Spektakel hingelebt. Ein bis drei Jahre lang existieren sie als Larven am Boden, um sich an diesem einen Tag leuchtend zum Hochzeitsflug zu erheben. Dabei fliegen bei der hierzulande vorkommenden Art nur die Männchen, die gegen 22.15 Uhr eifrig leuchtend in die Luft steigen, um die am Boden verharrenden Weibchen auf sich aufmerksam zu machen. Die wiederum warten auf ein Männchen, das gefällt. Wenn die Männchen ihre Laterne löschen, beginnen die Weibchen zu leuchten, um dem Partner ihrer Wahl ein Signal zu geben.

Das Ende der kurzen Liaison ist freilich wenig romantisch: Navigiert durch das Leuchten der Weibchen, lassen sich die Männchen zielsicher auf die Partnerin fallen. Danach ist es mit der Liebe schnell vorbei: „Erst stirbt das Männchen“, erläutert Insektenkundler Jelinek. Die Weibchen legen noch Eier und folgen ihren Partnern dann in den Tod.

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