Immer mehr Müll im RheinKeine Behörde fühlt sich für den Unrat zuständig

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Köln – Eigentlich genießt Konrad Linner seine Spaziergänge, die er fast täglich am Porzer Rheinufer von Langel nach Zündorf unternimmt. Doch seit einiger Zeit ärgert sich der Mann zunehmend während seiner Touren – wegen des zunehmenden Mülls, der sich am Ufer und in den seichten Gewässern sammelt.

Das lässt sich besonders gut bei Hochwasser sehen, wenn der Fluss den Unrat ins Hinterland spült. Oder eben, wenn der Pegel – wie jetzt – sehr niedrig steht. Bei 1,40 Metern stand der Rhein am Freitag – Tendenz weiter langsam fallend. Der Durchschnitt liegt bei 3,21 Metern. Zurzeit wird also der Blick frei – auf jede Menge Plastikmüll, auf Fahrradleichen und sogar Einkaufswagen, die im seichten Wasser liegen.

Das ist beileibe kein Porzer Phänomen: Kürzlich haben Bürger an der Hohenzollernbrücke mehrere Fahrradleichen gesichtet. Linner findet, dass man den Abfall am besten jetzt – bei Niedrigwasser – aus dem Fluss fischen sollte. „Soll der ganze Müll wieder in die Nordsee? Das kann doch nicht wahr sein“, sagt er.

Besonders Plastik ein Problem

Ähnlich sehen das Umweltschutzorganisationen: „Müll hat in Gewässern nichts zu suchen. Das sind Rohstoffe, die sinnvoll recycelt werden können“, sagt Birgit Königs von der Landesgeschäftsstelle des Naturschutzbunds (Nabu). „Besonders Plastik ist ein riesiges Problem“, sagt Christin Sacher, Mitarbeiterin bei Greenpeace Köln.

Die Gruppe hat bei ihrer Müllsammelaktion „Wellemachen“ im März 2016 innerhalb von zwei Stunden drei Kubikmeter Abfall am Ufer des Rheins gesammelt. Feuerzeuge, Windeln und Fahrräder befanden sich darunter. Aber auch Babypuppen, Einweg-Plastik-Geschirr, Kunststoff-Tragetaschen, Styropor, Bierflaschen, Lebensmittelverpackungen und vieles mehr.

Es ist allerdings weniger ein technisches, sondern ein bürokratisches Problem, den Müll aus den Untiefen des Flusses am Ufer herauszuholen. Es braucht mindestens zehn Anrufe, nur um herauszubekommen, dass niemand für das seichte Gewässer in Ufernähe zuständig ist.

Wer ist zuständig für die Beseitigung des Mülls?

Die Stadt Köln verweist auf das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt, weil es sich beim Rhein um eine Bundeswasserstraße handelt. Die Behörde kümmert sich aber in erster Linie um die Fahrrinne. „Wir sorgen für die Sicherheit der Schifffahrt“, sagt Sprecher Markus Grewe, „das ist unser gesetzlicher Auftrag.“ Beseitigt würden also nur Gegenstände, die eine Gefahr für die kommerzielle Schifffahrt darstellten.

Die Verantwortung für das seichte Gewässer in Ufernähe sieht Grewe bei der Kommune. Also noch ein Anruf bei der Stadt: Man landet beim Grünflächenamt und dann schließlich bei den Abfallwirtschaftsbetrieben (AWB). Dort erklärt Sprecher Wilfried Berf: „Wir kümmern uns nur um die Stellen, zu denen wir trockenen Fußes hinkommen.“

Dort werde in der Regel binnen einer Woche gereinigt. Um in den Fluss hineinzugehen, fehle dem Team die Ausrüstung. Weitere Telefonate führen zu nichts. Vielleicht die Stadtentwässerungsbetriebe? Nicht zuständig. Oder die Bezirksregierung? Nicht zuständig. Man möge sich bitte an die Stadt wenden.

Grauzone sei „Fehler im Gesetz"

Der Bezirksbürgermeister der Innenstadt, Andreas Hupke (Grüne), hält sowohl den Müll im Strom wie auch das Kompetenz-Gerangel für einen Skandal. Die Grauzone sei ein „Fehler im Gesetz“, der schleunigst behoben werden sollte. Hupke fordert, das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt so auszustatten, dass es seiner „ökologischen Verantwortung“ nachkommen könne. Die Politik müsse schnell handeln.

Im Umweltausschuss sei das Problem allerdings im vergangenen Quartal kein Thema gewesen, sagt dessen neuer Vorsitzender Rafael Struwe (SPD), dem auf Spaziergängen die Müllansammlungen allerdings bereits „negativ aufgefallen“ seien. „Das ist kein Zustand“, sagt er, zumal verdreckte Ecken Nachahmer ermutigten, ihren Unrat dort ebenfalls zu entsorgen. „Es ist Aufgabe der Stadt und der Politik, sich um eine pragmatische Lösung zu kümmern. Da darf man sich nicht hinter Zuständigkeiten verstecken.“

Nicht nur ein Kölner Phänomen

Im Rhein liegt Müll und keiner räumt ihn weg – das ist kein Kölner Phänomen: Auch in Bonn hört die Zuständigkeit des dortigen Entsorgungsunternehmens „Bonnorange“ auf, wo das Wasser des Rheins beginnt. Die Stadt Bonn verweist ebenfalls auf das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt. Dass es aber auch anders geht, zeigt ein Blick auf die Sieg. Diese ist, anders als der Rhein, ein landeseigenes Gewässer sogenannter zweiter Ordnung. Für den Unterhalt betreibt die Bezirksregierung Köln in Eitorf einen Betriebshof. Mehrere Mitarbeiter halten mit landeseigenen Fahrzeugen und Werkzeug das Gewässer instand. Dazu zählt auch die Entsorgung von Müll am und im Wasser.

Es bleibt die Frage: Wer ist in Köln zuständig für Schutz und Reinigung des Rheins in Ufernähe? Der sichtbare Plastikmüll ist schließlich nur die Spitze des Eisberges. Die Wasserqualität hat sich im Rhein zwar in den vergangenen zehn Jahren verbessert, viele Fische und andere Lebewesen sind in den Fluss zurückgekehrt.

Andererseits hat die Universität Basel in einer Studie herausgefunden, dass der Fluss besonders mit kleinsten Plastikteilchen belastet ist. Täglich fließen 191 Millionen Teilchen oder Fasern aus Plastik durch den Rhein in Richtung Nordsee. An der Station Porz-Lind maßen die Wissenschaftler einen mittleren Verschmutzungswert von 714 000 Teilchen pro Quadratkilometer. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Verschmutzung des Rheins erheblich ist“, sagt Forscherin Patricia Holm. Woher der Plastikmüll stammt, ist bisher unklar.

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