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Indianersiedlung in Köln-ZollstockFlüchtlinge sollen eigene Häuser bauen

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Georg Brombach von der Siedlergenossenschaft in der Indianersiedlung.

Georg Brombach von der Siedlergenossenschaft in der Indianersiedlung.

Zollstock – Die Idee hat Tradition, erst Recht an diesem Ort: Die Genossenschaft der Bewohner der Zollstocker Indianersiedlung und der Kölner Architekt Bodo Marciniak möchten mit Flüchtlingen Häuser bauen, die sie später bewohnen. „Das ist ein sehr ernsthafter Versuch von umfassender Integration“, sagt der Architekt. Das, was die Bewohner und Helfer an Eigenleistung erbringen, soll das fehlende Eigenkapital ersetzen.

Vorbild ist das Projekt der Initiative „Bauen, Wohnen, Arbeiten“, die mit Marciniak auf dem Gelände der ehemaligen Kaserne Klerken in Ossendorf mit und für Obdachlose gebaut hat – ein Erfolgsmodell, dass Nachahmer sucht, findet die „Siedlergenossenschaft Kalscheuer Weg“, wie der Zusammenschluss der Bewohner der Zollstocker Siedlung am Südfriedhof offiziell heißt. Im Volksmund ist sie als Indianer-, manchem auch als Minnesota-Siedlung bekannt.

Ein Dorf für Eigenbrötler

Die Siedlung gilt als idyllisches Dorf für Eigenbrötler, Künstler, Ex-Hippies und Ex-Mitglieder der alternativen Szene in der Stadt. Das stimmt nur zum Teil – und vor allem war das nicht immer so. Ihre Geschichte begann in den 1920er Jahren mit kinderreichen Familien und Arbeitslosen, denen die Stadt Grundstücke überließ, damit sie selbst Häuser errichten konnten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg bauten hier Menschen, die ihr Heim verloren hatten, weiter. Die Stadt duldete die Eigeninitiative der improvisierenden Häuslebauer genau wie die Kleintierhaltung, die mancher zur Selbstversorgung betrieb. Mit dem Bauprojekt für Flüchtlinge knüpfen die Siedler nun an die Geschichte ihres Viertels an, das von der bunten Vielfalt improvisierter Baustile geprägt ist.

Ganz freiwillig ist die Initiative nicht: Die Stadt hat Flächen rund um die Siedlung, aber auch ihre Ortsmitte – eine grüne Wiese für Veedelsfeste, Martinssingen, Zirkusvorführungen und grasende Pferde – für den Geschosswohnungsbau im Blick. Es ist eines von vielen Arealen, über die zur Zeit diskutiert wird, um auf Wohnungsnot und Bevölkerungswachstum zu reagieren.

Wie überall in der Stadt regt sich auch in der Indianersiedlung der Widerstand. Hier will man den Plänen der Stadt aber nicht mit Fundamentalopposition begegnen, sondern mit einem konstruktiven Vorschlag einen eigenen Beitrag zur Problemlösung leisten.

Man akzeptiert, dass gebaut werden muss – auch auf dem Gelände einer Kleingartenanlage. „Wir wollen aber, dass der Charakter des gewachsenen Quartiers erhalten bleibt“, sagt Georg Brombach von der Siedlergenossenschaft. Man könne das Viertel „sinnvoll erweitern, sodass es auch mit einem anderen Bewohnerklientel weiter funktioniert“.

Das neue Vorzeigeprojekt

Die Siedlergenossenschaft schlägt vor, südwestlich der Festwiese, die unbedingt erhalten bleiben soll, eine Anlage für altersgerechtes Wohnen zu bauen. In nordöstlicher Richtung soll das neue Vorzeigeprojekt entstehen: Vierzehn Häuser mit bis zu 40 Wohneinheiten, errichtet unter tatkräftiger Mithilfe der späteren Bewohnern. Das Hauptbaumaterial könnte Massivholz sein, so Architekt Marciniak.

Die Grundrisse der Wohnungen sollen sich an den Bedürfnissen und den Familiengrößen der späteren Nutzer orientieren. Neben Flüchtlingen sollen andere auf dem Wohnungsmarkt Benachteiligte mitmachen können, zum Beispiel Alleinerziehende oder kinderreiche Familien. „Für Köln wäre es toll, wenn wir das ausprobieren könnten“, sagt Marciniak.

Bewohner sollen mithelfen

Nicht ohne Stolz verweist er auf die Erfahrungen in den Ossendorfer Kasernenhäusern, die er auch „eine erstaunliche Sozialskulptur“ nennt. 2006 wurde dort der Umbau von zwei Häusern mit 46 Wohnungen für rund 120 Menschen abgeschlossen. Für Planung, Entkernung der alten Bausubstanz, Neubau und handwerkliche Arbeiten bei der Innengestaltung waren fast zehn Jahre ins Land gegangen.

Wenn man die Bewohner einbezieht, sie zum Mitmachen anleiten will und sie dann selbst mitbauen lässt, braucht man Geduld. Die Bilanz konnte sich am Ende sehen lassen: Glückliche und stolze Bewohner hatten rund 1,2 Millionen Euro durch ihre Eigenleistung erwirtschaftet. Obdachlose, aber auch ärmere Familien, fanden ein neues Zuhause.

Die Werbung der Siedlergenossenschaft für ihre Idee ist bislang mühevoll. Die Stadt verweigere einen konstruktiven Dialog, sagt Brombach. Angesichts der vielen Appelle an die Bürger, sich zu engagieren und ihre Quartiere mitzugestalten, sei das „erschreckend“. Die Stadt verweist auf eine komplizierte rechtliche Lage: Sie will die Bebauung der Grundstücke, die ihr gehören, ausschreiben.

Die Siedlergemeinschaft wäre dann möglicherweise nur einer unter mehreren interessierten Investoren. Deshalb könne man mit ihr keine exklusiven Verhandlungen führen. Für die Genossenschaft bedeutet das nichts Gutes, so Brombach. In einem freien Wettbewerb werde man mit den großen Playern der Wohnungswirtschaft wohl nicht konkurrieren können.

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