Innenstadt – Der Beschluss der Bezirksvertretung Innenstadt, 1400 Parkplätze am Straßenrand zu entfernen, sorgte für eine Premiere in der Stadtpolitik. Kaum hatten die Bezirksvertreter ihre Entscheidung getroffen, griffen deren Kollegen im Stadtrat das Reizthema am Donnerstag in einer Aktuellen Stunde auf. Aus dem Beschluss zulasten der Autofahrer „trieft die Idee, anderen Leuten vorzugeben, wie sie zu leben haben“, klagte FDP-Ratsherr Reinhard Houben, dessen Fraktionen die Aktuelle Stunde beantragt hatte. Und weiter: „Es gibt ein Leben ohne Fahrrad.“ Der Wegfall von Parkplätzen vor der Haustür bringe nicht nur den Anwohnern Nachteile, sondern schade obendrein dem Einzelhandel, Kulturstätten und der Gastronomie.
„Der Vorschlag ist komplett überzogen“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Susana Dos Santos Herrmann. Grundsätzlich sei es sinnvoll, über eine Verringerung des Verkehrs und auch der Außenparkplätze in der City nachzudenken. Jedoch müsste die Planungen in ein Konzept für die gesamte Stadt einfließen. CDU-Verkehrsexperte Dirk Michel betonte, für die Innenstadt sei ein gewisses Angebot an Straßenparkplätzen unverzichtbar. Grünen-Ratsherr Lino Hammer konterte umgehend: „Die Innenstadt wird nicht dem Untergang geweiht sein, wenn Kunden mit dem Kennzeichen GL und BM nicht auf der Straße parken können“, sondern ihr Auto in einer Tiefgarage abstellen müssten.
Ist ein derart weitreichender Beschluss rechtens?
Darf eine Bezirksvertretung überhaupt einen derart weitreichenden Beschluss fassen? Diese Frage will Oberbürgermeisterin Henriette Reker von ihren Juristen klären lassen. Innenstadt-Bürgermeister Andreas Hupke (Grüne) hat vorsorglich eine Beratungstermin bei der Anwaltskanzlei Lenz und Johlen vereinbart. Möglicherweise würden die Bezirkspolitiker ihre Entscheidung gerichtlich durchsetzen, sagte Hupke.
Der Beschluss sieht vor, bis 2027 nach und nach die 1400 vorhandenen Parkplätze am Straßenrand in der zentralen Innenstadt entfernen. Das Vorhaben bezieht sich auf einer klar definierten Zone (siehe Karte), die sich im wesentlichen östlich des Rudolfplatzes und des Friesenplatzes bis hin zum Rhein erstreckt. Die Autofahrer sollen stattdessen die umliegenden Parkhäuser benutzen, die laut der Industrie- und Handelskammer (IHK) Köln im Jahresdurchschnitt nur zu 50 bis 70 Prozent ausgelastet sind.
Den Beschluss fassten die Bezirksvertreter von Grünen, Linken und Deine Freunde. Die CDU enthielt sich, die FDP stimmte dagegen. Die SPD scheiterte mit einem Änderungsantrag, demzufolge die Stadtverwaltung ein Konzept erstellen sollte, um zu klären, wie und in welchem die geparkten Autos auf der Straße reduziert werden könnten. Damit nahmen sie eine frühere Forderung der SPD-Ratsfraktion auf, die CDU, Grüne und FDP abgelehnt hatten.
Für nachhaltigere Nutzung des öffentlichen Raums
Die Idee von der parkplatzfreien Innenstadt wurde von den Bezirksvertretern der Linken und von Deine Freunde vorangetrieben. Sie setzen sich – ebenso wie die Grünen – für eine nachhaltigere Nutzung des öffentlichen Raums ein. „Es geht uns darum, die Dominanz des privaten Pkw-Aufkommens systematisch zurück zu führen und unsere Stadt wieder urbaner, erlebbarer und erfahrbarer zu machen“, sagt Michael Scheffer (Linke).
Bezirksbürgermeister Hupke sieht die Bezirksvertretung durch die Diskussion beinahe geehrt: „Dass wir mit einem Beschluss aus unseren Reihen eine Aktuelle Stunde im Rat erzeugen, hat es in meiner Zeit als Politiker auch noch nicht gegeben.“ Der FDP wirft er Populismus vor. Wichtig sei ihm, dass niemand eine Hauruck-Aktion wolle. Zunächst müsse die Verwaltung im Austausch mit den Parkhausbetreibern die richtigen Konditionen schaffen und erst danach dürfe es an den Rückbau der Stellplätze gehen.
Sollte es so kommen, müssen sich die Kölner allerdings darauf einstellen, dass sie für Stellplätze in den Parkhäusern mehr bezahlen müssen als für das bisherige Anwohnerparken am Straßenrand. „Mit 30 Euro im Jahr wie bislang wird man nicht hinkommen“, räumt Hupke ein. Er ist aber überzeugt, dass die Stadt gute Rabatte aushandeln könnte. Ein Dauerstellplatz in einem Parkhaus in der Innenstadt kostet zurzeit zwischen 130 und 160 Euro – pro Monat.