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Bundespräsident in Rathaus und DomSteinmeier hört sich Appell von Kölnern an

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Der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (m.) hört sich den Appell von Marianne Arndt an.

Köln – Eine Zusammenschluss aus Bürgerinitiativen hat bei einer Demonstration vor dem Rathaus am Samstagnachmittag Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Oberbürgermeisterin Henriette Reker einen Appell überreicht, die Abschiebung von Flüchtlingen zu stoppen. Mit der Aktion wollen sie die Willkommenskultur der Stadt wieder stärken.

Appell an die Politik

Für Organisatorin Marianne Arndt war es eine spontane Idee. Bei einem Kongress mit dem Titel „Still Welcome" hatte sie sich zusammen mit anderen freiwilligen Helfern, Geflüchteten und Aktivisten über die Zukunft der Flüchtlingsintegration Gedanken gemacht. „Die Abschiebepraxis ist eine doppelte Frustration für die Flüchtlinge wie für uns Ehrenamtler", sagte die Krankenhausseelsorgerin. Auch die Helfer seien zunehmend demotiviert. „Wir fragen uns, wie soll es weiter gehen." Deshalb formulierten sie einen Appell an die OB sowie einige Stadtpolitiker. 

Als sie von dem Besuch Steinmeiers hören, entscheiden sie sich spontan den Aufruf bei diesem Anlass zu überreichen.

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So zieht Arndt mit zehn weiteren Aktivisten vor das historische Rathaus. Sie haben Plakate gebastelt mit Aufschriften wie "Flucht ist kein Verbrechen". Wie genau die Übergabe laufen soll, wissen sie noch nicht. Die Polizei bittet sie, sich einige Schritte entfernt von der Zufahrt zum Rathaus zu postieren. Arndt darf die spontane Versammlung im Nachhinein anmelden.

Steinmeier hört zu

Dann fahren die Polizeiwagen vor. Eine schwarze Limousine mit Flaggen an der Seite. Der Bundespräsident steigt aus und wird von Henriette Reker begrüßt. Die Demonstranten halten ihre Plakate hoch und rufen ihr Anliegen: "Walter, wir haben einen Appel!" „Ja, bitte?" heißt die Antwort. Der Bundespräsident mitten in der Begrüßung dreht sich plötzlich um und geht auf sie zu. Marianne Arndt darf den Appell stellvertretend für die Gruppe überreichen. 

Anschließend strahlt sie über das ganze Gesicht. "Das war gut! Er war sehr nett und entgegenkommend", sagt sie. "Wir haben erreicht, dass wir an anderer Stelle gehört werden." Für den Tag hat sie ihr Etappenziel erreicht. Trotzdem müsse man wachsam bleiben, warnt die Ehrenämtlerin.  „Wir müssen Stahlbeton mit einem Akkubohrer durchbohren", beschreibt sie ihr Anliegen. "Wir haben noch einen langen Weg vor uns."

Dass ihr nun eine Anzeige droht, stört sie nicht weiter. Aufgrund der vorher vorbereiteten Plakate, hat die Polizei der Versammlung sie Spontanität aberkannt. "Ich habe mir das vorher überlegt", so die Seelsorgerin. "Für so etwas muss man Zivilcourage zeigen. Zu unserer Aktion stehe ich." 

Offizieller Besuch des Bundespräsidenten - „Schön, dat de do bes“

„Schön, dat de do bes“, sagte Kölns OB Henriette Reker dann op Kölsch in ihrer Begrüßungsrede im Hansasaal. „Der Dom und die Sangesfreude haben Sie heute nach Köln geführt.“ Anlass von Steinmeiers Besuch waren nämlich der 175. Geburtstag sowohl des Zentral-Dombau-Vereins (ZDV) als auch des Kölner Männer-Gesang-Vereins (KMGV), der Bundespräsident wollte das bürgerschaftliche Engagement in der Stadt würdigen.

Vertreter von Initiativen und Verbänden

Auf Steinmeiers ausdrücklichen Wunsch, wie er betonte, waren Vertreter von Initiativen und Verbänden eingladen, die sich engagieren: „Köln stellt sich quer“, „Arsch huh“, der Katholikenausschuss, ZDV, KMGV, aber natürlich auch viele Politiker, allen voran Noch-NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (62, SPD) und viele Stadtverordnete.

Dennoch ging es auch um die große Politik. „In unserer Stadt treffen verschiedenste Lebensentwürfe und Lebensschicksale aufeinander – zum Beispiel Menschen aus 180 Nationen“, betonte Reker. „Wir grenzen niemanden aus.“

Deutliche Worte an die Ditib

Auch auf die rund 130.000 in Köln lebenden Türken ging Reker ein: „Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um Ihnen, Herr Bundespräsident, für die unmissverständlichen Worte zu danken, mit denen Sie allen polarisierenden Einflüssen, die von außen in die türkischen Gemeinden unserer Stadt getragen worden sind, im vergangenen Jahr und noch im früheren Amt begegnet sind.“ Bekir Alboga, Generalsekretär des von der Türkei gesteuerten Moscheevereins Ditib, schaute ziemlich betreten drein.

Steinmeier selbst betonte: „Die Gelassenheit, mit der man in Köln manchen Aufgeregtheiten begegnet, ist sehr angenehm. Es geht doch darum, Maß und Mitte zu halten — und die Kirche auch mal im Dorf zu lassen. Die Kölner lassen nicht nur die Kirche im Dorf, sondern den Dom in Kölle“, sagte der Präsident. „Aber weder die kölsche Gelassenheit noch Toleranz und Mitgefühl sind selbstverständlich.“

Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Köln

Das Lied vom Dom in Kölle handele auch von Heimat. „Heimat ist, wo ich verstanden werde. Heimat ist, wo ich verstehe“, stellte Steinmeier fest. „Aber Heimat verändert sich. Durch uns selbst, durch die, die zu uns kommen. Aber sie muss als Heimat erkennbar bleiben. Und ich danke Ihnen, dass wir miteinander daran arbeiten können, dass wir in diesem Land und in dieser Stadt miteinander leben können.“

Gleich danach trugen sich Bundespräsident Steinemeier und seine Ehefrau ins Goldene Buch der Stadt Köln ein, die Oberbürgermeisterin stand — mit der etwa zwei Kilogramm schweren Amtskette auf den Schultern — daneben.

Dann verließ der Bundespräsident das Rathaus und fuhr zum Dom, wo er und seine Frau eine private Führung durch Dompropst Gerd Bachner und Dombaumeister Peter Füssenich erlebten — im komplett leeren Dom. Um 18.00 Uhr ging es in die Philharmonie — zum Festakt „175 Jahre Zentral-Dombau-Verein“. (red)

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