Dä längste Desch vun KölleKein Tisch, aber viele nette Leute im Severinsviertel

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Dä längste Desch vun Kölle im Severinsviertel

Köln-Severinsviertel – Ein Straßenfest in der Severinstraße schmückt sich damit, alljährlich den längsten Tisch von Köln aufzubauen. Als Kölnerin mit Vorliebe für spontanen Plausch, die noch nie am „längste Desch vun Kölle“ gesessen hat, mache ich mich auf den Weg in die Südstadt. Ein langer, langer Tisch voller Menschen – das klingt gut.

Dicke Kränze von Knoblauchwurst drücken in der Kühltheke gegen die Glasscheibe. Dahinter eine Verkäuferin in weißem Hemd und roter Schürze. Rot-weiß ist alles bei der Metzgerei Stürmer. Für das Straßenfest „Dä längste Desch vun Kölle“ stehen rote Sonnenschirme und weiße Stehtische vor dem Eckladen.

Der Straßenfestexperte

An einem dieser weißen Tische steht „Fosen, Günter“ in roter Jacke. Im Hintergrund bumst Schlagermusik. Mit rauchiger Stimmfarbe erzählt er: „Ich kenne alle Straßenfeste. Ich bin hier im Severinsviertel geboren, 1938, da war alles noch kaputt hier. Da ham die anjefangen mit e'ner Holzbud! Meine Frau hat hier bei Stürmer Metzgereifachverkäuferin gelernt, die is' aber leider nicht mehr“, erzählt Günter Fosen. Er holt einmal tief Luft und erzählt weiter: „Früher war es gemütlicher hier. Da haben die Frauen noch  zusammengesessen, die Männer haben sich an der Theke getroffen, ihr Zigarettchen geraucht,Witze erzählt. Heute ist es hektischer. Hat ja keiner mehr Zeit. Die rennen immer weiter. Ich trink mir dat Bierchen, dann geh ich nochmal gemütlich vor zur Severinstorburg. Vorne auf der Bühne treten all die kölsche Mädche und Junge op, herrlich!“ Was man denn hier am besten essen kann,will ich wissen. „Hämmchen, Schnitzel, Frikadellen.Mettschnittchen sin janz lecker. Wenn se da Blutwurst holen – sehr gut! Flönz säht ma in Kölle!“ 

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Ein Imbiss-Besitzer

Kurz vor dem Karl-Berbuer Platz steht Hassan vor der großen Fensterscheibe seines Imbiss-Geschäfts. Zwei kleine Stehtische mit Barhockern hat er hingestellt mit Blick auf das Gebäck in der Fensterauslage: Simit, Pide, Börek. Rechts dreht sich ein Dönerspieß. Hassan erzählt auf Türkisch: „Iki bin dörtten ben de bu sokaktayım – seit 2004 sei er auf der Severinstraße, die kenne er wie seine Westentasche. „Erst hatte ich weiter unten ein Restaurant.“ Doch mit den Bauarbeiten für die U-Bahn wurde das Geschäft schlecht und Hassan musste seinen Laden schließen. Übergangsweise habe er dann am Chlodwigplatz in einem Kiosk gearbeitet. „Jetzt habe ich das hier“, erzählt er lächelnd, „ich koche und verkaufe.“ „Kolay gelsin – Frohes Schaffen“ wünscht ihm ein Vorbeigehender mit zum Gruß gehobener Hand.

Eine echte Kölsche

Vor dem Brauhaus Schmitze Lang sitzt Liese, an einer kleinen Biergarnitur, aber nicht an einem langen, langen Tisch. Den suche ich nach wie vor in der Severinstraße. Für eine Kölschlänge setze ich mich zu ihr. Sie beschreibt sich als „echte Kölnerin, am 11.11. geboren“. Zum Fest komme sie schon lange. „Wenn ich hier so sitze, das ist wie eine urkölsche Kneipe, man hört kölsche Töne, das ist Heimat.“ Im Hintergrund läuft „Ich und Du“ des deutschen DJ-Duos „Gestört aber GeiL“ aus Erfurt. „Ich brauche die Atmosphäre schon mal. Dafür komme ich extra aus Sülz.“ Mit dem Rad sei sie angereist, „das ist ein ganz schönes Stück“, die 70 habe sie immerhin schon gepackt.

Zwei „Neue“ beim Fest

Jeyan schaut suchend die Häuserfassaden hoch. Am Hirschgäßchen vor dem Imbiss Hayati laufen wir uns fast in die Arme. Jeyan und ihr Mann Barvari sind das erste Mal im Severinsviertel. Eigentlich wohnen sie in Nippes. Den Ausflug machen sie, weil „unsere Tochter Liva tritt heute hier auf, sie hat eine Ballettaufführung. Sie ist acht und tanzt seit fünf Jahren. Die Aufführung ist um drei.“ Bis dahin wollten sie sich ein bisschen umschauen. „Schön hier! Sehr schön“, lautet das erste Urteil. Das Straßenfest kennt das Paar nicht. „Wir haben uns gerade gefragt, ob das eine Art Flohmarkt ist.“ Dann müssen beide los, zum Auftritt.

Treue Besucherinnen

Kurz vor der Severinstorburg: An einem Tisch mit Blick auf das Stadttor stehen zwei Frauen. Beide: graues Haar, Schal, Brille, Bier. Der Anorak – einmal lachsfarben, einmal grau. „Wir kommen von der Schäl Sick aus Mülheim.“ Seit 30 Jahren sind sie befreundet, seit ein paar Jahren kommen sie zum „längste Desch“. „Viel hat sich eigentlich nicht verändert, bis auf den Umbau“, sagt die Frau in grau. „Viele neue Leute, die hier hergezogen sind, das ist anders, ja“, erklärt die in Lachs.

Mittlerweile hat Günter Fosen sein Kölsch bestimmt schon ausgetrunken. Zwischen Hassan am Karl-Berbuer Platz und den Damen an der Severinstorburg finde ich etliche kleine Tische und nette Gespräche, nur „Dä längste Desch vun Kölle“, der ist wohl Geschichte und nur noch ein Werbegag.

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