Ex-Schulleiter im Interview„Viele Eltern wollen, dass Kinder kölsche Lieder lernen“

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Fast täglich kommt der Ex-Schulleiter in die Südstadt.

Fast täglich kommt der Ex-Schulleiter in die Südstadt.

Köln-Südstadt – Ein wenig verspätet erscheint Bruno Praß zum Interview nachmittags in einem Südstadt-Café - der Verkehr, sagt er zur Entschuldigung. Er wohnt in Esch, der Weg in die Innenstadt ist weit und die Straßen verstopft.

Als er noch die Grundschule am Zugweg leitete, habe er die Entfernung zwischen Arbeit und Zuhause zu schätzen gelernt, als Gelegenheit, sich „mental vorzubereiten“ auf den Tag. Der 68-Jährige wirkt ausgeglichen und wach, wie jemand, der sich dafür nie groß anstrengen musste. Im Café bestellt er eine Tasse Kaffee, schwarz und ohne Zucker. Sie wird kalt, bevor er sie in den kurzen Pausen, die er beim Erzählen lässt, austrinken kann.

Sie sind seit 2014 im Ruhestand. Fahren Sie noch oft in die Südstadt?

Alles zum Thema Cat Ballou

Ich bin fast täglich hier. Ich bin ja nach wie vor in der Schule tätig, leite die Kölsch AG und habe offiziell einige Stunden Vertretungsunterricht, vor allem im Sprach- und Förderbereich, übernommen.

Ist das komisch für Ihre Kollegen?

(Lacht.) Ich habe kein Problem damit. Ich bin froh, dass die Stelle des Schulleiters wieder besetzt ist. Hauptverantwortlich sind jetzt andere.

Fast täglich kommt der Ex-Schulleiter in die Südstadt.

Fast täglich kommt der Ex-Schulleiter in die Südstadt.

Ist Ihnen der Abschied schwer gefallen?

Nein. Ich habe meine Zeit gehabt und bin wie geplant in Ruhestand gegangen. Und ich unterstütze die Schule dabei, ihre Traditionen zu pflegen.

Damit meinen Sie die Brauchtumspflege und die Sprache?

Ja. Das gehört sogar zum Schulprofil. Die Schule nimmt seit 1951 an den Schull- un Veedelszöch teil, ein Jahr bevor der Zug offiziell ins Programm genommen wurde. Auch die Schulsitzung hat eine lange Tradition. Und die Kölsch-AG ist, soweit ich weiß, die älteste ihrer Art. Meine Vorgängerin hat sie 1981 eingeführt. Heute gehört sie zum Angebot des Offenen Ganztags.

Unter anderem dafür sind Sie vor kurzem mit dem Severinsbürgerpreis ausgezeichnet worden. Sie bringen Kindern die kölsche Sprache bei. Ist das notwendig?

Das gehört zur Brauchtumspflege. Es gibt viele Eltern, die wollen, dass ihre Kinder kölsche Lieder und die Sprache ihrer Heimatstadt kennenlernen.

Was haben die Kinder davon?

Kinder singen einfach gerne und interessieren sich für kölsches Liedgut. Deshalb kommen viele in die Kölsch-AG. Das ist zumindest meine Erfahrung. Die Sprache des Wohnortes, der Heimatstadt Köln zu kennen, halte ich für wichtig. Kinder identifizieren sich dadurch mit ihrer Stadt. Ich versuche, ihnen auch ein wenig Geschichte zu vermitteln.

Schafft die Sprache eine Verbindung zwischen den Generationen?

Ja, auf jeden Fall. Aber das ist für die Kinder nicht immer der Grund, auch wenn sie damit vielleicht dem Opa eine besondere Freude machen. Die Sprache ist in den vergangenen 20, 30 Jahren wieder wichtiger geworden, nachdem Kölsch lange verpönt war.

Kommen die Kinder von alleine auf die Idee, die Kölsch-AG zu besuchen?

Einerseits gibt es die Kinder, die das Interesse von Zuhause mitbringen, weil in den Familien noch Kölsch gesprochen wird. Andererseits singen Kinder gerne, egal welcher Nation sie angehören. Damit integrieren wir auch ganz leicht Kinder aus Zuwandererfamilien.

Das heißt, die Kinder kommen über die Musik zur Sprache?

Ja. Wir treten regelmäßig mit kölschen Liedern auf, in der Adventszeit auf dem Severinskirchplatz, auf Weihnachtsfeiern, in Seniorenheimen, an Karneval. Die Kinder lernen die Texte auswendig und verinnerlichen sie. Sicher verstehen nicht alle alles. Aber das Singen macht ihnen einfach Spaß.

Das ist aber nicht cool, oder?

Doch. Die Kinder finden es cool aufzutreten. Und wir singen nicht nur alte Lieder. Wir greifen auch Aktuelles auf: Cat Ballou, Kasalla - das kennen die Kinder und das wollen die singen.

Wäre es nicht wichtiger, etwa Computerkurse anzubieten?

Das machen wir. Kinder brauchen Liebe. Dass man sie ernst nimmt. Und dass sie gerüstet sind, sich zurecht zu finden. Wenn sie in Köln wohnen, heißt das, dass sie die Sprache kennenlernen, der sie im Alltag immer wieder begegnen. Sie brauchen ja nur ins Stadion zu gehen, da werden auch kölsche Lieder gesungen. Das ist nicht vergleichbar mit anderen Städten.

Welche Bedeutung hat denn eine Schule wie die Grundschule am Zugweg für das Viertel, in dem sie liegt?

Die Schule gibt es seit 117 Jahren. Es gibt viele Ehemalige, die uns die Treue halten, zur Karnevalssitzung kommen und an ihr mitwirken. Unsere Sitzungsband zum Beispiel gibt es seit 1975. Brauchtumspflege heißt auch, in Kontakt zu bleiben. Übrigens, weil wir gerade über Integration gesprochen haben: Unsere Schule ist die erste mit bilingualem Unterricht deutsch-italienisch.

Ach, das wusste ich gar nicht.

Das kommt daher, dass hier im Viertel eine ganze Reihe Italiener leben. Es gab im Gebäude mal eine zweite Schule für ihre Kinder. Dann wurde der muttersprachliche Unterricht am Nachmittag eingeführt. Die Erfolge waren überschaubar. Deshalb haben wir das in den Vormittag gelegt. Seit 2001 sind wir bilinguale Schule. Und das hat den Erfolg der italienischsprachigen Kinder gesteigert. Nicht nur die italienischen Kinder, auch Kinder anderer Nationen haben so die Gelegenheit, gemeinsam die italienische Sprache zu lernen.

Italienisch und Kölsch...

Wir sind eigentlich trilingual. Und es gibt genügend italienische Kinder, die in der Kölsch-AG sind. Insofern integrieren wir sehr umfassend.

Vita

Bruno Praß, 68, verheiratet, leitete die Grundschule am Zugweg von 2001 bis 2014, zuvor unterrichtete er in Nippes. Er wurde für sein Engagement für die Kölsche Sprache mit dem Severinsbürgerpreis ausgezeichnet. Praß wuchs in der Eifel auf und kam mit seinen Eltern 1961 nach Köln. Er lebte in Klettenberg, Nippes und wohnt heute in Esch. Er ist aktiv im Karneval, etwa als Baas des Stammtischs Kölner Karnevalisten und als Vorsitzender der Nippeser Dorfmusikanten. Praß spielt Gitarre und singt in mehreren Bands, die sich dem Krätzjer und kölschen Couplets widmen. 

Steckbrief

Südstadt ist für Sie?

Das kölsche Flair, das man etwa auf der Severinstraße spürt.

Was stört Sie an der Südstadt?

Es hat sich vieles gewandelt. Wohnungen werden modernisiert und und teilweise unbezahlbar. Viele Alteingesessene mussten die Südstadt verlassen, weil sie die Mieten nicht bezahlen konnten. „Tünnes un Schäl wissen nicht mehr, wo sie hin sollen“, sagt ein Freund immer.

Wo gehen Sie gerne aus?

Ich bin gerne im Alten Brauhaus auf der Severinstraße.

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