SemesterstartKölns Studenten-Viertel wieder im Ausnahmezustand

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Kerstin Heine bedient im Café Krümel.

Kerstin Heine bedient im Café Krümel.

Innenstadt – Jetzt zu Semesterbeginn könnte Said Salami manchmal sechs Hände gebrauchen. Vorne an der Kasse seines Copy-Shops an der Kerpener Straße hat sich auch an diesem Tag eine Schlange gebildet, hinten piepst ein Drucker vor sich hin. Eine leere Kartusche, ein Blatt, das sich im Kopiergerät verfangen hat? Der umtriebige 68-jährige Iraner, der mit Ruhestand nichts im Sinn hat, drückt auf ein paar Knöpfe und der Automat läuft wieder, wendet sich einer Studentin zu, die Fragen hat wegen einer Masterarbeit, die sie drucken lassen will.

Trotz des Stresses lächelt der Mann: „90 Prozent meiner Kunden sind Studenten von der Uni“, sagt Salami. Und wenn die Studenten kommen, brumme daher auch sein Geschäft.

Mit der Rückkehr der Studenten brummt auch der Rest des Zülpicher Viertels. Im Dornröschenschlaf befindet sich die beliebte Flaniermeile zwar nie. Aber wenn 51.500 angehende Akademiker auf dem Campus lernen, befindet sich das Viertel in einem schönem Ausnahmezustand.

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In der vorlesungsfreien Zeit waren die Hochschüler noch im Urlaub, in der Heimat bei den Eltern oder haben zu Hause an Seminararbeiten getüftelt. Viele mussten jobben, um sich das Studium im kommenden Semester leisten zu können.

Lena (24) war zum Beispiel im Urlaub in New York und hat den Rest der Ferien bei den Eltern in Münster verbracht. „Jetzt Anfang Oktober kommen wir wieder alle aus unseren Löchern“, sagt sie und lacht.

KVB setzt Sonderzüge ein

Auf dem Albertus-Magnus-Platz, der in den vergangenen Wochen mitunter völlig verwaist dalag, tummeln sich plötzlich die Erstsemester, die sich den Weg in den richtigen Hörsaal erfragen, oder in Kolonnen mit Vertretern der Fachschaften das Areal erkunden.

Die KVB setzt in den Stoßzeiten morgen und abends Sonderzüge ein, um die Studenten nach Sülz zu transportieren, und dennoch hat man manches Mal das Gefühl, dicht gedrängt zu stehen wie in einer Sardinenbüchse.

Selbst manchen Studenten ist der Auflauf in den ersten Tagen des Semesters zu viel. „Es ist wie in einem Hühnerstall“, sagt Lara Jelonek. „Ich habe die Uni noch nie so voll gesehen.“

Die meisten freuen sich aber auf das Treiben auf dem Campus: Ich finde es super, dass man so viele Leute aus der ganzen Welt treffen kann“, sagt Hannah Ladwig (18), die im ersten Semester Sozialwissenschaft studiert. Angehende Akademiker, die schon länger dabei sind, sehen es gelassen: „Am Anfang ist viel los“, meint Lisa Werth (25). „Das legt sich aber auch wieder.“

Wie viel Geld die Studenten jährlich in Köln lassen

Auch beim Kölner Studierendenwerk herrscht Hochbetrieb. Die Mitarbeiter im Bafög-Amt mussten 5,1 Prozent mehr Anträge als im Vorjahr bearbeiten. 10.000 Anfragen erreichten die Wohnabteilung, die die begehrten Wohnheimplätze verteilt.

„Meine Mitarbeiter stemmen doppelt so viel wie sonst“, sagt Henning Durst von der Hochschulgastronomie des Studierendenwerks. Statt 3000 Mahlzeiten, die die Köche in den Ferien zubereiten, sind es nunmehr 7000 Portionen. Schließt die Uni-Mensa in der vorlesungsfreien Zeit bereits um 14.30 Uhr, ist sie nun bis 21 Uhr geöffnet, und ebenfalls am Samstag.

Viel zu tun ist immer, schließlich werden in den Mensen und Cafeterien des Studierendenwerks pro Jahr 2,5 Millionen Mahlzeiten verkauft, darunter 150.000 Schnitzel und 1,4 Millionen Tassen Kaffee. „Im Oktober geht es aber für uns immer in die heiße Phase“, sagt Durst.

Auch die benachbarten Geschäftsleute profitieren von der Rückkehr der Studenten. Die Stadt schätzt, dass die etwa 100.000 Kölner Studenten jährlich 800 Millionen Euro in der Stadt ausgeben. Ein Drittel davon kommt der Wohnungswirtschaft zugute, weitere 25 Prozent fließen in den Einzelhandel.

Wie viel davon in Sülz bleibt, wurde zwar nicht ermittelt. Aber es wird wohl ein großer Batzen sein, weil an der Universität etwas mehr als die Hälfte aller Kölner Studenten lernt. Hinzu kommen 17.000 Mitarbeiter an Uni und Uniklinik.

„Ohne Studenten geht hier nichts“, meint jedenfalls Wolfgang Neuhaus, Inhaber des Café Krümel. Das Krümel gilt seit 36 Jahren als eines der beliebtesten Studentencafés im Viertel.

„Damals standen die Studenten um 10 Uhr, wenn wir aufmachten, Schlange“, erinnert sich Neuhaus. Heute sei das Publikum gemischter, tränken Anwohner und ältere Semester ihren Kaffee und ihr Bier zusammen mit den Studenten, die etwa 50 Prozent seiner Kunden ausmachten.

Die angehenden Akademiker kämen allerdings öfter in den Abendstunden als zwischen den Seminaren. Durch die Bologna-Reform sei das Studium mittlerweile so verschult, dass zu wenig Pausen entstünden, um noch schnell mal ins Krümel zu laufen, sagt Studentin Kerstin Heine, die im Krümel arbeitet.

Und die Nachbarn? Sind sie genervt von all den Studenten? „Nein, ich freue mich auf die jungen Leute“, sagt Anne-Sophie Mundt. Allerdings bekomme sie in ihrer Straße, dem Weyertal, von den Studenten wenig mit. „Die meisten kommen nicht weiter als bis zur Zülpicher Straße.“

Ein Anwohner der Wilhelm-Waldeyer-Straße sagt stoisch: „Die Studenten kommen und gehen wie der Wechsel der Jahreszeiten.“

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