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InterviewMatthias Reim über seine Krankheit, sein neues Album und seine Kinder

Lesezeit 4 Minuten
Matthias Reim beim Interview im Jahr 2016. (Archiv)

Matthias Reim beim Interview im Jahr 2016. (Archiv)

Köln – „Ich ziehe durch die Straßen bis nach Mitternacht“ – den Rest des Liedes kann wohl jeder mitsingen. Vor 25 Jahren feierte Matthias Reim mit „Verdammt ich lieb’ dich“ einen seiner größten Erfolge. Jetzt startete er am vergangenen Wochenende – nach längerer Auszeit – seine Comeback-Tournee.

Herr Reim, Sie sind mehrere Monate wegen einer Herzmuskelentzündung ausgefallen.

Ja, Mister „Unverwundbar“ war verwundbar. Und genau diese Erkenntnis hat mich erschüttert. Ich war immer Mister „Ich-Kann-Alles“ und musste leider erkennen, dass ich das plötzlich nicht mehr war. Da kommt man wirklich schwer ins Grübeln. Doch ich bin schon durch sämtliche Höllen dieser Welt gegangen und jedes Mal wieder aufgestiegen.

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Haben Sie ein Geheimrezept für diese Kraft?

Das Geheimrezept ist: Ich will! Wenn man sagt „Ich will“, dann schafft man auch alles. Und dann wird man auch wieder gesund.

Zur Person

Matthias Reim (58) ist Pop- und Schlagersänger und lebt derzeit mit Lebensgefährtin Christin Stark (26), ebenfalls Schlagersängerin, am Bodensee. Im Rahmen seiner Comeback-Tournee, die vergangenen Samstag im sächsischen Kamenz startete, kommt er auch für ein Konzert nach Köln: am 28. September (20 Uhr) im E-Werk. Tickets sind ab 46 Euro erhältlich.

Wie hat die Krankheit Ihr Leben verändert?

Ich halte mein Leben nicht mehr für selbstverständlich. Früher bin ich immer auf die Bühne gegangen und habe gesagt: „Ja, ich rocke die!“ Heute weiß ich unterbewusst, dass ich dankbar dafür sein kann, wenn mein Körper das überhaupt mitmacht. Auf der anderen Seite möchte ich aber genau diese Einstellung wieder loswerden, weil sie meine Zuversicht und meinen Optimismus behindert. Ab jetzt bin ich einfach ein bisschen vorsichtiger.

Was machen Sie denn da genau?

Ich habe zum Beispiel meine Terminpläne verändert. Früher war jeder Tag voll und das habe ich jetzt halbiert. Ich möchte nicht fix und fertig bei einem Konzert ankommen und dann sagen: „Oh Gott, das machen wir jetzt schnell.“ Ich will nicht mehr „noch schnell“ machen, sondern ich will genießen. Und dafür nehme ich mir einfach die Zeit. Auch in meinem Privatleben: Letztes Jahr habe ich mir einen großen Wunsch erfüllt. Ein eigenes Boot. Mit dem fahre ich jetzt immer über den Bodensee, genieße die Ruhe und mache mein Handy einfach mal aus.

„Ich bewundere einen Leonard Cohen, der mit 82 Jahren noch verdammt gute Konzerte gibt."

In Ihrer Pause haben Sie aber auch gearbeitet und kommen jetzt mit dem neuen Album „Phoenix“ zurück. Wie viel steckt da von Ihnen persönlich drin?

Ja, der „Phoenix“ ist wieder da! Er war mal kurz in der Asche und jetzt steht er wieder da, mit ausgebreiteten Armen. Das neue Album ist zum Teil während meiner Auszeit entstanden. Das hört man an den intensiveren Songs wie „Stoppschild“ oder „Zu früh um zu gehen“. Es geht darum, was man sich wünscht, wovor man Angst hat und womit man sich auseinandersetzen muss. Jeder Mensch hat seine Probleme. Ich kann sie beschreiben und den Leuten Geschichten erzählen, denen sie im Zweifelsfall selber schon begegnet sind.

Ihr großer Hit „Verdammt ich lieb’ dich“ ist jetzt schon 25 Jahre her. Wird es auch noch die nächsten 25 Jahre Matthias Reim geben?

Ich will es hoffen! Aber wenn ich mal so rechne, ist das gewagt. Ich bewundere einen Leonard Cohen, der mit 82 Jahren noch verdammt gute Konzerte gibt. Das möchte ich auch erreichen. Sonst sitze ich irgendwann auf Wolke neun und beiße mir in den Arsch vor Wut, weil ich nicht alles an Konzerten, Lebensfreude und Spaß mitgenommen habe. Doch ich hinterlasse auch viel, auf das ich stolz bin. Wie zum Beispiel einen Riesenhaufen Kinder, die alle meine Gene tragen.

„Man braucht einfach eine gewisse Grundintelligenz, Lebenserfahrung und eine große Allgemeinbildung, um wirklich die Herausforderungen einer langen Musikkarriere bestehen zu können."

Treten Ihre Kinder in Ihre Fußstapfen?

Keine Ahnung! Zwei haben auf jeden Fall mein musikalisches Gen geerbt. Doch wenn sie mich fragen würden, „Papa, kannst du mich produzieren?“, wäre meine Antwort „Nein“. Sie sollen erstmal Abitur machen und studieren. Wenn sie dann mit Mitte 20 immer noch Musik machen wollen, können wir noch mal darüber reden. Man braucht einfach eine gewisse Grundintelligenz, Lebenserfahrung und eine große Allgemeinbildung, um wirklich die Herausforderungen einer langen Musikkarriere bestehen zu können. Meinen Erfolg mit „Verdammt ich lieb’ dich“ hatte ich mit 32 Jahren. Wenn ich den schon mit 18 Jahren gehabt hätte, wäre ich wahrscheinlich jetzt Drogenkönig und Vollalkoholiker. Das will ich für meine Kinder nicht.

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