Interview mit Mobilitätsforscher„Pendeln bedeutet Kontrollverlust“

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Mit Bahn und Autos pendeln 315.000 Menschen täglich nach Köln.

Mit Bahn und Autos pendeln 315.000 Menschen täglich nach Köln.

Köln – Mehr als 315.000 Menschen pendeln täglich nach Köln, um zu arbeiten. Der Mobilitätsforscher Simon Pfaff erklärt, warum so viele Kölner Arbeitsreisende sind und das nicht grundsätzlich schlecht sein muss

Wie lange war Ihr Weg zur Arbeit heute Morgen?

Wenn alles glatt läuft, bin ich 75 Minuten mit dem Zug unterwegs. Ich lebe in Mannheim und arbeite in Wiesbaden.

Sie sind also Pendler.

Ganz genau. Ein Pendler ist man grundsätzlich, wenn man eine Distanz zwischen Wohn- und Arbeitsort zurückzulegen hat. Hier wird zwischen Nah- und Fernpendlern unterschieden. Ein Fernpendler ist jemand, der mindestens 50 Kilometer oder 60 Minuten zwischen Wohn- und Arbeitsort auf sich nimmt. Nahpendler sind alle Menschen, die darunter liegen. Für uns sind beide Gruppen interessant.

In Köln pendelt fast die Hälfte aller Erwerbstätigen, Tendenz steigend.

Das ist nicht ungewöhnlich. Seit Jahrzehnten sind in Deutschland eine steigende Pendelmobilität und weniger Umzüge zu beobachten. In Köln ist es zusätzlich so, dass die Erwerbsmöglichkeiten da sind, und die Infrastruktur, etwa die Zugverbindung nach Frankfurt oder Hamburg, sich zunehmend verbessert hat. Die Arbeitnehmer nehmen die Distanz auf sich.

Zusätzlich sind immer mehr Frauen im Job und es gibt mehr Doppelverdiener-Haushalte. Pendeln bietet die Möglichkeit, Umzüge zu vermeiden und den Wunscharbeitsplatz zu erreichen. Durch die Bereitschaft zum Pendeln können individuelle Wohnpräferenzen eher verwirklicht werden. Einer von weiteren Gründen sind befristete und projektbezogene Beschäftigungsverhältnisse.

Was macht Pendeln mit uns?

Pendeln hat unterschiedliche Vor- und Nachteile. Es erhöht die individuellen Möglichkeiten, verursacht aber auch Stress und wirkt sich negativ auf die Gesundheit aus. Läuft das Pendeln nicht so wie geplant, bedeutet das auch Kontrollverlust. Eine ganze Reihe von Studien zeigt, dass Stress, Burn-out-Symptome, Schlafprobleme und Verspannungen Folgen des Pendelns sein können. Auch die Lebenszufriedenheit, sagt die Wissenschaft, nimmt mit steigender Entfernung zum Arbeitsplatz ab. Vor allem an Freizeit und Erholung mangelt es Fernpendlern häufig.

Köln ist eine Pendlerstadt. Deutlich über 300.000 Menschen kommen regelmäßig hierher, um zu arbeiten. Auspendler gibt es landesweit nur in Münster weniger. Pendelt und lebt es sich in Köln besser als anderswo?

Vor allem die Chancen, erwerbstätig zu sein, sind in Köln gut. Das zieht Menschen an. Ebenso gibt es hier – im Vergleich zum ländlichen Raum – eine sehr gute Verkehrsinfrastruktur. Anderseits sind die Straßen und Bahnen voll. Ob man in Köln besser oder schlechter als in anderen Städten pendelt, ist schwer zu sagen und kommt schlussendlich auf die Vergleichsdimension und konkrete Lebenssituation des Pendlers an.

Es gibt immer mehr Kölner, die Stadt wächst. Wie wirkt sich das auf das Pendeln aus?

Insofern, dass Verkehrsdichte und der Konkurrenz um Wohnraum zunehmen. Mehr Menschen müssen räumlich ausweichen, das erhöht die Pendelmobilität in der Stadt.

Herr Pfaff, zum Abschluss eine Frage für alle Frustrierten, die auf dem Weg zur Arbeit in Köln oder in der Region derzeit lange warten müssen: Hat das Pendeln auch etwas Positives?

Selbstverständlich. Ich kann mein gewohntes soziales Umfeld erhalten und gleichsam meine beruflichen Ziele erreichen. Mit dem Pendeln steigen die Chancen auf Arbeit und ein höheres Einkommen. Kindern und Familie muss kein Umzug zugemutet werden. Einige Pendler betrachten den Arbeitsweg als Freizeit, nutzen ihn zum Musik hören oder lesen. Wenn man das Pendeln bestmöglich für sich nutzen kann, ist das nur positiv.

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