JahrestagDas Hänneschen auf Nazi-Kurs

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Beim Umzug dabei: „Hänneschen“ Hans Berschel und „Bärbelchen“ Berta Wetzels (Mitte), umrahmt von „Schäl“ Karl Funk nd „Schnäuzerkowski“ Willi Seuser.

Beim Umzug dabei: „Hänneschen“ Hans Berschel und „Bärbelchen“ Berta Wetzels (Mitte), umrahmt von „Schäl“ Karl Funk nd „Schnäuzerkowski“ Willi Seuser.

Köln – Es war Karneval im Hochsommer, sogar mit einem eigenen Zoch – und den ließen sich die Kölner natürlich nicht entgehen: Am 29. Juli 1938 zog das Hänneschen-Theater um, vom alten Domizil in der Sternengasse zum Eisenmarkt, wo noch heute Theater gespielt wird. Der Standortwechsel wurde groß gefeiert, ausführlich illustriert ein Bildband, der im Kölnischen Stadtmuseum aufbewahrt wird, den „festlichen Umzug der Puppenspiele der Hansestadt Köln“ (Köln durfte sich damals Hansestadt nennen).

Wat hück passet, kütt ovends op et tapet!

Tausende Kölner bejubelten das Spektakel, das wie der Zoch ein Motto hatte: „Mer han et jeschaff, et Hännesche trick öm.“ Hans Molitor, der Verwaltungsdirektor der Städtischen Bühnen, amtierte als Zugleiter, hoch zu Roß folgten einige Herolde. Symbolisiert wurde der Umzug durch einen großen Möbelwagen, der mit Requisiten aus der Sternengasse, darunter einer alten Kanone, dekoriert war.

Mit dem Umzug des Hänneschen galt die „Altstadtsanierung“ als abgeschlossen. Das städtische Theater sollte nach dem Willen der Stadtverwaltung dem einst anrüchigen Bordell- und Vergnügungsviertel einen seriösen Ruf verschaffen. Doch das Hänneschen folgte auch in anderer Hinsicht den Vorgaben der NS-Obrigkeit, man war, dem Zeitgeist entsprechend, auf Nazi-Kurs eingeschwenkt, Texte wurden – „wat hück passet, kütt ovends op et tapet!“ – der herrschenden Ideologie angepasst.

Es traf vor allem Juden, die, mit Hakennasen versehen, als „rassisch minderwertig“, hinterhältig und betrügerisch dargestellt wurden. Selbst in dem als „Volksstöckelche us dem Levve“ angekündigten Stück „Kreppchensmacher“, mit dem die Bühne zwei Tage später Premiere feierte, wurde das deutlich.

„Kreppchensmacher“ zeichnete die Entstehungsgeschichte des Theaters nach, eine der Puppen stellte den jüdischen Pferdehändler Abraham Schmul dar, einen habgierigen Bösewicht und ausbeuterischen Halsabschneider. Schmul habe die Gründung des „Hänneschen“ fast verhindert, so die reichlich konstruierte Story – die aber nahtlos in die politische Wirklichkeit passte.

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