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Zwangsversteigerung in KölnHausgemeinschaft wehrt sich

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Die Hausgemeinschaft will das Haus kaufen, um es vor dem Zugriff von Investoren zu retten.

Die Hausgemeinschaft will das Haus kaufen, um es vor dem Zugriff von Investoren zu retten.

Kalk – Der Brief vom Kölner Amtsgericht kam Ende Januar, sein Inhalt war wenig geeignet, die Adressaten zu erfreuen. Ihr Haus in zentraler Lage in Kalk, hieß es in dem offiziellen Schreiben an die Bewohner der Robertstraße 12, werde zwangsversteigert. Der Termin sei auf den 26. März festgesetzt. Seitdem formiert sich unter den 14 Bewohnern der Widerstand.

Denn deren Beziehungen untereinander gehen weit über das sonst übliche nachbarschaftliche Verhältnis hinaus. „In den letzten Jahren sind wir nicht nur zu einer Hausgemeinschaft zusammengewachsen, wir sind auch alle untereinander befreundet. Wir leben auf vier Etagen wie in einer WG und wir wollen hier wohnen bleiben,“, sagt Johannes Schmitt, der wie seine Mitstreiter befürchtet, dass ein Verkauf des Hauses auch das Ende ihres langjährigen Zusammenlebens bedeutet. Die Bewohner haben deshalb einen Entschluss gefasst: Sie wollen bei der Zwangsversteigerung mitbieten und das Haus selbst kaufen. Das Besondere dabei: Mit Hilfe eines speziellen Vertragskonstrukts wollen sie sich verpflichten, das Haus später nicht mehr gewinnbringend zu veräußern. Es würde damit, so der Plan, dauerhaft dem Immobilienmarkt entzogen.

„R12“ haben sie ihr Hausprojekt, in Anlehnung an die Adresse, genannt. Es ist der Versuch, der Entwicklung auf dem unter Druck geratenen Kölner Wohnungsmarkt etwas entgegenzusetzen und billigen Wohnraum zu erhalten. Denn dass Alteingesessene durch steigende Mieten aus ihren Vierteln verdrängt werden, wird zunehmend zum Problem. Die Koalition in Berlin verhandelt derzeit über eine Mietpreisbremse, die Landesregierung NRW prüft, ob Städte Luxussanierungen und Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in begehrten Gegenden künftig verbieten können. Und die Stadtverwaltung in Köln bereitet eine Wohnraumschutzsatzung vor. Bereits im vergangenen Sommer hat sich in Köln die Initiative „Recht auf Stadt“ gegründet, die mit ihrer Aktion „Alle für Kalle“ erst kürzlich für Aufsehen sorgte.

Jahrelange Eigeninitiative der Mieter

Christiane Niesel wohnt seit 13 Jahren in der Robertstraße 12 und erinnert sich noch an die Zeit, als es für jedes Zimmer Einzelmietverträge gab. „Bad und Küche gab es nicht, die Dusche war im Zimmer eingebaut“, sagt die 46-Jährige. Dann ergriffen die Bewohner die Initiative, schlossen sich zu einer WG zusammen, bauten in ein Zimmer ein Bad ein, funktionierten ein anderes zu einer Gemeinschaftsküche um. Die Kosten trugen sie selbst und minderten dafür die Miete. Es folgten weitere Instandhaltungsarbeiten. „Wir haben das Dach geflickt, wenn es rein regnete, einen Hauptsicherungsschalter legen lassen, kaputte Leitungen repariert und den Schornsteinfeger bezahlt“, zählt Johannes Schmitt auf. Die Vermieter hätten sich um nichts gekümmert. „Ohne uns wäre das Haus heute abrissreif.“

Unglücklich waren die Hausbewohner, anders als man vermuten könnte, über diesen Umstand nicht. „Die Vermieter haben die Verantwortung für das Haus praktisch an uns übergeben und wir sind darüber zu einer Gemeinschaft zusammen gewachsen“, sagt Jenny Bertram, die seit fünf Jahren dabei ist. Doch nun sehen sie ihr selbstverwaltetes, für einen künftigen Eigentümer aber womöglich inkompatibles Wohn-Modell in Gefahr. Die jetzigen Vermieter, eine Erbengemeinschaft, haben ihnen signalisiert, dass es mehrere Kaufinteressenten gebe.

Zuversicht in der Robertstraße

305.000 Euro ist das Mindestgebot beim Versteigerungstermin Ende März, zehn Prozent müssen direkt hinterlegt werden, um mitbieten zu können. Eine erhebliche Summe, doch die Bewohner der Robertstraße sind zuversichtlich, dass sie die Finanzierung hinbekommen, vorausgesetzt, die anderen Bieter treiben den Preis nicht zu hoch. Denn mit ihrer Initiative stehen sie nicht allein: Es gibt ein Netzwerk, das Gruppen wie der „R12“ hilft. Das 1992 in Freiburg gegründete „Mietshäuser Syndikat“ hat bundesweit bereits an rund 80 selbstverwalteten Hausprojekten mitgewirkt, 32 stehen in Warteposition. Über die Jahre ist so ein umfangreiches Know-how entstanden, das das Netzwerk an neue Projekte weitergibt. Das Syndikat bietet seinen Mitgliedern Beratungen in Vertrags- und Finanzierungsfragen an und es verfügt über Kontakte zu Banken als möglichen Kreditgebern (siehe „Start in Freiburg“). Die Ehrenfelder Hausgemeinschaft „3Lessi3“, benannt nach ihrer Adresse Lessingstraße 33, ist bereits seit 2007 ein Syndikats-Projekt und berät die Kalker Gruppe zurzeit. „Ein solches Projekt ist anspruchsvoll und viel Arbeit, weil man alles selbst regeln muss, von der Buchhaltung, über die Finanzierung bis zur Vereinsgründung und Bauplanung“, sagt Gesine Schütt von 3Lessi3. „Aber es ist machbar.“ Zumindest die Bietersumme haben die Bewohner der Robertstraße schon beisammen. Innerhalb von drei Wochen sammelten sie bei Freunden, Familien und Sympathisanten Privatkredite in Höhe von mehr als 30 000 Euro ein.

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