Rather SeeEin smaragdgrünes, glasklares Paradies in Köln

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Spiegelglatte Oberfläche, glasklares Wasser – Peter Waltenberger (76) ist glücklich, dieses Naturparadies entdeckt zu haben.

Spiegelglatte Oberfläche, glasklares Wasser – Peter Waltenberger (76) ist glücklich, dieses Naturparadies entdeckt zu haben.

Rath – Jürgen Drews kann mir gestohlen bleiben. Mag er mit seinem Bett im Kornfeld noch so erfolgreich sein, ich will keins. Ich möchte heute einen Schlafplatz mit Seeblick. Jetzt, bei unserer vierten See-Etappe, sollte das endlich mal drin sein. Je näher das Zielgebiet rückt – dieses Mal ist es der Rather See –, desto mehr weicht die Hoffnung, und zuletzt eröffnet sich nur der Blick aufs Kornfeld – Roggen, um genau zu sein.

Egal. Dafür lernt Fanny, meine Berner Sennenhündin, an diesem Mittwoch türkisfarbenes und smaragdgrünes Wasser kennen und Zweibeiner, die beim Schwimmen ähnlich viel anhaben wie sie selbst.

Die 76-jährige Cilly (eigentlich Cäcilie) Löcher schwimmt bereits um Viertel vor sieben im Rather See, während ihr Mann am Ufer die Stellung hält. „Die Leute wissen gar nicht, was sie hier für ein Paradies haben“, sagt der 75-jährige Willi Löcher.

Das Ehepaar aus Neubrück kommt seit mehr als 20 Jahren im Sommer nahezu täglich morgens in der Früh und befürchtet, dass dies nach Fertigstellung der geplanten Wasserski-Anlage nicht mehr möglich sein wird. „Für uns verschlechtert sich dann alles.“

Kommerzialisierung des Rather Sees

Es falle Schwimmbad-Eintritt an, obwohl sie „nur 20 Minuten ins Wasser“ wollten, keine Toiletten bräuchten und auch keine Gastronomie. „Die größte Sorge oder Ungewissheit besteht aber darin, ob man den See künftig überhaupt noch umrunden kann.“

Für die Sommerserie „Ein Tag am See“ fährt Redakteurin Susanne Hengesbach an einem Tag mit dem Campingbus zu einem Kölner See, Weiher oder Baggerloch und beschreibt ihre Erlebnisse bei Tag und bei Nacht. Begleitet wird sie von Berner Sennenhündin Fanny und Fotograf Christoph Hennes.

Willi und Cilly Löcher sind nicht die Einzigen, die einer Teil-Kommerzialisierung des Gewässers skeptisch gegenüberstehen. „Die Leute hier wollen gar nicht, dass eine Wassersportanlage gebaut wird“, meint Stephan Schaaf.

Der Rentner gehört ebenfalls zu denen, die regelmäßig in der Früh textilfrei ihre Bahnen ziehen. „Hier fliegen Wildgänse in großen Schwärmen mit lautem Geschrei über den See. Das ist so was Tolles, noch dazu mitten in der Stadt.“

Etwas Weißes schießt um die Ecke, eine Amerikanische Bulldogge, der Besitzer Jörgen Fahrig vorausschauend „einen deeskalierenden Namen“ verpasst hat, indem er sie „Klausi“ nannte. Ich erfahre von Fahrig, dass er bereits hier geschwommen ist, „als es die Hochhäuser in Neubrück noch nicht gab“.

Der Immobilienkaufmann weist zum gegenüberliegenden Ufer, wo Jürgen von Reth Grauwacke und Edelsplitt verlädt. „So wie es aussieht, sind wir Ende des Jahres hier raus“, schätzt der Baggerfahrer und rollt weiter über das Terrain, wo das Freizeitparadies hinsoll.

Wir laufen weiter am Ufer entlang und treffen Günter Schwarz nebst Peter Tassani mit Dackel Krümel. Tassani weiß am besten, wann wo die Brombeeren reif sind, denn er pflückt sich immer welche fürs Frühstücksmüsli.

Für meinen Hund Fanny und mich sind die beiden Rentner die besten Gelände-Scouts, die wir uns wünschen können. Sie zeigen uns eine Entenfamilie mit acht Kleinen, deuten auf einen Kormoran im Landeflug und immer wieder auf offen und versteckt zurückgelassenen Grillreste.

Jemand muss erst vor kurzem Müll angekokelt haben, die Feuerstelle ist noch warm. „Es ist paradox! Die Leute kommen, weil sie es schön haben wollen, und erwarteten, dass der Dreck weg sei, wenn sie wiederkommen.“

Er sei nur hier, „wenn es nicht voll ist“, erklärt Andreas. „Mir ist der Zugang zur Natur extrem wichtig als Ausgleich zum Lärm in der Stadt.“

Stresspotenzial in den Sommerferien

Nachdem die Auskiesung des Rather Sees fast abgeschlossen ist, plant Investor André Honerbach an einer Seite des in privater Eigentümerschaft befindlichen Gewässers ein Strandbad mit Gastronomie und zwei Wasserskibahnen. Ein Großteil des Ufers bliebe dann für die Öffentlichkeit gesperrt. (she)

Peter Waltenberger (76) wohnt im Zentrum Kölns und hat den See „durch Zufall vor zwei, drei Jahren entdeckt“. Diesmal hat er Müllsäcke und Handschuhe dabei und wird nach dem Schwimmen einsammeln, was er am Ufer findet.

Auch Roswitha Sasse tütet ein. Sie kommt am Nachmittag extra aus Bergisch Gladbach-Bensberg, um Brombeeren zu pflücken und Natur zu genießen. Letzteres tut Jürgen Richartz „während der Sommerferien nicht so oft“. Da sei ihm „das Stresspotenzial zu hoch“.

Dass wir den Vorsitzenden des Angelvereins am Steg antreffen, liegt nur daran, dass wieder jemand einen der Kähne unter Wasser gedrückt hat. „Manche Badegäste finden Booteversenken witzig“, sagt der 50-Jährige und blickt über die türkis schimmernde Wasseroberfläche. „Wissen Sie, dass wir hier Trinkwasserqualität haben?“

Er sei schon im Alter von 13 Jahren mit dem Angelsport in Berührung gekommen, erzählt der Kölner, der durchaus verstehen kann, dass die geplante Wasserskianlage insbesondere für jüngeres Publikum attraktiv sei. Andererseits habe er gehofft, dass der seit 1974 bestehende Angelverein in die Planung miteinbezogen worden wäre „und dass man das Konzept so harmonisiert, dass alle Interessengruppen was davon haben“.

Wenn das Gelände nicht mehr zugänglich sei und die bestehenden Wege zurückgebaut worden wären, werde das die Leute dennoch nicht abhalten, sich weiterhin illegal Zugang zum See zu verschaffen.

Eine Gänsefamilie nutzt eine aus dem Wasser ragende Europalette als Laufsteg ins Wasser. Dass ein paar Meter weiter junge Leute im Wasser quietschen, stört die Vögel nicht.

Meine Fanny schnuppert an einem Häuflein mit Sonnenblumen- und Kürbiskernschalen mit Kronkorkendekoration. Nach all den Eindrücken wirkt sie erschöpft. Ich bin es auch und beschließe den Heimweg. Schon von weitem sehe ich das Knöllchen unterm Scheibenwischer. Mensch, Drews, weshalb hast du total verschwiegen, dass das Parken am Kornfeld nicht gratis ist?

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