Kölner KarnevalDie besten Künstler vom Vorstell-Marathon

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Die Kölsch Cats.

Köln – Knapp 50 unterschiedliche Karnevalsnummern mit Rednern, Bands und Tanzgruppen in rund 15 Stunden Sitzungsprogramm an drei Tagen: Der Auftakt des Vorstell-Marathons an diesem Wochenende brachte selbst manch hartgesottenen Literaten und Programmgestalter leicht ins Schleudern. Gelacht, gesungen und geschunkelt wurde mit der Kajuja im Theater am Tanzbrunnen, mit dem Literarischen Komitee des Festkomitees in der Flora und dem Kreis rheinischen Karnevalisten (KrK) in der Wolkenburg. Und da war so einiges, für den Sitzungskarneval durchaus Vielversprechendes mit dabei. Hier ein Überblick:

Gut, ganz so neu im Geschäft ist Dave Davis (43) ja nicht. Doch nun wagt sich der Comedian, der einst in der „Night Wash“-Show von Knacki Deuser angefangen hatte, auch auf die Karnevalsbühne. Dafür hat der 1973 in Köln geborene Komiker mit Eltern aus Uganda die Figur des Klomannes Matombo – in seinem aktuellen Programm nur noch eine Randerscheinung – wiederbelebt und mit einen Vielzahl an aktuellen Sprüchen und Gags ausgestattet. Wie Davis zu „positivem Denken“ aufforderte, die Integration und das Bild der Frauen beleuchtete und dazu den Deutschen („Meine Albino-Äffchen“) – vor allem sprachlich – den Spiegel vorhielt, riss das Publikum regelrecht von den Sitzen: „Warum ist ein Kreißsaal eckig und warum heißt eine Fernsehzeitschrift »Hör zu«?“

Er wurde schon mit tosendem Applaus empfangen, als er zur Bühne schritt und in die Bütt kletterte; Volker Weininger als leicht angetrunkener „Sitzungspräsident“ wurde den Vorschusslorbeeren mehr als gerecht. Gekonnt witzelte er über All-Inclusive-Hotels, und Halloween, mittelalterliche Weihnachtsmärkte und Sportübertragungen im Fernsehen. „Ich habe nie verstanden, wie man beim Biathlon nur Zweiter werden kann. Man hat doch ein Gewehr.“

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Jahrelange Erfahrungen und bundesweite Auszeichnungen im Comedy- und Kabarett-Bereich sind noch lange keine Garantie, dass man auch auf der Karnevalsbühne ankommt. Das Publikum merkt sehr schnell, wer sich mit Köln und dem Fastelovend auseinandergesetzt hat und wer nur mit einem Potpourri aus alten Programmen im Karneval abkassieren will. Während Davis gefeiert wurde, fielen dessen Comedy-Kollegen Horst Fryguth (50), der als Ex-Waldorf-Schüler zwar seinen Namen tanzen konnte, aber ansonsten blass blieb, und Heinz Gröning („Der unglaubliche Heinz“) mit Parodien zur Gitarre beim Kajuja-Publikum regelrecht durch. Das war nichts. Da fiel sogar der Höflichkeitsapplaus äußerst sparsam aus. Das Festkomitee schickte die aus Aachen stammende Anne Vogd ins Rennen, die schon in der Mainzer Fastnacht aktiv ist und auf dem Weg zu den Sälen nach Düsseldorf in Köln Station machte. Ihre Sprüche über den Alltag mit drei Kindern kamen gut an. „Mein Sohn räumt sein Zimmer erst dann auf, wenn das W-LAN-Signal nicht mehr durchkommt.“

Nach seiner Karnevalspremiere im Vorjahr räumte Michael Hehn als „Nubbel“ diesmal so richtig ab. „Das ist die perfekte kölsche Reimerede“, war man sich in der Flora einig. Der Lehrer vom Hansagymnasium zog über Kläävbotze, Föttchesföhler und Schruppsüffer her und ätzte gegen den alltäglichen Verkehrsstau in der Stadt und den Ganzjahreskarneval. Ebenfalls in feinem Kölsch plauderte Ralf Knoblich am Tanzbrunnen als „Knubbelisch vum Klingelpötz“ über den Alltag im Gefängnis („Antänzer sind Spezialisten für rhythmische Eigentumsübertragung“) sowie Erlebnisse aus der Stammkneipe. Herrlich kölsch und so richtig bekloppt kamen die beiden „eineiigen Cousins“ Bernd und Wolfgang Löhr daher. Mit Verzällchern und Krätzchen sorgten sie für allerhand Lacher. Besonders gut gelungen: das Krätzchen vom „Steh-Tisch-Fetisch“. Darin konnte sich so mancher wiederfinden.

Im Sog von Kasalla und Cat Ballou sind eine ganze Reihe an jungen Bands entstanden, die nicht nur schön kölsch singen, sondern das Publikum auch musikalisch und textlich überzeugen. Diese Gruppen werden in absehbarer Zeit so manch alteingesessene Band aus der zweiten und dritten Liga hinter sich lassen.

Bei der Kajuja waren dies neben den schon fast als etabliert geltenden fünf Jungs von Miljö vor allem Fiasko mit recht rockigen Titeln, Pläsier mit drei singenden und musizierenden Frauen in der ersten Reihe und das Quartett Lupo, bei dem der Einsatz einer elektrischen Geige und einer Posaune aufhorchen lässt.

Beim Komitee traten mit dem musikalisch sehr gut eingespielten Quintett Dave Zwieback, der Rockband Kempes Finest und dem Swing-Ensemble Kölsch Cats drei Gruppen an, die im Vorjahr beim „Loss mer singe“-Casting gewonnen hatten – dazu die Köbesse und als echte Neulinge die Schülerband King Loui. Die wurden als erste „Eisbrecher“ auf die Bühne geschickt – und das machte das Quartett richtig gut.

Auch richtigen Nachwuchs galt es zu bewundern: Die Kajuja stellte den elfjährigen Damian Andres aus dem belgischen St. Vith ans Mikrofon, dessen Vater Edgar Anders es als „Bonte Pitter“ vor Jahren mal ohne nennenswerten Erfolg beim KrK versucht hatte. Der Kleine macht es besser. Er hatte seine Reden gut gelernt, auch wenn man einigen Pointen anmerkte, dass sie in zurückliegenden Jahrzehnten schon mehrfach im Einsatz waren. Doch das machte Damien mit kindlichem Charme wett. „Wie alt wir ihn schätzen, wollte mein Lehrer wissen. Da habe ich spontan 42 gesagt. Warum? Mein Bruder ist 21. Und das ist ein Halbidiot.“ Mit dem Kinder-Bonus gingen beim Festkomitee Jan Arne Wirths als „Et schlaue Pitterche“ mit Witzen aus der Schule sowie Celina Domscheit und Max Röhrig („Zilli un Mattes“) mit Pointen zu Fußball und einer Shopping-Tour in der City an den Start.

Schon gut in Form zeigten sich die Tänzer und Mariechen von den Kölschen Harlequins und von den Rheinmatrosen, von den Kölschen Domputzern und von den Blauen Jungs. Und auch der „echte“ Nachwuchs überzeugte: neben den Strunde Pänz vor allem die Minis der Rheinmatrosen. Da zeigte alleine schon die Größe der Gruppe, dass dort die Atmosphäre und die Chemie stimmt. Für die tanzenden Pänz gab es viel Applaus und stehende Ovationen. Zu recht.

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