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KinderbetreuungTagesmütter fürchten um Existenz

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Tagesmutter Viola Wegner mit Noah (13 Monate, links) und Felix (23 Monate)

Tagesmutter Viola Wegner mit Noah (13 Monate, links) und Felix (23 Monate)

Köln – Für Viola Wegner könnte es der letzte Sommer als Tagesmutter gewesen sein. Nach 19 Jahren. So lange betreut die ausgebildete Erzieherin Kinder, die jünger sind als drei Jahre. Sollte jedoch die geplante Neuregelung der Verwaltung zur Vergütung von Tagesmüttern beschlossen werden, hängt Viola Wegner ihren Job an den Nagel. „Dann höre ich auf“, sagt sie: „Es rechnet sich einfach nicht.“

Beim Verwaltungsgericht Köln sind derzeit 86 Klagen auf Zuweisung eines U-3-Betreuungsplatzes anhängig, teilt die Verwaltung mit. In den Verfahren versuchten Eltern einen Platz in ihrer Wunsch-Kita zu erstreiten oder lehnten einen angebotenen Platz bei einer Tagesmutter ab. Die Stadt betont, dass in keinem der Klagefälle das betroffenen Kind tatsächlich ohne Betreuung sei. Die Verwaltung sei bemüht, sich außergerichtlich mit den Eltern zu einigen. Nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom August ist der Rechtsanspruch auf einen U-3-Platz erfüllt, wenn die Stadt einen solchen in zumutbarer Entfernung anbietet – auch wenn es nicht der von den Eltern bevorzugte Platz sein sollte. (og)

Der Grund für den Unmut der Tagesmutter: Die Stadt möchte Eltern von Unter-Dreijährigen entlasten, deren Kind von einer Tagesmutter betreut wird – jedoch zum Nachteil der Betreuenden. Wie Jugenddezernentin Agnes Klein dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ bestätigte, soll der Satz, den Tagesmütter von der Stadt erhalten, zwar von derzeit 3,50 pro Kind und Stunde auf fünf Euro angehoben werden. Im Gegenzug aber sollen sich die Tagesmütter verpflichten, keine weiteren Zuzahlungen von Eltern zu verlangen, wie es derzeit üblich ist. Unter den Tagesmüttern herrscht deshalb große Unruhe. Sie befürchten starke Einnahmeverluste, einige wollen – wie Wegner – sogar aufgeben.

Die Stadt arbeitet zurzeit die Novellierung der Vergütungsvorgaben aus, die in den kommenden Wochen den politischen Gremien vorgelegt werden soll. Ziel sei es, dass die neue Reglung bereits am 1. November in Kraft trete, sagt Klein. Damit würde Köln Kommunen wie Bonn oder Düsseldorf folgen, die ähnliche Verfahren bereits praktizieren.

Zuzahlung löst Beschwerden aus

Wegen der Zuzahlung an die Tagesmütter „erreichen uns viele Beschwerden von Eltern“, berichtet Klein. Sie fühlten sich ungerecht behandelt, weil sie für die Tagesmutter mehr zahlten als für einen Kita-Platz. Zurzeit erhalten Tagesmütter für Unter-Dreijährige von der Stadt 3,50 Euro pro Kind und Stunde und handeln mit den Eltern eine Extrazahlung aus, etwa für Verpflegung oder Windeln. „Ich kenne Fälle, in denen die Eltern 4,50 Euro zuzahlen müssen“, sagt Klein, womit der Stundensatz bei acht Euro läge. Das sei rechtlich zulässig. Ziel sei es aber, dass die Betreuung bei einer Tagesmutter nicht teurer sein solle als die in einer Kita, begründet die Dezernentin ihren Vorstoß.

Tagesmütter sollen demnach von der Stadt pro Kind stündlich fünf Euro erhalten oder 5,50 Euro, wenn sie für ihre Tätigkeit Räume anmieten. Diese Sätze werden nur dann gezahlt, wenn die Tagesmütter sich verpflichten, keine weiteren Zahlungen von den Eltern zu verlangen. Tagesmütter hätten aber auch künftig die Wahl, ob sie nach der Neuregelung vergütet werden wollten, oder wie bisher 3,50 plus frei ausgehandeltem Elternbeitrag berechnen wollten. Die Änderung werde den Stadtetat um „mehrere Millionen“ belasten, sagt Klein. Den Betrag von fünf Euro hält sie für ausreichend, auch wenn ihr Tagesmütter berichtet hätten, dass mindestens sieben Euro angemessen seien. Dass manche Tagesmutter unter den Bedingungen aufgeben wollen, seien „Einzelentscheidungen“.

Alle Kita-Plätze belegt

Diese könnten indes schmerzhaft werden. Denn aktuell sind sämtliche Plätze in Kitas besetzt. Nur bei Tagesmüttern sind noch rund 700 Plätze frei. Viola Wegners Plätze werden bald wohl nicht mehr darunter sein. Sie kümmert sich von acht bis manchmal 19 Uhr um drei Kinder im Alter von 19 bis 23 Monaten. Bei einem Satz von fünf Euro käme sie auf rund 1400 Euro monatlich – brutto. Davon zahlt sie die Mehrkosten an Strom und Wasser für die Kinder, kauft Spielzeug, kocht täglich und finanziert ihren Anteil an Kranken-, Renten- und Unfallversicherung.

Eveline Gerszonowicz vom Bundesverband für Kindertagespflege in Berlin hat Verständnis für Wegners Sorgen. Sie hält einen Stundensatz von fünf Euro für „nicht leistungsgerecht“, da die Tagesmütter davon Spielzeug und Verpflegung zahlen müssten. Der Betrag sei nur dann akzeptabel, wenn er ausschließlich für die Erziehungsleistung gelte und die Stadt für Sachleistungen zusätzliche Mittel bereitstelle, sagt Gerszonowicz. Erst dann sei vertretbar, dass die Tagesmütter auf Zuzahlungen der Eltern verzichteten.

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