Kölner LandgerichtKronzeuge schildert Brutalität der Drogenbande

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Bandenkopf Ali M. (r.) und Verteidiger Gottfried Reims

Bandenkopf Ali M. (r.) und Verteidiger Gottfried Reims

Köln – Bülent T. (41, alle Namen geändert) ist am Mittwochmorgen der wohl am besten bewachte Mann im Kölner Justizzentrum. Polizisten in Zivil mit Knopf im Ohr und bewaffnete Beamte in Uniform drängen sich vor und in Saal zwei um den Mann, der als Kronzeuge im Prozess gegen eine fast zehn Jahre lang agierende Drogenbande aus Porz-Finkenberg aussagen soll.

T. hat im Ermittlungsverfahren die fünf Angeklagten ans Messer geliefert, auf seiner Aussage basiert die Anklage. Seitdem ist er im Zeugenschutzprogramm, strengste Sicherheitsvorkehrungen gelten für den Mann, der im Zeugenstand eher beiläufig erzählt, wie alles anfing: vor neun Jahren, als Drogenboss Ali M. im Alter von 24 Jahren im Gefolge von rund 40 Komplizen auf offener Straße in Finkenberg einen offensichtlich in Ungnade gefallenen Kumpel mit der Waffe bedrohte und sogar zweimal auf ihn schoss.

„Ich war neugierig, habe die Konfrontation damals zufällig miterlebt“, erzählt Bülent T., der in Finkenberg aufwuchs („Man kannte sich untereinander“) und zu diesem Zeitpunkt die Macht des deutlich jüngeren Drogenbosses zu spüren bekam: „Wer mich verpfeift, bekommt ein Problem“, soll Ali M. gedroht haben.

Wochen später nahm M. den Augenzeugen in seine Bande auf, Widerspruch schien zwecklos. T. sollte Drogen verkaufen, angeblich verschwand dann ein Paket mit 800 Gramm Marihuana, und T. wurde in der Hierarchie der Bande sozusagen zum Leibeigenen, nachdem er zuvor im Auftrag des Drogenchefs am Baggersee in Gremberghoven zusammengeschlagen wurde.

„Ich sollte den Gegenwert der angeblich verloren gegangenen Drogen abarbeiten“, erinnert sich T. an die Zeit, als er „Laufbursche, Schuldeneintreiber und Aufpasser“ wurde. „Da fing das Martyrium an.“

T. arbeitete jeweils von 12 Uhr bis 24 Uhr, mal als Aufpasser auf dem Dach, dann wieder als Portionierer für die Drogen: „Jeden zweiten Tag kamen ein bis zwei Kilogramm Marihuana und 150 Gramm Kokain, die ich abpacken musste.“

„Wir durften nicht reden“

Offensichtlich gehörten zu der Bande deutlich mehr Männer als die fünf Mann, die derzeit auf der Anklagebank sitzen. Allein auf den Stockwerken der Hochhäuser waren regelmäßig Posten stationiert: „Wir durften nicht miteinander reden, Kontakt nur über das Handy halten“, erinnert sich T. an die Vorgaben des Drogenbosses, der angewiesen hatte: „Wenn Gefahr im Verzug ist, Polizei oder das Ordnungsamt gesichtet werden, sollte ich laut pfeifend durch das Treppenhaus gehen.“

Auch die jeweiligen Etagen, auf denen sich die Drogen-Wohnungen befanden, erhielten Alias-Namen: „Ich bin bei Aldi“ bedeutete beispielsweise siebter Stock, Hochhaus Theodor-Heuss-Straße. „Lidl“ war ein Stockwerk tiefer. In der Brüsseler Straße hieß es dann: „Ich bin in Brasilien oder Frankreich“ für Etage vier und sieben.

Heimlich mit dem Handy gefilmt

Weil T. zwischendurch obdachlos wurde, wohnte er vorübergehend auch in einer der leerstehenden Wohnungen, ohne fließend Wasser, nur einer Matratze auf dem Boden. Hin und wieder ging er seiner eigentlichen Arbeit nach, jobbte als DHL-Fahrer, Lackierer und Anstreicher. Dann musste er von seinem Monatslohn 1000 Euro an den Drogenboss abgeben. Andernfalls, drohte der dem Familienvater, „passiert deinen Kindern was.“

Weil er den Druck nicht länger aushielt, ging T. im Sommer vergangenen Jahres zur Polizei und sagte aus. Er legte ein Video vor, das er heimlich mit dem Handy aufgenommen hatte: Es zeigt ihn beim Drogenkauf im Treppenhaus in Finkenberg, einer der Angeklagten agiert darauf als Verkäufer. Im Dezember war die Bande dann festgenommen worden.

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