KommentarAm Breslauer Platz zeigt sich Köln von seiner schlechtesten Seite

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Breslauer Platz1

Tristesse in grau: Der Breslauer Platz ist eine große, öde Freifläche.

Köln – Stadtplätze können Schaufenster sein für großartige Architektur, Bühnen für pulsierendes Leben. Im besten Fall sind es Orte, in denen sich die Atmosphäre einer ganzen Stadt komprimiert. Der Breslauer Platz ist nichts von alledem.

Im Gegenteil: Er ist ein Referenzobjekt für schlechten Geschmack, für städtebauliche Sünden und für fehlende Verantwortung. Leider ist er für unzählige, mit der Bahn anreisende Besucher auch der erste Eindruck von Köln – und gleichzeitig die allerschlechteste Visitenkarte, die diese Stadt abgeben kann.

Es gibt viele Gründe für den desolaten Zustand des Areals an der Nordseite des Hauptbahnhofs. Über allem aber steht: Hier ist alles Stückwerk, von zentraler Planung keine Spur. Doch damit nicht genug, es geht immer noch schlimmer. So beginnen heute die Bauarbeiten für einen silbrig glänzenden, sieben Meter hohen Obelisken, gestaltet von der Künstlerin Rita McBride und gestiftet von der Sparda-Bank.

Sicher eine gute Tat, aber an völlig falschem Ort. Was der Breslauer Platz braucht, ist kein Kunstwerk im Kreisverkehr, sondern eine klare Linie. Doch davon ist der Platz weiter entfernt denn je.

Reisende sehen seltsam uninspiriert wirkende Freifläche

Denn welches Bild bietet sich dem Reisenden, der den Hauptbahnhof auf der Nordseite verlässt? Er blickt auf eine seltsam uninspiriert wirkende Freifläche, die keinen Anfang hat und kein Ende, sondern sich irgendwie im Straßenraum auflöst. Das erste Gebäude, das er sieht, ist (je nach gewähltem Ausgang) eine Würstchenbude, deren Kacheloptik an ein 80er-Jahre-Badezimmer erinnert – oder ein Pavillondach auf dünnen Säulen über dem Eingang zur U-Bahn. Eine Architektur aus dem Jahr 2011, die schon jetzt aus der Zeit gefallen wirkt – zumindest an diesem Ort.

Die Idee, der alles beherrschenden Bahnhofshalle samt ihren später angebauten, weit auskragenden Vordächern aus Glas mit den Betonstelzen über der U-Bahn eine völlig gegensätzliche Struktur entgegenzusetzen, funktioniert nur sehr bedingt. Allerdings liegt unterhalb der Säulenhalle gleich auch die beste Architektur des ganzen Platzes: Die Haltestelle Breslauer Platz/Hbf, entworfen von den selben Architekten, ist eine der elegantesten und schönsten Stationen der neuen Nord-Süd-Bahn. Doch sie liegt eben unter der Erde.

Oben dagegen findet sich auf der zentralen, mit Baumarkt-Platten in Streifenmuster belegten Freifläche das zentrale Gestaltungselement: eine Art Brunnen, bestehend aus sieben kümmerlichen Wassersäulen, die vornehmlich genutzt werden, um hier Trinkflaschen aufzufüllen, Füße zu zu waschen und Zähne zu putzen. Dass die Wasserspiele nachts farbig beleuchtet werden, macht sie nicht besser – im Gegenteil.

Einzig der zur Zeit auf der Nordseite des Platzes entstehende Neubau des Bürohauses „Coeur Cologne“ könnte ein Lichtblick werden. Der klar strukturierte, in schlichtem Schwarz-Weiß gehaltene Bau setzt einen Ruhepunkt an den sonst grell geschminkten Platzrändern. Zentraler Unruhestifter ist dabei das Kommerzhotel aus den 1970er Jahren. Eine Architektur, die aus musealen und denkmalpflegerischen Gründen sicher erhaltenswert ist. Die aber ansonsten an derart zentraler Stelle heute genauso deplatziert wirkt wie der danebenliegende, langsam verfallende Busbahnhof, an dessen Rändern inzwischen ungehindert Gras und Unkraut wachsen.

Musical-Dome bleibt der größte Sündenfall

Der größte Sündenfall auf dem Platz ist und bliebt aber das blaue Musical-Zelt. Jene Politiker, die damals die Aufstellung des Zeltes befürworteten, haben Bild und Image der Stadt keinen Gefallen getan – auch wenn man seinerzeit vielleicht noch nicht ahnen konnte, dass sich das als Provisorium gedachte Zelt als derart zäh und langlebig erweisen sollte. 

Allerdings gibt es in Köln wohl kaum einen Ort, an dem so viele Interessen wie Besitzansprüche aufeinander treffen. Vor allem die als extrem schwieriger Verhandlungspartner bekannte Bahn und ihre vielfältigen Tochterunternehmen, die Stadt, private Eigentümer, die Interessen von Taxifahrern, Busunternehmen und allen Kölnern, die den Bahnhof auch mal mit dem Auto anfahren möchten – der Zuständigkeitswirrwarr ist jedoch auch bequeme und oft gewählte Ausrede für das lang andauernde Entscheidungsvakuum.

Zwar existiert seit 2008 eine Rahmenplanung für die gesamte Fläche bis hinunter zum Rhein, ausgearbeitet vom Architekturbüro Büder + Menzel, den Planern der U-Bahn-Station samt Säulenhalle. Doch Baudezernent Franz-Josef Höing scheint gewillt, diese noch einmal zu überarbeiten. Das ist inhaltlich sicher geboten, doch passieren wird dadurch auf Jahre hinaus weiterhin: nichts. Und nun kommt also auch noch ein Obelisk. Er markiert einen Platz der verpassten Chancen. Einen Platz, wie kaum ein anderer in der Stadt nach Verbesserung schreit – so bald wie möglich.  

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