Kommentar zur KlagemauerDas vergiftete Erbe von Walter Herrmann

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Zur Trau­er­feier nach Walter Herrmanns Tod im Juni 2016 waren die Tafeln der Kla­ge­mauer in der Vingster Kirche St. Theodor auf­ge­stellt.

Köln – Vor langer Zeit war die Klagemauer ein Teil Kölns. Im Schatten des Doms schrieben Menschen auf Tafeln, was sie bewegte und besorgte. Dafür bekam Walter Herrmann, der Herr der Mauer, den Aachener Friedenspreis. Doch später verkam Herrmanns „Soziale Plastik“, wie die Klagemauer bisweilen genannt wird, zum antisemitischen Manifest. Die Schmähkarikatur eines Juden, der ein palästinensisches Kind verspeist, markiert das Extrem dieser Verwahrlosung.

Herrmann hat ein vergiftetes Erbe hinterlassen. Dass Historiker Teile der Tafeln bewahren wollen, ist stimmig und bedeutet keine Billigung antisemitischer Ausfälle. Der Leiter des Stadtmuseums, Mario Kramp, und die Chefin des Stadtarchivs, Bettina Schmidt-Czaja, sind über Zweifel erhaben – anders als manche von Herrmanns posthumen Claqueuren. In den Ruf nach Bewahrung der Klagemauer im Gedächtnis Kölns mischen sich auch andere Töne: Da wird das Wort „Jude“ gezischt, als wäre es ein Schimpfwort. Und sogar die Leugnung des Holocaust ist kein Tabu.

Debatten wie die in der Karl-Rahner-Akademie zeigen, wie sehr die Schuld der NS-Zeit uns noch immer belastet. Der Vertreter der jüdischen Gemeinde kommt, wie üblich, mit Polizeischutz. Er ist sonst nicht sicher in diesem Land, in dem Antisemitismus wieder alltagstauglich ist.

Die Ausfälle in der Diskussion verschärfen die Ausgangsfrage, ob Herrmanns Relikt der Erinnerung wert ist – und sei es nur im Dunkel eines Archivs. Doch spätestens jetzt ist klar: Teile der Klagemauer gehören tatsächlich dorthin. Schon um zu belegen, dass Herrmann am Ende seiner Tage kein Vorkämpfer zivilen Bürgerprotests mehr war, sondern ein verblendeter Antisemit.

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